Ehrendoktorwürde der West-Universität an Stefan Hell verliehen

Der aus Sanktanna stammende Nobelpreisträger reiste mit seiner Familie ins Banat

Der französische Laser-Physiker Gérard Mourou und der deutsche Forscher Stefan Hell nahmen die Ehrendoktorwürde der West-Universität entgegen.

Zweimal Stefan Hell: Der Nobelpreisträger brachte diesmal seine Familie ins Banat, darunter auch seinen 86-jährigen Vater. Fotos: Zoltán Pázmány

„Da´ pile ai?“, oder, auf gut Deutsch: „Aber hast du Beziehungen?“ Diese Worte sprach damals, 1977, eine Bekannte der Mutter von Stefan Hell, als ihr die Frau erzählte, dass sie ihren Sohn zur Temeswarer Nikolaus-Lenau-Schule schicken wolle. Beziehungen hatte sie keine, dafür aber erinnerte sie sich an einen Bekannten aus Sanktanna/Sântana, der zur damaligen Zeit – so wollte es der Zufall – gerade Schulinspektor für Physik war. Der erfundene „Onkel“ des jungen Stefan Hell sollte ein gutes Wort einlegen, damit dieser einen Platz an der Lenau-Schule bekommt. In jenem Schuljahr gab es aber keine Aufnahmeprüfung an Temeswars bester deutschen Schule. Niemand hatte damals auch nur geahnt, dass aus dem 14-jährigen Jungen aus der Arader Kleinstadt 38 Jahre später ein Nobelpreisträger werden sollte.

Die lustige Begebenheit schilderte der 2014 mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnete Stefan Hell (56) am Freitag, dem 31. Mai, in der Aula Magna „Ioan Curea“ der West-Universität Temeswar/Timişoara und zauberte viele Lächeln in die Gesichter der Anwesenden – Professoren und Studierende zugleich, die Beifall klatschten. Der aus Sanktanna im Kreis Arad stammende Hell nahm den Ehrendoktortitel der West-Universität dankend entgegen. Bei der Festveranstaltung, im Rahmen derer auch dem französischen Wissenschaftler Gérard Mourou (74), seit 2018 Träger des Nobelpreises für Physik, die Ehrendoktorwürde zuteil wurde, war auch die Familie von Stefan Hell anwesend: sein Vater, der Maschinenbauingenieur Stefan Hell, die Gattin des Nobelpreisträgers, Anna, von Beruf Kinderärztin, sowie seine drei Söhne und seine Tochter. „Temeswar ist eine bezaubernde Stadt, in der es viel Schönes zu sehen gibt: die Lage an der Bega, die Stadt mit ihren vielen alten Jugendstilhäusern, die tolle kulturelle Tradition. Wir genießen die Zeit hier“, sagte der Nobelpreisträger, der 2016 das letzte Mal ins Banat gereist war, allerdings ohne seine Familie. Damals besuchte er die Nikolaus-Lenau-Schule und nahm in Temeswar den Titel eines Ehrenbürgers entgegen.

„Ich bin ein Sanktannaer, aber ich bin in Arad geboren, weil sich dort die Entbindungsklinik befand“, sagte Stefan Hell vor den Menschen im Saal. Er sprach einige Sätze in perfektem Rumänisch, wechselte aber anschließend ins Englische, „damit ihr meinen furchtbaren Akzent nicht aushalten müsst“, scherzte er. „Die meisten meiner Lehrer sind hier ausgebildet worden. Ich glaube, dass am Ende des Tages auch die Ausbildung des Lehrers eine Rolle spielt, der diese dann auf die Schüler überträgt“, sagte Stefan Hell an der West-Universität. Nach der Grundausbildung in seiner Heimatortschaft, wo er die Schule in deutscher Sprache besuchte (Anm. d. Red.: Heute trägt das technologische Lyzeum aus der Ortschaft den Namen des Nobelpreisträgers), wechselte Stefan Hell nach Temeswar, wo er jedoch nur weniger als ein Jahr die Nikolaus-Lenau-Schule besuchte, die Elite-Schule der Banater Deutschen schlechthin. 1978 reiste er mit seiner Familie nach Deutschland aus und ließ sich zunächst in Ludwigshafen am Rhein nieder. „Unser bester Physiker“, wie ihn sein ehemaliger Physiklehrer Peter Göbl nach seiner Ausreise genannt hatte, blieb seiner Liebe zur Physik und zu den exakten Wissenschaften auch in Deutschland treu. „Vielleicht wird das nur so gesagt, um nett zu sein, aber solche Worte haben schließlich doch eine Auswirkung. Und die haben die Auswirkung auf mich nicht verfehlt. Ich bin dadurch mit viel Selbstbewusstsein nach Deutschland gegangen und habe eine sehr gute Schulausbildung aus Rumänien mitgebracht. Ich habe das Abitur ein Jahr früher als üblich abgelegt“, erinnert sich Stefan Hell an die Jahre nach seiner Ausreise.

Nach dem Abitur am Carl-Bosch-Gymnasium in Ludwigshafen am Rhein studierte Stefan Hell Physik an der Universität Heidelberg. Nach Abschluss des Studiums galt seine Aufmerksamkeit stets den Lichtmikroskopen, die er nach und nach verbesserte, schließlich legte er die Grundlagen der 4Pi-Mikroskopie. Seit 2002 ist Stefan Hell Direktor am Max-Planck-Institut für Biophysikalische Chemie in Göttingen – im Bereich der optischen Mikroskopie forschte der Banater Schwabe stetig weiter. 2014 wurde Stefan Hell für die Entwicklung superauflösender Fluoreszenzmikroskope, gemeinsam mit Eric Betzig und William E. Moerner, mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet – ein Preis, auf den nicht nur Stefan Hells Familie, sondern die Banater Schwaben von nah und fern stolz sind. „Ich habe nicht nachgelassen und mit meinem Team weitergeforscht und wir haben einen weiteren Faktor 10 erreicht. Wir sind jetzt wirklich an der fundamentalen Grenze und das ist genauso wichtig wie der erste Schritt, zumindest was die Schärfe anbelangt. Es macht viel Spaß, dahin gekommen zu sein. Aber am Ende des Tages sind die Auswirkungen doch fundamental. Da werden wir wirklich in einem Zeitraum von zehn bis 20 Jahren so viele Dinge sehen und entdeckt haben, die z. B. für das Verständnis von physiologischen Abläufen in der Zelle wichtig sind, und letztendlich auch beim molekularen Verständnis von Krankheiten“, sagte Stefan Hell.

Der Vater des Nobelpreisträgers fand die Zeremonie an der West-Universität beeindruckend. „Ich war bei vielen Veranstaltungen dabei, aber hier war es einmalig“, sagte er im Anschluss daran. Da sich die anwesenden Journalisten auf den Nobelpreisträger stürzten, kam er erst sehr spät dazu, seinem Sohn zum Titel eines „Doctor Honoris Causa Scientiarum“ zu gratulieren. Nach einem mehrtägigen Aufenthalt in Temeswar fuhr die Familie Hell nach Sanktanna und über Pankota, wo Stefan Hell Senior 20 Jahre lang als Produktionsleiter tätig war, nach Maria Radna. „Es tut mir sehr leid, dass meine Frau das nicht mehr erlebt hat, denn sie hat als Lehrerin sehr viel zur Bildung unseres Sohnes beigetragen. Es war nicht leicht am Anfang, aber er hat es geschafft. Er hat einen Willen, den können Sie sich nicht vorstellen“, sagte der 86-jährige Vater des Nobelpreisträgers, der seinen Enkelkindern seine Heimatstadt und den Ort, wo er einst tätig gewesen war, bei dieser Gelegenheit zeigen konnte.