Die Verkehrtwende

Weltweit schaffen sich Städte batteriebetriebene Busse an – auch, um damit ihre Klimaziele zu erreichen. Aber sind diese Busse wirklich so umweltfreundlich, wie suggeriert wird?

Ein Oberleitungsbus des Typs Citelis 12T der Bukarester Verkehrsbetriebe steht vor einem mit Straßenbeleuchtung kombinierten Oberleitungsmast. | Foto: der Verfasser

Klausenburg/Cluj-Napoca darf sich seit 2018 rühmen, die erste Stadt in Rumänien zu sein, die sich Batteriebusse angeschafft hat. Inzwischen findet man sie auch in anderen Städten des Landes und kann hören, wie man sie nicht hört. Sicher, hinter einem Elektrobus riecht es besser als hinter einem Diesel und eine „unästhetische“ Oberleitung brauchen sie, im Gegensatz zu Oberleitungsbussen, nicht. Wenn gefühlt jede Stadt dabei mitmacht, kann es dann schlecht sein? Hierauf lässt sich sehr deutlich antworten: Jein!

Wie allgemein bekannt, produzieren Verbrennungsmotoren CO2, was dazu führt, dass der Verkehr einer der größten „Klimakiller“ überhaupt ist. Anscheinend geht man in der Politik davon aus, dass die Menschen aus Spaß an der Freude pendeln und nicht etwa, weil es sich viele nicht leisten können, an ihren Arbeits- und Freizeitorten, oft die Innenstadt, zu wohnen. Das wäre ja auch undenkbar, das zu verändern, würde den Verkehr bestimmt nicht reduzieren und überhaupt, die Feuersteins lehrten uns, dass schon in der Steinzeit gependelt wurde, wer will denn leben, wo man wohnt?  Setzen wir uns einfach mal die Brille dieser Entscheidungsträger auf und gehen vom Obengenannten aus, also: Die tägliche Pendelei sei ein Ergebnis der menschlichen Natur, gottgegeben, vorherbestimmt, ein Grundbedürfnis. Deshalb wollen wir sie nicht vermeiden, sondern einfach hinnehmen und versuchen, sie zu elektrifizieren und die Emissionen, die man damit verursacht, woanders auszustoßen.

Umweltschädliche Batterieproduktion

Man kann keine allgemeine Aussage darüber treffen, wie gut oder eher schlecht genau die Anschaffung von Batteriebussen durch Verkehrsunternehmen ist, denn das ist von Stadt zu Stadt unterschiedlich zu bewerten. Bis auf ein universelles Problem dieser Fahrzeuge: den Akku. Die Problematik beginnt schon bei der Produktion, für die normalerweise wertvolle Rohstoffe abgebaut werden müssen, wofür nicht nur die Natur stark in Mitleidenschaft gezogen wird (besonders der Abbau von Lithium verbraucht z.B. enorme Wassermengen), sondern auch die Menschen, die in den entsprechenden Förderungsbetrieben unter unmenschlichen Bedingungen ausgebeutet werden, darunter auch Kinder. Diese Akkus haben zudem keine allzu lange Lebensdauer, die Hamburger Verkehrsbetriebe beispielsweise schätzen sie bei ihren Fahrzeugen auf etwa sieben Jahre. Wie klimafreundlich der reine Betrieb dieser Busse ist, hängt dann von der Art der Erzeugung das Stromes ab, mit dem die Busse versorgt werden. Wenn es sich um Batteriebusse handelt, die an jeder Station neu aufgeladen werden müssen, kann der Betreiber den Strom schlecht selbst erzeugen, weil die Ladestationen im ganzen Stadtgebiet verteilt sind. Handelt es sich aber um Busse mit einer langen Akkulaufzeit, die nachts im Depot aufgeladen werden, dann könnte der Betreiber die Garage der Busse mit Solarzellen ausstatten und so zumindest einen Teil des Stromes selbst erzeugen, was diesen nicht nur grüner, sondern auch günstiger macht.

Es geht auch ohne Akku

Busse, die ebenso mit Strom fahren, aber keine schädliche Batterie brauchen, sind Oberleitungsbusse. Diese zeichnen sich besonders durch ihre Langlebigkeit aus, so sind beispielsweise im chilenischen Valparaíso Fahrzeuge im Betrieb, die 1952 gebaut wurden. In anderen Fällen können Städte, die sich neue Fahrzeuge anschaffen, Teile der Ausrüstung ihrer alten Fahrzeuge wiederverwenden, es sind also sehr ressourcenschonende Fahrzeuge. Da sie weder aufgeladen noch betankt werden müssen sind sie außerdem immer einsatzbereit. Ein häufig genannter Nachteil ist aber die Oberleitung. Sie muss durch großflächige Bauarbeiten installiert werden, zudem braucht man entsprechende Ausrüstung zum Instandhalten. Die Oberleitung schränkt den Bus einerseits deshalb ein, weil er dadurch andere Oberleitungsbusse nur überholen kann, wenn deren Stromabnehmer nicht an der Oberleitung anliegen und andererseits, weil er nicht spontan umgeleitet werden kann, falls es ein Problem mit der Strecke gibt. Es müsste also für eine Umleitung eine provisorische Oberleitung auf dem betreffenden Streckenabschnitt installiert werden. Oftmals werden die Fahrdrähte auch als unästhetisch empfunden.

Aber hiergegen kann etwas getan werden: Es gibt neben reinen Oberleitungsbussen auch solche, die einen Hilfsdieselmotor haben oder einen sehr kleinen Akku. Bei letzterem treten hier natürlich wieder die Probleme der umweltschädlichen Produktion auf, allerdings sind diese Akkus wesentlich kleiner als solche für reine Batteriebusse. Mit dieser Hilfs-ausrüstung kann der Bus eine Umleitung ohne Oberleitung fahren, oder Straßenzüge durchqueren, in denen aufgrund einer historischen oder ästhetischen Relevanz keine Oberleitung installiert werden soll. Oberleitungsmasten können außerdem mit Straßenbeleuchtung kombiniert werden, die ohnehin aufgestellt werden muss. Es bleibt das Problem der Instandhaltung, und ja, dafür sind Knowhow und Extrageräte nötig. Allerdings müssten die bei Batteriebussen für die Ladestationen auch angeschafft werden.

Deshalb ist die Anschaffung von Batteriebussen anstatt von Oberleitungsbussen besonders dann eine schlechte Idee, wenn sie von einer Stadt vorgenommen wird, in der es schon ein bestehendes Oberleitungsbusnetz gibt, das man erweitern kann. Die Stadt hat dann schon die Wartungsausrüstung, das Knowhow und Fahrlehrer. Egal ob Netzausbau oder Netzeinführung, ästhetische Einbußen können, wenn die Angst vor ihnen größer ist als der Schuldenberg der Stadt, beim Ausbau kompensiert werden, indem man etwa ein spezielles Design für die Masten verwendet. Alternativ kann zur ästhetischen Kompensation auch ein Parkverbot in den entsprechenden Straßen eingeführt werden, dann müssten die Masten auch nicht auf dem Fußweg stehen.

Es lebe der Oberleitungsbus...

Aufwendiger ist es für eine Großstadt, die noch kein bestehendes Oberleitungsbusnetz hat, sich ein solches anzuschaffen, doch es hat viele Vorteile! Eine im Vergleich zu Dieselbussen höhere Beschleunigungskraft erleichtert das Einfädeln in den fließenden Verkehr, und zusammen mit der Fähigkeit, an Endpunkten nicht laden zu müssen, ist eine Taktverdichtung und konstanter Betrieb der Klimaanlage möglich (Batteriebusse mit Schnellladeakkus müssen diese an heißen Tagen in Staus manchmal abstellen, weil sie so viel Strom verbrauchen, dass sie es ansonsten nicht mehr zur Aufladestation schaffen würden). Auch an Steigungen können sie wesentlich besser und für die Fahrgäste angenehmer anfahren als Dieselbusse. Bei der Umweltbilanz ist hier natürlich wie beim Elektrobus auch darauf zu achten, wie der Strom erzeugt wird. Der Betreiber könnte im besten Fall selbst Solarstrom erzeugen, den er ins Netz einspeist. Theoretisch könnten neben den Depothallen auch die Dächer sämtlicher Wartehäuser mit Solarzellen ausgestattet werden, von denen dann der Strom ins Oberleitungsnetz gespeist wird. Eine Umstellung auf elektrischen Betrieb wäre in jedem Fall, allein schon aufgrund von Aspekten der Energieeffizienz sinnvoll: Oberleitungs- wie auch Batteriebusse verfügen über die Möglichkeit der Rekuperation, das heißt, dass beim Bremsen elektrische Energie erzeugt wird, die dann zurück in das Stromnetz bzw. bei Batteriebussen zurück in den Akku gespeist werden kann. Das trägt mit dazu bei, dass auch bei einem nicht allzu kleinen Kohlestromanteil im Netz der CO2-Ausstoß elektrischer Busse den von Dieselbussen unterschreitet.

Die einzigen Städte in Europa die in diesem Jahrtausend ein Trolleybussystem installiert haben sind Rom (2005), Lecce (ebenfalls in Italien, 2012), und Landskrona (2003) in Schweden. Zurzeit werden auch in Prag Oberleitungen installiert. Das jüngste Oberleitungsbusnetz in Rumänien ist das in Ploiești von 1997. Fleißiger wird hingegen bei der Stilllegung vorgegangen. In Deutschland hatten mehr als 70 Städte Oberleitungsbussysteme, die inzwischen alle, bis auf drei, demontiert wurden. In Rumänien wurden zehn Oberleitungsbussysteme eingestellt, das letzte davon 2019 in Piatra Neamț. Dabei wäre eine gegenteilige Entwicklung wünschenswert. Auch wenn es eine teure Angelegenheit ist (das neue Netz von Lecce kostete mehr als 20 Millionen Euro), kann es sich, besonders für Großstädte, lohnen, ein Oberleitungsbusnetz zu installieren. Vor allem, wenn die Stadt noch nicht einmal ein Straßenbahnnetz hat.

… auch außerhalb der Metropolen!

Zuletzt stellt sich die Frage, welche Art Bussystem in Klein- oder Mittelstädten sinnvoll ist. Ein elektrischer Busbetrieb lohnt sich eigentlich immer – besonders, wenn in eigene grüne Stromerzeugung investiert wird. Aber ein Oberleitungsbusbetrieb ist, im Hinblick auf die deutlich kleineren Fahrgastzahlen, in der Regel zu unwirtschaftlich für eine kleine Stadt. Hier lohnt es sich tatsächlich, aus ökonomischer Sicht zumindest, Batteriebusse anzuschaffen, weil sich ihr Betrieb auch bei einer niedrigen Taktfrequenz rechnet. Dennoch muss hier berücksichtigt werden, dass ethische Aspekte, man bedenke die Arbeitsbedingungen beim Lithiumabbau und dessen gravierende Auswirkung auf die ihn umgebende Natur, nicht ignoriert werden sollten. Wenn kleinere Städte planen, ihre Busflotte zu erneuern, wäre es hier vielleicht auch sinnvoll, noch eine weitere Busgeneration neuer Dieselfahrzeuge zu betreiben und dann in ein paar Jahren zu sehen, ob bei der Entwicklung von Akkus Fortschritte erbracht wurden, die diesem ethischen Versagen ein Ende bereiten. Alternativ könnten wohlhabendere Städte natürlich trotzdem ein Oberleitungsbusnetz einführen, günstiger als die nächste Dürre ist es bestimmt. Es sollte auch einmal die Frage gestellt werden, warum in mittelgroßen Städten die Fahrgastzahlen so klein sind wie sie derzeit sind, und ob diese sich nicht vielleicht doch vergrößern würden, wenn man die Attraktivität des Nahverkehrs in den Städten und die Anbindung in andere Städte optimiert.

ÖPNV darf die Stadt Geld kosten

Es bleibt festzuhalten, dass elektrisch betriebene Busse im Nahverkehr definitiv mehr Potenzial haben als solche, die mit fossilen Brennstoffen fahren. Eine Einführung von Batteriebussen ist zwar einfacher als die von Oberleitungsbussen, aber die Herstellung der Akkus, wie sie momentan betrieben wird, darf nicht einfach ignoriert werden. Die Mobilität ist eine wichtige Frage bei der Bekämpfung des Klimawandels, und das, was für die Verkehrswende mit Batteriebussen (und selbstverständlich auch mit E-Autos) von europäischen Staaten, Städten und Menschen an Ausgaben gespart wird, bezahlen die Natur und Menschen ärmerer Kontinente. Somit tragen Welt und Menschheit zur Bremsung der globalen Erderwärmung bei, indem sie teilweise zerstört werden. Geld wächst zwar nicht auf Bäumen, bewohnbare Planeten aber auch nicht, und von letzterem haben wir sicher nicht so viel wie von ersterem. Das Geld, das für eine gute und nachhaltige Verkehrswende gebraucht wird, die die bestehenden Probleme nicht nur verschiebt, sondern auch löst, ist grundsätzlich auch da. Es kann von der Förderung von Luft- und Individualverkehr genommen und stattdessen besser in den ÖPNV investiert werden – und zwar im Idealfall nicht so, dass niemand mehr Auto fahren kann, sondern so, dass niemand mehr Auto fahren muss. Besonders in ländlichen Gebieten wäre etwa auch ein Dieselbus im Gegensatz zum Klimakiller „Nichtbus“ schon mal eine sinnvolle Investition. Gleichzeitig muss bei einer solchen Verkehrswende aber auch eine Energiewende stattfinden, elektrisch betriebene Busse können schließlich ihre Vorteile nur dann voll ausnutzen, wenn sie auch mit grünem Strom betrieben werden. Die Angst vor einer hohen Investition sollte letztendlich nicht so groß sein wie die vor einem hohen Meeresspiegel, auch weil es noch weitaus teurer wäre, eine Batteriebusflotte auf Boote umzurüsten.