Dorfzeitschrift für Kinder verknüpft Tradition mit Technologie

Ein Projekt zur Förderung von kulturellen Werten und Sozialkompetenz auf dem Land

Dorfzeitschrift aus Cucorăni, Botoșani
Foto: Lume Bună

Das Leben auf dem Dorf hat seinen eigenen Charme: Die Frauen kennen noch essbare Pilze und heilkräftige Kräuter. Alte Leute können Legenden und Geschichten von früher erzählen. Vielleicht gibt es einen Dorfschmied oder einen Tischler, dem man bei der Arbeit zusehen kann. Oder einen pensionierten Lehrer, der Gegenstände für sein privates Museum sammelt. Und was haben der Pfarrer, der Arzt oder der Förster über die Jahre so alles erlebt? Was wissen wir von dem kleinen Jungen, dessen Eltern beide im Ausland arbeiten? Oder vom Alltag des Schäfers hoch oben auf der Alm? Dorfleben, auch ohne Computer und Smartphone, ist alles andere als öde.

Dass es dort gerade für Kinder jede Menge zu entdecken gibt, verdeutlicht Larisa Popescu mit dem Projekt „Kreative Dorfzeitschrift“ der Vereinigung „Lume Bună“ (auf Deutsch „schöne Welt“, oder auch „gute Leute“). Auf dem diesjährigen ProEtnica Festival in Schäßburg/Sighișoara Ende August stellte die Vereinsvorsitzende das Projekt vor, das heuer mit über 200 Schülern und 20 koordinierenden Lehrern in 11 Schulen der Landkreise Botoșani, Galatz/Galați, Vâlcea, Vrancea, Prahova, Suceava und Bacău über die Bühne ging. „Lume Bună“ setzt auf informelle Erziehung durch Kreativität und Kultur. Gefördert werden sollen Chancengleichheit und emotionelle Intelligenz, Dialog und soziale Kompetenz von Kindern auf dem Land.

Das vom Nationalen Kulturfonds AFCN kofinanzierte Projekt „Kreative Dorfzeitschrift“ soll sie für kulturelle Werte und Traditionen sensibilisieren. Doch wie begeistert man Kinder heutzutage für Traditionen? „Indem man das Thema mit moderner Technologie verknüpft“, verrät Larisa Popescu.
Eine Schlüsselrolle spielen Lehrer vor Ort, die bereit sind, sich in der Koordination des Redaktionsteams zu engagieren. Nachdem sich die Teams gebildet haben, finden wöchentliche Redaktionssitzungen statt. „Lume Bună“ organisiert fünf Workshops, in denen Kindern das nötige Wissen vermittelt wird: Man setzt sich mit Fragen wie Themenwahl, Layout und Illustration, der Erstellung von Plakaten für die Präsentation der Zeitschrift und Grundbegriffen von Finanzierung und Marketing auseinander. Kleinere Kinder schreiben von Hand und malen ihre Bilder, größere nutzen Computertechnik und Fotografie. „Wussten Sie, dass 70 Prozent der Dorfkinder den Computer, obwohl in der Schule vorhanden, nur einmal im Monat nutzen?“, fragt Larisa Popescu.

Die Zeitschrift gliedert sich in drei Sparten: Menschen, Traditionen und Dorfleben. In diese drei Bereiche sollen alle Reportagen fallen, ansonsten steht die Wahl des Themas frei. Wichtig aus Sicht der Veranstalter ist dabei, dass sich die Kinder in ihren eigenen Worten ausdrücken und nicht die formalisierte Sprache der Lehrer übernehmen. Sie erhalten Visitenkarten und Journalistennamen, dann geht es auf zu den Interviews. Ca. 20 Zeitschriften werden jedes Jahr gedruckt und anschließend in den Rathäusern der Dörfer vorgestellt. Motivierend für die Kinder ist nicht nur die Begeisterung der Eltern, sondern dass zu den Veranstaltungen meist auch der Bürgermeister und die interviewten Personen erscheinen. Eine Online-Version der Zeitschrift mit einer Auswahl von jeweils fünf Artikeln aus jedem Dorf soll auf der Facebookseite von „Lume Bună“ erscheinen.

Doch worüber schreiben die Kinder? Manche sammeln Legenden, andere interviewen Handwerker, Kriegshelden, Schriftsteller, Bauern, persönliche Vorbilder oder andere Kinder, oft „Journalistenkollegen“. Geschrieben wird über Minderheiten, Schicksale, Tänze und Trachten, Landwirtschaft und Tierhaltung, persönliche Träume und Wünsche. So gibt es einen Artikel über einen Jungen, der an einem Talentwettbewerb teilgenommen hat, oder über einen Pfarrer, der Waisenkinder in seine Familie aufgenommen hat. Ein Junge wird interviewt, warum er Polizist werden möchte. Andere Titel lauten: „Mein Vater, der Dorftischler“, oder: „Was ich tun würde, wenn ich Bürgermeister wäre“.

In einem Interview zum Motto „Alle sind wir gleich“ erzählt ein Roma-Junge, warum er die Schule erst mit zehn Jahren beginnen konnte, dass die Eltern beide in Schweden arbeiten und die 75-jährige Großmutter, die früher ebenfalls im Ausland auf dem Bau tätig war, heute fünf Pferde hält. Er selbst beteiligt sich an vielen Aktivitäten, wünscht sich, medizinischer Assistent zu werden und will später einer Roma-Partei beitreten, um für deren Rechte zu kämpfen. „Etwa 20 Prozent der Dorfkinder haben Eltern im Ausland“, bemerkt Larisa Popescu.

Ein weiteres Projekt nennt sich „Kreative Box aus dem Dorf“ und soll die Kooperation zwischen den Schulen fördern. Hierfür werden je zwei Schulen aus verschiedenen Dörfern als Partner gekoppelt. Die Schüler packen jeweils eine Schachtel mit repräsentativen Dingen aus dem eigenen Dorf – Fotos, Geschichten, Bastelarbeiten, Funde aus der Natur. Dann wird das Paket an die Partnerschule geschickt. Auf einer schulinternen Veranstaltung müssen die Kinder dann das andere Dorf präsentieren.