Ehemaliges Pressehaus als „Ungarisches Haus“ eingeweiht

Bürgermeister Fritz: „Öffnet das Gebäude für alle Temeswarer!“

Zentral gelegen, gegenüber dem Temescher Verwaltungspalais: das Ungarische Haus, 1929 bis 1930 gebaut, nach dem Zweiten Weltkrieg Sitz der Rumänischen Arbeiterpartei und später des Temeswarer Presse- und Verlagswesens. Bis 2004 hatte auch das ADZ/BZ-Büro hier seinen Sitz. Foto: Astrid Weisz

Temeswar (ADZ) – In Anwesenheit mehrerer Gäste aus dem Nachbarland hat die Temeswarer ungarische Gemeinschaft am Sonntag das im Februar erworbene ehemalige Pressehaus als Sitz ihrer repräsentativen politischen und kulturellen Organisationen eingeweiht. Wie die ADZ berichtete, wurde das geschichtsträchtige Gebäude für 2,3 Millionen Euro an den ungarischen Verein „Bastion – Várbástya Egyesület“ verkauft. Das Geld stellte die Budapester Regierung zur Verfügung, weitere 700.000 Euro aus dem ungarischen Staatshaushalt sollen in die Instandsetzung fließen.

Bei der Einweihung forderte Bürgermeister Dominic Fritz die ungarische Gemeinschaft auf, das Tor für alle Einwohner dieser Stadt offen zu halten. Die Temeswarer Magyaren hätten einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung der Stadt geleistet und gezeigt, dass man verlorene Werte wieder zurückgewinnen könne, wenn man zielstrebig dafür arbeite. Die Zeiten seien hart in Europa, aber man dürfe deshalb kein Ziel aus den Augen verlieren, sagte der Bürgermeister. Ein Staatssekretär der Budapester Regierung, der für die Beziehungen zu den Ungarn im Ausland zuständig ist, sagte, dass die Temeswarer ungarische Gemeinschaft nach dem Vertrag von Trianon auswandern konnte, doch sie habe sich entschieden, auf ihrem angestammten Platz zu bleiben. Deshalb hätten die Temeswarer Magyaren Anfang der 1930er Jahre auch das nun eingeweihte Haus gebaut. Dieselbe Standhaftigkeit hätten die Ungarn auch 1989 an den Tag gelegt, als sie sich um ihren Pfarrer László Tökés versammelt und den Aufstand gegen das kommunistische Regime gestartet haben. Die ungarische Regierung wollte mit der Finanzierung des Kaufvertrags genau dieser Standhaftigkeit ihren Respekt erweisen, sagte Staatssekretär János Potápi.

Der ungarische Honorarkonsul in Temeswar, Péter Tamás, der dem Eigentümerverein vorsteht, erklärte, dass die Ungarn die größte Minderheit in Temeswar sind und dementsprechend auch zeigen wollen, dass es sie gibt. Tamás sagte im Zusammenhang mit dem Erwerb, dass das Gebäude nach der Sanierung erneut den Interessen der ungarischen Gemeinschaft in Temeswar und im Banat dienen soll, so wie das ursprünglich vorgesehen war. Es werde den Ungarnverband UDMR, ungarische Vereine und Kulturgruppen, eine Druckerei und ein Geschäft mit ungarischen Produkten beherbergen. Die Gesamtnutzfläche beträgt 1800 Quadratmeter, das Haus werde zum Dreh- und Angelpunkt ungarischen Gemeinwesens in Temeswar.

Das Pressehaus gehörte bis Anfang des Jahres den Unternehmerbrüdern Marius und Emil Cristescu. Sie hatten vor einigen Jahren das Unternehmen „Timpress“ des verstorbenen Millionärs Iosif Constantin Dr˛gan von dessen Witwe gekauft und waren somit in den Besitz des Ende der 1920er Jahre von der Temeswarer ungarischen Gemeinschaft errichteten Gebäudes gekommen. Zunächst wollten sie dort ein Hotel eröffnen und den Bau aufwendig erweitern, doch die Covid-19-Pandemie zog ihnen einen Strich durch die Rechnung.
Nach dem Zerfall Österreich-Ungarns und dem Frieden von Trianon sahen sich die in Temeswar und in dem zu Rumänien gekommenen Teil des Banats Gebliebenen vor der Herausforderung, als Minderheit in einem neuen Staat leben zu müssen, in Temeswar ging ihr Einfluss schnell zurück, da sich zum einen das deutsche Kultur- und Gemeinwesen, von den Zwängen der Magyarisierung befreit, neu entfalten konnte und zum anderen die Zahl der Rumänen zu steigen begann und die von Bukarest betriebene Rumänisierung das ungarische Element immer stärker zurückdrängte. Es gelang jedoch den Ungarn in Temeswar, 1929-1930 ein Gebäude auf der sich damals zu entwickeln beginnenden neuen Straße zwischen der Innenstadt und der Fabrikstadt zu errichten. Vor 1989 beherbergte der Bau zunächst die Rumänische Arbeiterpartei und dann das Temeswarer Presse- und Verlagswesen. So kamen dort die rumänische Tageszeitung „Drapelul Roșu”, die deutsche „Neue Banater Zeitung“, die Temeswarer Redaktion des „Neuen Wegs“, das ungarische Blatt „Uj Szó“, die serbische Publikation „Naša rec“, der Facla-Verlag sowie die Korrespondentenbüros der rumänischen Landespresse und der staatlichen Presseagentur Agerpres unter. Das ADZ/BZ-Büro hatte dort seinen Sitz bis 2004. 1967 hatte man im Hof einen Zusatzbau errichtet, der unter anderem einen Tagungssaal und eine Kantine beherbergte, die Ende der 1980er Jahre für die damaligen Zustände noch relativ gut versorgt war.

Iosif Constantin Drăgan, nach Italien geflohenes ehemaliges Mitglied der faschistischen Eisernen Garde und ab den 1970ern Freund und Helfer Nicolae Ceaușescus, hatte nach 1989 mehrere Unternehmungen im Banat, sowohl in Temeswar als auch in seiner Geburtsstadt Lugosch/Lugoj, betrieben. Unter anderem konnte er die ehemalige Tageszeitung der Temescher RKP, „Drapelul Ro{u“, mit ihrem gesamten Vermögen übernehmen und unter dem Namen „Renașterea Bănățeană“ weiterführen. Drăgan starb 2008, acht Jahre später verkaufte seine Witwe, die Tochter des Armeegenerals Stefan Gușă (einer umstrittenen Gestalt der 1989er Revolution, die an der blutigen Niederwerfung des Temeswarer Aufstandes beteiligt war), das Presseunternehmen „Timpress“ an die Holding der Cristescu-Brüder. Die Temeswarer ungarische Gemeinschaft hatte zwar nach 1990 mehrere Male die Rückerstattung des Gebäudes beantragt und mehrmals gegen den Staat und gegen Dr˛gans Unternehmen prozessiert, doch ohne jedweden Erfolg.