Die unbestechlichen Covid-Schnüffler

Rumäniens Polizei bildet in Hermannstadt Spürhunde aus

Chefkommissar Leonard-Claudiu Bilă (2.v.l.) und Kommissar Adrian Neguțescu (2.v.r.), flankiert von Covid-Spürhunden in Ausbildung mit Hundeführerinnen und Hundeführern. In Hermannstadt werden auch Rottweiler für den Einsatz im echten Terrain ausgebildet – die einzigen Polizeihunde, denen aggressives Zupacken antrainiert wird, damit sie flüchtige Kriminelle rasch unschädlich machen und gleichzeitig auch den Hundeführer vor Angriffen schützen können. | Bilder: der Verfasser

Nach der Pandemie können die Covid-Spürhunde umgeschult und nach vier bis sechs Monaten Training für andere Zwecke eingesetzt werden.

Rumänien kann sich vor dem detektivischen Ruf Englands und Sherlock Holmes nur ehrerbietig verbeugen. Aber: Seit 1950 gibt es in Hermannstadt ein Hundeausbildungszentrum für die tierisch sichere Begleitung der Polizei. Die Truppenübungsplätze für die ermittelnden Vierbeiner und ihre Führer, die kleine Zuschauertribüne und die Büros des „Centrul Chinologic Sibiu“ (CCS) sind seit gut siebzig Jahren direkte Nachbarn des Soldatenfriedhofs im Jungen Wald/Pădurea Dumbrava. Und weil hierzulande die Berufsarmee und die Orthodoxe Kirche Rumäniens (BOR) das unangefochtene Spitzentandem im den Vertrauen der Bevölkerung stellen, wachen als Namenspatronen der Tierarzt und Ausbildungszentrum-Gründer Dr. Aurel Greblea und der tierliebende Abt Gerasimos, der im 5. Jahrhundert nach Christus am Jordan gelebt haben soll, doppelt über das CCS.

Im September 2020 bauten das Team und der leitende Kommissar Leonard-Claudiu Bîlă vom CCS zwei mobile Krankenhauscontainer zu einem Trainingskorridor für Polizeihunde um, die auf Flughäfen, in Bahnhöfen und an Grenzübergängen das Virus SARS-CoV-2 und seine Mutationen erschnüffeln sollen. Seither läuft in Hermannstadt unter geteilter Aufsicht des Innenministeriums, des Gesundheitsministeriums und der Nationalen Behörde für Veterinäre Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (ANSVSA) ein Projekt, von dem die Rumänische Polizei sich zu Recht viel Erfolg verspricht.

Denn in Helsinki und Dubai gelangen bereits Spürhunde zum Einsatz, die mit beinahe hundertprozentiger Treffsicherheit auf Träger des Coronavirus reagieren. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein fünf Stunden später abgeschlossener PCR-Test die von der Hundenase angezeigte Vermutung bestätigt, liegt bei 94 Prozent. Deutsche und belgische Schäferhunde können mit ihrem sehr feinen Geruchssinn sogar asymptomatische Infektionsfälle identifizieren. Noch 2020 nahm Rumänien Notiz von der andernorts entdeckten Idee, die Pandemie mithilfe von Polizeihunden einzudämmen. „Es gibt Staaten in Europa, die es sich einfacher als wir hier in Hermannstadt leisten könnten, Covid-Spürhunde auszubilden, es aber nicht tun“, wie Chefkommissar Leonard-Claudiu Bîl² nicht ohne einen gesunden Schuss Eigenlob unterstreicht.
Er und sein Team vom CCS halten große Stücke auf die sechs Schäferhunde, die aus Eigenzucht rekrutiert wurden und bereits in Ausbildung für ihren Einsatz als Covid-Spürhunde stehen. Wenn alles gutgeht, dürften der belgische Malinois-Schäferhund und die fünf deutschen Schäferhunde schon im Frühsommer 2021 am Flughafen Hermannstadt und auch auf anderen internationalen Flughäfen Rumäniens aufpassen, ob unter den Passagieren einer Landung nicht eine oder mehrere Personen das pandemische Virus tragen.

Unsichtbar und völlig ungefährlich

Kommissar Adrian Neguțescu, Leiter der Abteilung für Dressur und taktische Vorbereitung, weiß von allen möglichen Ängsten: „Ja, natürlich kann man es Passagieren, die als Kinder von einem Hund gebissen wurden und für den Rest ihres Lebens von einem Trauma begleitet bleiben, nicht zumuten, freiwillig an einem Covid-Spürhund vorbeizugehen.“ Aber dafür gibt es eine Lösung, und sie ist sogar denkbar einfach – denn der Polizeihund und sein Profi-Hundeführer beziehen aufmerksam Stellung hinter einer mobilen Trennwand aus Metall, die den Passagieren ausreichend Sichtschutz bietet, ohne jedoch dem Polizeihund den Geruchsweg abzuschneiden. Mit ihren zahllosen Löchlein in symmetrischer Anordnung funktioniert die Trennwand wie ein perfekt getarnter Schutzwall, der nur den Hunderiecher durchlässt und auch ängstlichen oder reizbaren Passagieren nicht auffällt.

Nur zwei der sechs Schäferhunde vom CCS, die auf ihren Dienst als Covid-Schnüffler getrimmt werden, sind älter als 18 Monate und somit erwachsene Tiere. Zwei der restlichen vier Exemplare sind sechs, und weitere zwei neun Monate alt, und fünf von diesen reinrassigen Azubis sind männlich. „Weil die Schnauze von Männchen um ein paar Zentimeter länger als bei Weibchen und deshalb auch mit noch mehr Geruchszellen ausgestattet ist“, wie Kommissar Adrian Neguțescu erklärt.

Sie werden im täglichen Training für jedes korrekte Identifizieren einer Probe mit Knabberzeug aus der Hand ihrer Profi-Hundeführer belohnt. Und sie verdienen die Häppchen, weil es ihnen im Trainingskorridor absichtlich schwer gemacht wird. Auf der knapp 15 Meter langen Trainings-Strecke laufen die Polizei-Schäferhunde an der Leine geführt eine Wand entlang, die mit fünfzehn geruchsdurchlässig verschlossenen Metalldosen in Tierkopfhöhe ausgestattet ist. Ein spannendes Hütchenspiel, bei dem es in der Tat um sehr viel geht. Die Hunde werden darauf dressiert, echte Covid-Proben von gesunden zu unterscheiden, und müssen auch lernen, sich nicht von ablenkenden Proben beirren zu lassen. Die Bissen in den Dosen des Trainingskorridors und später in den Hosentaschen der Passagiere am Flughafen dürfen sie nicht interessieren.

Die echte Covid-Probe in so einer Hundetrainings-Dose besteht aus nichts weiter als einem Stück Mullbinde, das mit frischem Schweiß einer Person getränkt ist, die das Virus trägt. Hunde selbst können über Haut und Fell physiologisch nicht schwitzen und ihre erhöhte Körpertemperatur nur durch Hecheln wieder zurückfahren. Aber sie riechen es, wenn ein Mensch in seinen Ausdünstungen Sulfite mitführt, die sich nur im Stoffwechsel von Patienten feststellen lassen, die das Virus tragen oder bereits schon an Covid-19 erkrankt sind. 
Medizinisch ist erwiesen, dass Mutationen keinen Einfluss auf die chemische Komposition dieser Sulfite haben, die über eine Infektion oder Nicht-Infektion aufklären, so Kommissar Adrian Negu]escu. Gesunde Menschen dünsten keine Sulfite aus, die übrigens nicht nur über Viren Aufschluss geben, sondern auch bei Krebs.

Prominenter Besuch aus Temeswar

Eine staatlich bestellte Technokraten-Kommission hat am 14. April eine Testvisite am CCS unternommen und fünf der sechs künftigen Covid-Spürhunde – einer von ihnen konnte aus Krankheitsgründen nicht an der Aktion teilnehmen – maximale Effizienz bescheinigt. Weitere Tests werden folgen. Angeführt von Experte Dr. Virgil Musta, Chefarzt am Victor Babeș-Krankenhaus für Infektionskrankheiten in Temeswar und Professor an der gleichnamigen Universität für Medizin und Pharmazeutik, haben auch Inspektor Dr. Lucian Blăguțiu von der Hermannstädter Behörde für öffentliche Gesundheit (DSP), Dr. Victoria Bîrluțiu, Chefärztin der Abteilung für Infektionskrankheiten am Kreiskrankenhaus Hermannstadt und Dozentin an der Lucian-Blaga-Universität Sibiu (ULBS), und Dr. Cristina Marieta Gaspar, Fachärztin am Temeswarer Victor Babeș-Krankenhaus, sich davon überzeugt, dass am CCS ganze Arbeit geleistet wird.

Dr. Virgil Musta orderte an, in welche Hundetrainings-Dosen echte Covid-Schweißproben, gesunde Proben und ablenkende Proben verteilt werden sollen. Anders als an einem üblichen Trainingstag wussten die kurz darauf mit ihren Hunden an der Leine in den Korridor einlaufenden Profi-Führer nicht, in welchen Dosen echte und wo falsche Proben steckten. Aber die Hunde meisterten ihr olfaktorisches Hütchenspiel perfekt. Danach besprühte Dr. Musta die Dosen zusätzlich mit Desinfektionsmittel. Er wollte testen, ob die Schäferhunde davor kapitulieren oder nicht. Zu seiner hellen Begeisterung war ihr Geruchssinn klar stärker als der penetrante Chemikalienduft. Eine Kostprobe dieser stupenden Unbeirrbarkeit seiner Spürhunde hat das CCS auch mir ADZ-Reporter stolz vorgeführt.

Zu den nicht-polizeilichen Institutionen, mit denen Chefkommissar Leonard-Claudiu Bîl² und das CCS zusammenarbeiten, zählt auch die Universität für Agrarwissenschaften und Veterinärmedizin Temeswar, die in ihrem Namen den Zusatz „Regele Mihai I. al României“ führt. Das bioethische Zulassungsgutachten auf Basis des Gesetzes 43/2014, das besagt, dass Tieren bei Nutzung für wissenschaftliche Zwecke kein Leid zugefügt werden darf, wurde dem Hundeausbildungszentrum Hermannstadt von der ANSVSA ausgestellt. Nebenbei beschwert Kommissar Adrian Neguțescu sich zurecht über unwissende Kritikerstimmen, „die dem CCS von außen spöttisch nachsagen, dass unsere Rauschgift-Spürhunde die Drogen nur finden, weil wir ihnen angeblich im Training Drogen verabreichen.“

Polizeihund gegen Impfpass?

Den Covid-Spürhunden vom Ausbildungszentrum Hermannstadt wird beigebracht, bei Identifikation einer wahrscheinlichen Infektion keinen Laut von sich zu geben und ihr Urteil durch „freezing“ (englisch für ‚Einfrieren‘, also Erstarren) anzuzeigen. Sie klären über die Präsenz des Krankheitserregers im Körper des zu testenden Menschen, nicht aber über eine Erkrankung auf. Es kann passieren, dass eine infiziert gewesene Person klinisch bereits als geheilt gilt, aber das Virus noch trägt und so vom Covid-Spürhund erkannt wird.

Genau das wirft eine ethische Frage auf: Die Impfung, die im geplanten Corona-Impfpass der EU verzeichnet ist, schützt vor schweren Krankheitsformen, aber nicht davor, Träger des Virus zu sein und es übertragen zu können. Was wäre ein solches Dokument noch wert, wenn man gemäß Impfpass international frei reisen darf und sich für Dritte ungefährlich dünkt, am Zielflughafen aber als Virusträger identifiziert wird und in Isolation muss, anstatt sich nach Herzenslust austoben zu dürfen? Der feine Unterschied zwischen obligatorischem Impfpass und gar verheimlichtem oder doch nur ungewolltem Selbstbetrug erfordert eine Diskussion über Nuancen. In der Welt voll aufziehender Extreme nicht einfach.