„Die Welt ist ein Geschenk“

Die Entdeckerin Maria (Uca) Marinescu erzählt ihre Erlebnisse anhand ihrer Fotoausstellung

Das im Hunzatal an der Grenze zwischen Indien und Pakistan lebende Volk hat bei 110-120 Jahren die weltweit höchste Lebenserwartung und kennt keine Krebs-Fälle. Die Einheimischen sehen jung aus und sind fast nie krank.

Die Rentierzucht ist sehr wichtig in Sibirien.

Die tiefste Spiritualität hat Uca Marinescu bei den Tibetanern entdeckt. | Fotos: Uca Marinescu

Die in Gheorgheni, Kreis Harghita, gebürtige rumänische Entdeckerin und Weltenbummlerin Maria (Uca) Marinescu hat in der ersten Januarhälfte eine Fotoausstellung mit ihren schönsten Erinnerungen aus 30 Wanderjahren und 22 Expeditionen in der Bibliothek der Rumänischen Akademie gezeigt. Die inzwischen über 80-jährige Leistungssportlerin, Turnlehrerin und Universitätsprofessorin hat allein oder zusammen mit anderen Forschern und Wanderern alle sieben Kontinente bereist, mehrere Rekorde aufgestellt (siehe hierzu ihr Porträt) und hohe Auszeichnungen erhalten. Darüberhinaus stellt sie sich als begabte Hobby-Fotografin heraus und beeindruckte mit ihren rund um die Welt gesammelten Erlebnissen über Menschlichkeit, Freundschaft und Glauben.

Die während der Entdeckungsreisen entstandenen Fotos luden - untermalt vom Liebeswalzer von Eugen Doga und Frédéric Chopins Frühlingswalzer – zum Träumen ein. Einige Merkmale der porträtierten Leute und ein paar typische Landschaften einiger Regionen waren erkennbar, aber die Volksangehörigkeit und der genaue Ursprungsort der Fotos konnten nicht so recht festgestellt werden, weil den meisten Bildern jegliche Beschriftung fehlte. Dies war keineswegs Nachlässigkeit, sondern dadurch hatte die Autorin der Fotos beabsichtigt, die Besucher an ihrer Stelle als Zeugen für die Herrlichkeit der Welt einzusetzen, um frei von eventuellen Vorurteilen ihre Begeisterung und Liebe gegenüber den Menschen und Orten mitzuempfinden. So ermöglichte die Entdeckerin einen Einblick jenseits des Schleiers kultureller und sozialer Unterschiede in die Seelen- und Glaubensreinheit einfacher Menschen und in die abwechslungsreiche Schönheit einer unversehrten Natur.

Als Hauptrednerin erzählte Uca Marinescu, indem sie ab und zu auf Fotos und Erinnerungen hinwies, voller Dankbarkeit und Bescheidenheit nicht über ihre Errungenschaften, sondern über die edle Einfachheit und tiefe Spiritualität der traditionsgebundenen Menschen und technologiefernen Kulturen, die sie an abgelegenen Orten kennengelernt hatte. Ihre Geschichten über Freundschaft, menschliche Schicksale und Tragödien, Menschlichkeit, Enttäuschung und Glauben, Schwierigkeiten und Hoffnung sowie die ihr begegneten Diaspora-Rumänen faszinieren und beeindrucken zutiefst.

Hindernisse auf Reisen

Obwohl ihr unstillbarer Drang nach Reisen Uca Marinescu aus ihrer Wohnung in die weite Welt hinaus treibt, kehrt sie unter dem starken Einfluss ihrer Sehnsucht nach der Heimat immer wieder zurück nach Rumänien. Das Zusammenspiel zwischen den beiden Triebkräften hat ihr ganzes Leben geprägt und zu ihrem Erfolg beigetragen. Die Sehnsucht nach der Heimat empfand sie meist am Anfang, zwei-drei Wochen nach der Abreise. Manchmal wurde sie aber auch mittendrin stärker als die Wanderlust und drängte sie förmlich nach Hause.  Was tun? Dann sperrte sie sich einfach selbst in der Gastwohnung ein, bis sie ihre Sehnsucht unterdrücken konnte, gestand Uca Marinescu. So war es ihr 2010 ergangen, in Russland, während der Reise um die Welt an 24 Orte, die sie bis dahin nicht besucht hatte.

Auf ihren Reisen stieß sie auch auf andersartige Hindernisse: Schneestürme und extreme Kälte am Polarkreis, die Drohungen eines Holzunternehmens, das Bäume illegal im rumänischen Naturpark Königsstein/Piatra Craiului Gebirge fällte oder die drohenden Blicke einer Gruppe von Männern an einer Bushaltestelle in China, die sie als einzige weiße, nicht von einem Mann begleitete Frau mit bösen Augen ansahen. „Gott sei Dank, dass der Bus endlich anhielt!“, dachte sie damals erleichtert.

Ein anderes Mal wurde sie ungerechterweise von den südafrikanischen Lokalbehörden zum Aussteigen aus dem Bus – in dem sie die einzige Weiße war – unter dem Vorwand, etwas sei mit ihren Reisedokumenten nicht in Ordnung, gezwungen. Der gültige Reisepass, die im Voraus beantragte Einreiseerlaubnis waren doch alle dabei. Die Entdeckerin ahnte, dass etwas nicht stimmte und wollte den Behörden entkommen. Sie gab vor, auf die Toilette zu müssen, wo sie ein angebundenes Hündchen vorfand und einfach frei ließ. Die Wächter liefen dem Hund nach und die Entdeckerin stieg in den nächsten Bus ein und kam glimpflich davon.

Gastfreundschaft, Hilfsbereitschaft und Diaspora-Rumänen

Nicht alle Einheimischen, die Uca traf, verhielten sich ihr gegenüber so unfreundlich. In der Regel waren die fremden Völker eher freundlich gesinnt. Mangel an Gastfreundschaft hat Uca Marinescu enttäuschenderweise ausgerechnet von abendländischen Entdeckern wie sie erlebt. Als sie zusammen mit einer internationalen Gruppe – zwei Amerikanern, einem Deutschen und einer Südafrikanerin – am 24. Dezember 2001 den geografischen Südpol erreichte, wurde allen eine Urkunde überreicht, die den Erfolg ihrer Expedition bezeugte. Am Abend wurden die Expeditionsteilnehmer zur Weihnachtsparty des örtlichen amerikanischen Forschungszentrums eingeladen – alle außer sie. Die rumänische Entdeckerin musste die Weihnachtsnacht allein in ihrem Zelt verbringen, draußen in der arktischen Kälte, während aus dem Forschungszentrum Weihnachtsmusik und geselliges Gelächter erklang und ein herrlicher Geruch nach gebratenem Truthahn in der Luft hing. Mit dieser Ausnahme wurde Uca Marinescu überall in der Welt freundlich empfangen.

In Alaska lernte sie überraschenderweise sogar zwei gastfreundliche rumänische Familien kennen, die sie in ihrem Haus unterbrachten, sowie es auch viele Einheimische an abgelegenen Orten taten.

Ein anderer Ort, wo sie unerwarteterweisse einen Landsmann traf, war das Königreich Bhutan, das Land mit dem weltweit höchsten Glücksindex, das aber großen Wert auf seine Volksreinheit legt und keine Mischehen oder das Ansiedeln von Fremden erlaubt. Bhutan liegt Uca am Herzen und als sie aus der tibetanischen Hauptstadt Lhasa dorthin fliegen wollte, stellte sie fest, dass der freundliche Pilot ein Rumäne aus Gala]i war. Dieser half ihr anschließend auch, viele Kontakte in Bhutan zu knüpfen. Dort beeindruckte sie die edle Einfalt der Bhutaner, ihre Freude an ihrer schlichten, technologiefreien Lebensweise und die Bescheidenheit der königlichen Familie, die den Untertanen sehr nahe steht, weil ihre Mitglieder ein gewöhnliches Berufsleben pflegen und im Fall von Katastrophen den Opfern zusammen mit dem im Einsatz befindlichen Rettungsdienst persönlich Hilfe leisten.

Schicksalsschläge

Uca Marinescu wiede-rum hat nach dem großen Erdbeben in Kathmandu, Nepal, 2014, verwaiste Kindern monatelang ehrenamtlich unterrichtet und sie betreut. Von dort hat sie die traurigsten Geschichten mitgenommen.

Ein kleiner Waisenjunge wollte beim Waschen alles ausziehen, nur seine Muschelarmbänder nahm er nie ab, weil sie das einzige waren, was ihm von den verstorbenen Eltern geblieben war.

Ein introvertiertes Mädchen, das kaum mit jemandem sprach, schlüpfte jeden Abend aus ihrem Bett und schaute sich die Sterne vom Dach des Kinderheimes stundenlang an, denn dies war ihre einzige Möglichkeit, mit ihrer Mutter zu sprechen, wie sie Uca schließlich eröffnete.

Ein anderes, sehr fleißiges Mädchen lernte die Entdeckerin vor dem Erdbeben kennen. Sie spazierten und aßen zusammen mit den Eltern Kuchen in einer Konditorei. Als die Entdeckerin Nepal ein zweites Mal besuchte, erzählte sie dem Mädchen über Rumänien und lud es ein, einen Studienaufenthalt an einer rumänischen Hochschule und bei ihr zu verbringen. Das Mädchen nahm die Einladung gern an. Als Uca im darauffolgenden Jahr nach Nepal reiste, waren weder die Straße, noch das Haus oder das Mädchen und ihre Familie noch da...

All diese Geschichten stellen die seelische und menschliche Komponente an den Entdeckungsreisen von Uca Marinescu dar und haben ihre Persönlichkeit geprägt. Egal wohin man reist, sind die Menschen und ihre Schicksale mit glücklichen und traurigen Ereignissen eigentlich gar nicht so verschieden, erkennt sie. „Das einzige, was uns von den anderen unterscheidet, ist die Lebensweise.“