„Eigentlich hatte ich nicht vor, Bürgermeister zu werden...“

Bürgermeister Zoltán Kardosi arbeitet für das allgemeine Wohl in Stanislau

Bürgermeister Zoltan Kardosi ist bereits bei seinem dritten Mandat.
Foto: Bürgermeisteramt Stanislau

Stanislau/Sanisl²u liegt im nordwestlichen Teil des Kreises  Sathmar/Satu Mare, nahe der rumänisch-ungarischen Grenze. Der Name der Gemeinde tauchte urkundlich erstmals 1306 als „terra Zoyzslo“ auf. Im 15. Jahrhundert befand sich die Gemeinde Stanislau im Besitz der Adelsfamilie Károlyi, der Ansiedler der Sathmarer Schwaben. Die ersten Schwaben kamen erst nach 1786 nach Stanislau. Zur Gemeinde gehören noch zwei Dörfer, Horea und Marna Nou². Seit 2012 leitet Zoltan Kardosi als Bürgermeister die Gemeinde Stanislau. Warum er immer wieder kandidiert und die Wahlen jedes Mal als Forumskandidat erfolgreich gewinnt sowie über seine Arbeit als Bürgermeister einer multiethnischen Gemeinde erzählt Zoltan Kardosi ADZ-Redakteurin Gabriela Rist im folgenden Gespräch. 

Obwohl Sie eher einen ungarisch klingenden Namen haben, sind Sie als schwäbischer Bürgermeister bekannt. Was hat Sie dazu bewogen, damals im Jahr 2012 zum ersten Mal seitens des DFD als Bürgermeister der Gemeinde Stanislau zu kandidieren?

Ich wurde in Stanislau in eine schwäbische Familie hineingeboren. Mein Großvater hieß Knecht. Er war ein Großbauer, und der ungarische Staat gab damals im Jahr 1943 den Schwaben landwirtschaftliche Maschinen unter der Bedingung, dass sie einen ungarischen Familiennamen annehmen. Deswegen heiße ich Kardosi, obwohl ich eine schwäbische Abstammung habe. 

Eigentlich hatte ich nicht vor, Bürgermeister zu werden. Rund 20 Jahre lang arbeitete ich als Buchhalter in einer landwirtschaftlichen Genossenschaft, und nach der Wende war ich privat in der Landwirtschaft tätig. Seit 1990 bin ich Gemeinderat, denn ich wollte etwas für die Gemeinde tun. Stanislau war schon immer eine große Gemeinde und nach der Wende waren viele Ingenieure hier. Da ich nur Abitur habe, hatte ich anfangs keine Chancen, Bürgermeister zu werden. Doch die Zeit verging und die bisherigen Bürgermeister taten leider nichts für die Gemeinde. Ich konnte ihre Inkompetenz einfach nicht mehr ertragen. 

Dazu kam ein Vorfall, der mich damals endgültig überzeugt hat, zu kandidieren: Ein guter Freund von mir, der 1982 nach Amerika zog und 25 Jahre lang dort lebte, kam zu Besuch nach Hause. Nostalgisch erzählte er mir, dass sich in der Gemeinde seit seiner Abreise nichts geändert hätte, denn sogar die Grube mit dem Schlamm in seiner Straße sei an der gleichen Stelle wie damals. Also – es gab überhaupt keine Entwicklung. 

Stanislau ist eine multiethnische Gemeinde. Warum haben die meisten Bewohner gerade einen Schwaben zum Bürgermeister gewählt, und warum wurden Sie bereits zum dritten Mal wiedergewählt? 

Das Dorf Stanislau hat 3200 Einwohner, davon sind 37 Prozent Rumänen und 63 Prozent Ungarn, Roma und Schwaben. Ein Drittel der Bewohner hat deutsche Abstammung. Das Deutsche Forum, dessen Vorsitz ich bereits 1996 übernommen habe, zählt zur Zeit rund 80 Mitglieder. Bei der Volkszählung erklärten sich über 100 Personen als Deutsche. Bei der ersten Wahl war ich auf der ersten Stelle, damals gab es nur eine Runde. Es stellten sich fünf Kandidaten zur Wahl. Ich habe 45 Prozent der Stimmen bekommen, während die anderen Kandidaten nur 10 bis 15 Prozent erhalten haben. Für meine zweite Amtszeit erzielte ich 56 Prozent der Gesamtstimmen und bei der dritten Wahl stimmten 75 Prozent der Wähler für mich. Als langjähriges Ratsmitglied und später als stellvertretender Bürgermeister konnte ich viel Erfahrung sammeln und auch das Vertrauen der Menschen gewinnen, denn ich habe immer in der Gemeinde für die Gemeinde gearbeitet. 

Als ich zum ersten Mal Bürgermeister geworden war, war mein größtes Ziel, alle Straßen der Gemeinde zu asphaltieren. Das konnte ich aus Staatsgeldern bereits in meinem ersten Mandat erreichen. Dann wurde das Nationalprogramm für die lokale Entwicklung (Program Na]ional de Dezvoltare Local²) des Entwicklungsministeriums für Wasser, Abwasser und Gebäudereparatur gestartet. Während meiner zweiten Amtszeit wurden die Straßen auch in Horea und in Marna Nou² asphaltiert. Ebenfalls in meinem zweiten Mandat konnten wir den Antrag für die Einführung der Wasserleitung in Horea und Marna Nou² einreichen. Die Arbeiten in Horea begannen bereits am Ende meiner zweiten Amtszeit und heuer werden sie abgeschlossen. 

Gibt es Arbeitsmöglichkeiten in der Gemeinde? Womit beschäftigen sich die Menschen in Stanislau?

Die Landwirtschaft ist weitgehend mechanisiert, da es in Stanislau drei landwirtschaftliche Vereinigungen gibt, und der größte Teil der Felder, also 70 Prozent, werden von diesen bearbeitet, sodass nur wenige in der Landwirtschaft tätig sind. 

Aber die meisten Dorfbewohner, vor allem jüngere, arbeiten für kleinere Handwerksbetriebe. Diese beschäftigen etwa 250-300 Mitarbeiter. Außerdem gibt es Leute, die nach Sathmar, nach Großkarol, nach Fienen oder nach Valea lui Mihai pendeln und bei einer größeren Firma wie Draexelmaier, Contitech, PoliPol oder Ara arbeiten. 

Kann man in Stanislau die deutsche Sprache in der Schule erlernen?

Im Dorf gibt es 300 Schulkinder, die bis zur achten Klasse auf Rumänisch und Ungarisch unterrichtet werden. Im Kindergarten gibt es circa 100 Kinder insgesamt in rumänischen und ungarischen Gruppen. Wer im Kindergarten oder in der Schule Deutsch lernen möchte, der fährt nach Großkarol, denn dort gibt es einen deutschen Kindergarten und eine deutsche Schule. Die Kinder pendeln mit einem Kleinbus. Meine Tochter hat auch bereits 1990 in der deutschen Abteilung in Großkarol angefangen.

Stanislau wird im öffentlichen Bewusstsein nicht als typisch schwäbische Gemeinde wahrgenommen. Wie stehen die Schwaben in der Gemeinde zu ihrer Identität? 
In der Zeit des Kommunismus wurde Stanislau nicht als schwäbisches Dorf, wie zum Beispiel Petrifeld oder Schamagosch, anerkannt, obwohl in Stanislau genauso viele Schwaben wie in diesen beiden Gemeinden leben. Vielleicht hängt das damit zusammen, dass in Stanislau mehrere Konfessionen zusammenleben. Wir haben hier mehrere Kirchen: eine reformierte, eine orthodoxe, eine römisch-katholische, eine griechisch-katholische und eine Baptistenkirche. Nach dem Krieg und der Russlanddeportation scheuten sich viele davor zu zeigen, dass sie Schwaben sind. Ich finde, dass die Menschen in dieser Frage hier mehr Aufklärung brauchen. 

Die Arbeitsfreude der Schwaben wird von allen Nationalitäten anerkannt und die Leute selbst sagen, dass sie Schwaben sind. Leider fand in Stanislau bereits am Anfang des 20. Jahrhunderts die Magyarisierung statt; und so ging hier die deutsche Sprache als Muttersprache verloren. Die Menschen kommen langsam darauf, dass sie sich als Deutsche bekennen können, auch wenn ihre Muttersprache nicht mehr Schwäbisch ist.

Wie kann man das Zusammenleben der Menschen in Stanislau beschreiben?

Die Einwohner sind sehr tolerant. In Stanislau gibt es kein ethnisches Problem. Auf lokaler Ebene gibt es seit Jahren Mischehen. Wenn ein Mann einen Feiertag hat, dann geht seine Frau mit in seine Kirche und umgekehrt. 

Haben Sie Sympathisanten unter anderen Nationalitäten und wie sehen diese das Deutsche Forum?

Es gibt viele Sympathisanten, auch unter den Rumänen, sogar aus Horea und Marna Nou². Das Forum ist positiv im öffentlichen Bewusstsein des Dorfes präsent. Die Menschen kennen das Deutsche Forum und auch mich, denn sie wissen, dass ich ihre Interessen 100-prozentig vertrete. Während des Wahlkampfs sagten mir die Leute, dass sie keinen Flyer brauchen, weil sie sowieso den Kandidaten des Forums unterstützen werden. 

Bei den letzten Wahlen erhielt ich in Horea und in Marna Nou² 60 Prozent der Stimmen der rumänischen Bevölkerung, obwohl aus diesen Dörfern gleich zwei rumänische Kandidaten sich zur Wahl stellten. Ich denke, solange wir seitens des deutschen Forums kandidieren, bleibt dieses Vertrauen erhalten. Das zeigt sich auch in der Zusammenstellung des Gemeinderats. Von den dreizehn Ratsmitgliedern sind neun beim DFD, zwei bei der National-Liberalen Partei, es gibt einen Sozialdemokraten und einen von der ALDE-Partei.

Gibt es viele Schwaben, die aus Stanislau ausgewandert sind? Bestehen noch Kontakte zu den ausgewanderten Landsleuten?

Viele Menschen wanderten aus. Wir bleiben mit ihnen in Kontakt. In der Zeit vor der Covid-Pandemie gab es in unserem Dorf schwäbische Kulturtage, die wir sowohl für die Ausgewanderten als auch für die Einheimischen organisierten. Wir versammelten uns im Innenhof des Forums und es gab ganztägige Programme mit den Volkstanzgruppen. Nach der Pandemie planen wir einen Neustart. Auch in Deutschland haben unsere Landsleute eine Tanzgruppe, mit der wir gemeinsame Programme veranstalten möchten. 

2013 haben wir hier im Dorf Geld für ein Denkmal der Russlanddeportierten gesammelt, und auch die in Deutschland lebenden Stanislauer haben dafür Geld gegeben. So konnten wir ein schönes Denkmal errichten. Seitdem gedenken wir jedes Jahr im Januar der nach Russland Verschleppten. Insge-samt wurden aus Stanislau 416 Menschen nach Russland verschleppt, davon 150 Rumänen und Ungarn. 

Was möchten Sie in Ihrem jetzigen Mandat verwirklichen?

Derzeit warten wir hoffnungsvoll auf die Baugenehmigung von Sathmar, damit wir die Wasserleitung auch in Marna Nou² einführen können. Am 30. Juni haben wir einen Vertrag unterzeichnet, dass im September mit dem Bau des Kanalisationsnetzes in Stanislau begonnen wird. Auch ein Projekt für die Gaseinleitung ist vorbereitet. Es gibt Zusagen von der Regierung, dass es ein Programm für Gaseinleitung auf Regierungsebene geben wird. Unser Projekt ist seit zwei Jahren fertig. Es muss nur aktualisiert werden. 

Stanislau hat Einnahmen von den kleineren Betrieben im Dorf, die Steuern zahlen. So können wir Renovierungen, kleinere Umsetzungen wie die Einrichtung eines Spielplatzes durchführen. In Stanislau haben wir drei Spielplätze gebaut und in den anderen beiden Dörfern haben wir auch je einen Spielplatz für die Kinder gebaut. In jedem Dorf haben wir einen Park angelegt und auch die Denkmäler renoviert. In den Parks von Stanislau gibt es auch zwei Springbrunnen. Gehwege und Parkplätze wurden gepflastert und auch ein Grüngürtel wurde angelegt. 

Das alles konnten wir aus den eigenen Einnahmen der Gemeinde verwirklichen. Wir haben die öffentliche Beleuchtung aus eigener Kraft auf LED umgestellt. Die Zusammenarbeit im Rat ist sehr gut. Manchmal gibt es Meinungsverschiedenheiten, aber wir können uns immer einigen, denn unser wichtigstes Ziel ist es, alles für die Entwicklung von Stanislau zu tun.

Werden Sie ein weiteres Mandat übernehmen?

Ab Januar werde ich in den Ruhestand gehen, aber ich möchte so lange nicht aufhören, bis ich nicht einen zuverlässigen Nachfolger finde, der die begonnenen Pläne fortsetzt. Diesen Menschen werde ich bereits in meiner Amtszeit unterstützen. Er muss aber einen guten Eindruck auf die Leute im Dorf machen, damit die Leute sehen, dass er wirklich an der Zukunft des Dorfes interessiert ist und ihm ihr Vertrauen schenken können. Ich bin zuversichtlich, denn es gibt solche Menschen im Gemeinderat. 

Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg weiterhin!