Dreiklang und Brückenfunktion

Zu der Konferenz „Europa und die deutschen Minderheiten“ in Hermannstadt

MdB Fabritius, Dr. Porr, Landtagspräsident Kartmann, Sven-Joachim Irmer, MdB Koschyk und MdP Ganţ (v.l.) saßen im Podium der Konferenz.
Foto: die Verfasserin

„Europa und die deutschen Minderheiten“ lauteten Titel und Thema der Konferenz, die, von der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) und dem Demokratischen Forum der Deutschen in Rumänien (DFDR) organisiert, am Freitag, dem 19. September, stattfand. Nach dem Impulsreferat, gehalten vom MdB Hartmut Koschyk, dem Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, folgten Statements von MdB Dr. Bernd Fabritius, Hessens Landtagspräsident Norbert Kartmann, dem DFDR-Abgeordneten Ovidiu Ganţ und dem DFDR-Vorsitzenden Dr. Paul-Jürgen Porr, die am Podium saßen. An der daraufhin folgenden Debatte beteiligten sich die Vertreter des Deutschen Forums, die aus allen Teilen des Landes an der Spitze mit ihren Vorsitzenden zur Konferenz gekommen waren. Teilgenommen haben desgleichen Christiane Cosmatu, Unterstaatssekretärin im Departement für interethnische Beziehungen, sowie Repräsentanten des deutschsprachigen Bildungswesens, der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien, aber auch Udo Puschnig vom Amt der Kärntner Landesregierung. Die Thematik und Problematik wäre auch für die rumänische Öffentlichkeit interessant gewesen – und Simultanübersetzung war gesichert – getagt wurde jedoch im rumäniendeutschen Kreis.

Es war die zweite Konferenz, welche die KAS heuer in Kooperation mit dem DFDR organisiert hat, nach jener im Mai in Bukarest zum Thema Freikauf der Rumäniendeutschen. Als Organisator der Veranstaltung habe er mitgenommen, dass es wichtig ist, als politische Stiftung nicht nur zweimal im Jahr sondern stetig Konferenzen mit dem Deutschen Forum zu organisieren, sagte Sven-Joachim Irmer, der KAS-Vertreter in Rumänien und Moderator der Konferenz, auf der anschließenden Pressekonferenz. Das Thema deutsche Minderheit sei keine Liebhaberei von einigen wenigen, sondern es betreffe Deutschland und Rumänien, und was in den letzten 25 Jahren diesbezüglich aufgearbeitet worden sei, müsse an die nächsten Generationen weitergegeben werden. Wo steht Rumänien, wenn es um Minderheiten geht, war die Frage, die Irmer in der Begrüßung stellte. Dr. Porr ging im Grußwort auf die jüngste Geschichte der deutschen Minderheit in kommunistischer Zeit ein. Trotz Repressionsmaßnahmen ist es gelungen, das deutschsprachige Bildungswesen zu erhalten, dessen Fortbestand auch für die Zukunft von größter Bedeutung ist. Dass das rumäniendeutsche Schulwesen in Europa einzigartig ist und eine einmalige Chance für die deutsche Sprache darstellt, bescheinigte ihm MdB Koschyk in seinem Vortrag.

Der Bundesbeauftragte für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten sprach in seinem Impulsreferat desgleichen vom Vorbildcharakter, den die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Rumänien in der Frage der deutschen Minderheit hat: Ausgegangen war er von der Vorstellung der europäischen Rechtsgültigkeit in der Minderheitenpolitik und dem Grundsatz der Politik Deutschlands, „nichts über die Minderheit, ohne die Minderheit“, auf Grund derer bilaterale Verträge bzw. Protokolle zwischen Deutschland und den mittel-osteuropäischen sowie Nachfolgestaaten der Sowjetunion unterzeichnet worden sind, die alle auch Bestimmungen im Bezug auf die in diesen Ländern lebende deutsche Minderheit enthalten. Ausdruck dieser Bestimmung im deutsch-rumänischen Partnerschafts- und Freundschaftsvertrag ist die deutsch-rumänische Regierungskommission für Fragen der deutschen Minderheit, in deren Kontext Themen offen und auch kontrovers besprochen und eine Reihe Anliegen formuliert werden, die man im Dialog mit der rumänischen Regierung abzuarbeiten bestrebt ist. Auf der rumänischen Seite sitzen „selbstverständlich“ bei diesen Gesprächen Vertreter des Deutschen Forums, auf der deutschen Seite jene der Landsmannschaften am Tisch, eine „Reziprozität“, die es sonst zu keinem anderen Land in Minderheitenfragen gibt.

Heimat – Identität – Glaube

Eingangs hatte MdB Koschyk die Solidarität angesprochen zwischen jenen, denen es vergönnt war, in Westdeutschland neu anzufangen, und den in ihren angestammten Gebieten verbliebenen Mitgliedern deutscher Gemeinschaften, „die nicht weniger schuldig oder unschuldig“ waren, die aber „weitaus härter zu zahlen hatten“. Am Schluss erwähnte er einen „Dreiklang“, den er während seiner langjährigen Tätigkeit in Fragen Vertriebene und nun als Bundesbeauftragter für deutsche Minderheiten festgestellt hat: Für das friedliche Zusammenleben von Bevölkerungsgruppen in einem Staat aber auch für gutnachbarschaftliche und freundschaftliche Beziehungen zwischen Staaten sei im Bewusstsein der Menschen eine gute Harmonie von Heimat – Identität – Glaube wichtig. Diese gibt es seiner Feststellung nach bei der deutschen Minderheit in Rumänien.

Als „Gewinn für die Gesellschaft“ bezeichnete MdB Bernd Fabritius die Minderheiten allgemein und als unverzichtbares Bindeglied in der rumänischen Gesellschaft die deutsche Minderheit in Rumänien. Als Mitglied im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfen sowie in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates und da des Minderheitenausschusses übte er Kritik an Rumänien, dessen Bericht über den Stand der Förderung der Minderheitensprachen seit 27 Monaten überfällig ist, weshalb er an den entsprechenden politischen Stellen in Bukarest nach den Gründen für die Verzögerung gefragt habe. Der zukünftige Vorsitzende des Bundes der Vertriebenen sprach vom grenzüberschreitenden Zusammengehörigkeitsgefühl, das jenseits von politischen Strukturen Halt vermittelt.

25 Jahre nach dem Niedergang des Eisernen Vorhangs sei es für ihn immer noch ein emotionaler Vorgang, nach Rumänien zu kommen, sagte Hessens Landtagspräsident Kartmann, der auch vorher hierher gereist ist. Er mahnte Geduld an beim Wiederzusammenwachsen der deutschen Gemeinschaften, dem Entstehen neuer Formen der Teilnahme und politischen Kultur. In der Diskussion wies er darauf hin, dass kein Staat seine Minderheiten in anderen Staaten instrumentalisieren dürfe. Als „Gemeinschaft loyaler Bürger“ stellte der DFDR-Abgeordnete Ganţ die Rumäniendeutschen vor, die ein Stabilitäts- bzw. positiver Entwicklungsfaktor ist und im sozialen wie kulturellen Bereich für die rumänische Gesellschaft insgesamt Enormes geleistet hat. Er bedauerte, dass im Vorwahlkampf einige Parteien abgelegt geglaubte Floskeln wieder aufgegriffen haben, die wahre Wertschätzung, derer sich die deutsche Minderheit erfreut, sei jedoch daran zu erkennen, dass eine der großen Parteien einen Rumäniendeutschen zum Präsidentschaftskandidaten nominiert hat. Zurückzuführen ist dies sicherlich auf die „Brückenfunktion“, von der jeder deutsche Politiker spricht, wenn es um die deutsche Minderheit geht, die diese aber mit Leben zu füllen versucht, wie es Dr. Porr feststellte. Die Rumäniendeutschen nehmen gleich eine mehrfache Brückenfunktion wahr, und zwar bauen sie Brücken in den Beziehungen zwischen Rumänien und Deutschland aber auch zu den anderen Minderheiten in Rumänien sowie zu deutschen Minderheiten in Europa, sag-te der DFDR-Vorsitzende.

Angesprochen wurden in der Diskussion der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine sowie das Referendum betreffend die Unabhängigkeit in Schottland. Der Mensch brauche regionale Beheimatung, wenn die nicht gegeben ist, erhalten Nationalismus und Extremismus ein günstiges Betätigungsfeld. In die Fänge des religiösen Fanatismus geraten junge Menschen leider infolge der geistigen Verarmung und Säkularisierung, meinte MdB Koschyk. Von Europa ausgehend war die Problematik der deutschen Minderheit(en) diskutiert worden und kam schließlich auf die Bedeutung von regionaler Bindung, Heimat, Identität und Glauben. Wenn diese harmonieren, kann die Brückenfunktion wahrgenommen werden, was auch tatsächlich geschieht.