Ein Auge lacht, ein Auge weint

Das Banat, die Dürre: Gedanken über unsere Zukunft in der Puszta

Ein trauriges Alltagsbild des Sommers 2011: Flammen auf brachliegenden Feldern im Norden von Temeswar, bei Kowatschi.
Foto: Zoltán Pázmány

Gemüse und Obst in Hülle und Fülle, so saftig und schmackhaft wie viele Jahre nicht mehr, nicht nur in den Banater Hausgärten sondern auch auf den Feldern der Klein- und Großfarmen, und als Krönung eine Getreide-Rekordernte in der Banater Heide, die viele Landwirte vom Unmöglichen, von Gewinn träumen ließ: Das war die „Fechsung“, die Banater Ernte 2011.
Selbst der Wunschtraum des ehemaligen Diktators Ceauşescu ging heuer in Erfüllung: In Hatzfeld wurde heuer auf einem Versuchsfeld mit Pioneer-Mais von 2,4 Hektar, angereichert mit organischem Mist der amerikanischen Gesellschaft Smithfield, der Rekordertrag von 12,4 Tonnen Mais pro Hektar erzielt – der durchschnittliche Maisertrag pro Hektar liegt derzeit in Rumänien bei 6,5 Tonnen. Ältere Generationen schmunzeln da bestimmt, sie können sich noch gut an den „Zirkus der sozialistischen Landwirtschaft“ aus der Endzeit des Ceauşescu-Regimes erinnern: Obwohl 1985-1989 in den abgewirtschafteten SLB und LPG kaum 3-4 Tonnen Mais pro Hektar geerntet werden konnten, meldeten die Regimenter beflissener Parteiaktivisten vom Lande Jahr für Jahr Ernten für das Guinness-Book von bis zu 12 Tonnen. Im Volksmund hieß das dann mit echtem Galgenhumor: Der Plan wurde wieder mal erfüllt, in der Zeitung, im Radio und im Fernsehen!

Hurra, das Brot ist gesichert, aber...

So oder ähnlich wie im Banat fiel die diesjährige Ernte vielerorts aus, in den Vordergrund gerückt wurde, diesmal zu Recht, die außergewöhnliche Getreideernte 2011 (über 7,2 Millionen Tonnen Weizen), die aller Welt, von Produzenten, Händlern bis zu den vielen Brotessern, den Nutznießern, Freude bereitete und die Politiker sogar Lobeshymnen anstimmen ließ. So wichtig und siegesgewiss wie schon lange nicht mehr gab sich Landwirtschaftsminister Valeriu Tabără: „Das Brot für 2012 ist gesichert. Mit vier Millionen Tonnen Weizen für den Export kehrt Rumänien wieder zurück in den edlen Klub der Weizenexporteure!“

Das Auf und Ab unserer einheimischen Geschichte hat uns jedoch gelehrt, vorsichtig nicht nur mit Sprüchen sondern auch mit der Wahrheit zu sein, die doch immer zwei, bei uns gar mehrere Seiten hat. Die Ersten, die die dunklen Kehrseiten dieser schönen Naturgaben im Nu erkannten, waren die einfachen Leute aus dem Volke, die Bauern und kleinen Landwirte. Gott gibt mit einer Hand und nimmt mit der anderen, heißt es weise im Volksmund. Denn, was nützen der ganze Reichtum dieses Jahres – viele erkannten, dass sie die beste Ernte der letzten zehn Jahre eingefahren hatten –, die vollen Vorratskammern mit bestem Getreide, Gemüse oder Obst, wenn sie wieder mal darauf sitzen bleiben müssen. Trotz der hochwertigen Erzeugnisse konnten die meisten ihre Ernte weder auf den Inlands- noch auf den Auslandsmarkt bringen. Von den vielen Hürden hier nur einige: fehlende Lagerungs- und Transportmöglichkeiten, niedrige, unrentable Aufkaufpreise bei den Großhändlern. Der Kampf gegen die Krake der alles beherrschenden Händlermafia, die den Markt, von Groß- bis zu den Kleinmärkten, beherrscht und die Preise diktiert, ist für die Kleinbauern unserer Landwirtschaft von Anfang an verloren.

Auch eine andere kollektive Stimme sollte angehört werden: Die Fachleute aus der Landwirtschaft stimmten nicht in den optimistischen Chor der 2000 Beamten des Ministeriums und der 40 Landwirtschaftsdirektionen aus den Landeskreisen ein. Rekordernten allein genügen nicht. So Aurel Popescu, Rompan-Vorsitzender: „In Rumänien gibt es nicht genügend Weizenmengen für die erforderliche Brotproduktion.“ Oder der FNPA-Vorsitzende Viorel Matei: „ Es ist leicht möglich, dass Rumänien im Februar-März Weizen für die Brotproduktion importieren müssen wird.“

Was jedoch alle Banater, nicht in den schönen Sommermonaten sondern in jenen des Spätherbstes, mehr als nachdenklich stimmte, war die Tatsache, dass das Jahr 2011 nicht nur eine reiche Ernte bescherte, sondern, im Paket sozusagen, auch eine ungewöhnliche und gefährlich lange Dürrezeit. Die lang anhaltenden hohen Temperaturen, die Niederschlagswerte unter dem durchschnittlichen Mindestmaß (es hat seit Juni nicht mehr richtig geregnet, klagen die Leute) haben dem Ackerboden jedwelche Feuchtigkeit entzogen. Für die Weizen- oder Maisernte war das alles günstig, viel weniger jedoch für die Soja- oder Sonnenblumenernten. Der Boden ist so steinhart und rissig, dass bei vielen Kulturen die gesamte Aussaat im Herbst kompromittiert wurde. So z. B. ist jetzt schon landesweit ein Großteil der Rapsernte des kommenden Jahres kompromittiert. Nur geldkräftige Großproduzenten mit teurer und hochproduktiver Landwirtschaftstechnik können da mithalten, die meisten Bauern und kleinen Landwirte schauen nun zu Winteranfang traurig auf ihr unbebautes Ackerland.

Sicher ist, dass in der nächsten Zukunft solche extreme Wetterbedingungen, wie eine Abfolge von verheerenden Überschwemmungen mit starken Dürrejahren, laut den Experten nicht mehr die Ausnahme sondern eher die Regel sein werden. Manche clevere Landwirte haben die Stunde der Zeit genützt: Sie sind im Banat mit voraussehbarem Erfolg auf Kulturen der Mittelmeerzone umgestiegen. Kiwi, Feigen, Oliven, Senf oder Mandeln, die hier schon beste Bedingungen haben, könnten in den nächsten Jahren zum Banater Obst gehören und den Landwirten auch gute Gewinne von ihren Plantagen bringen.

Die Banater Ebene, eine niedere Ebene, war eigentlich schon seit dem 18. Jahrhundert immer stärker von den landwirtschaftlichen Eingriffen und den Trockenlegungsmaßnahmen betroffen. Diese Landschaft hat heute nichts mehr von ihrem anfänglichen feuchten Charakter bewahrt, stellenweise ist sie schon längst zur Steppe, wie die ungarische Puszta, geworden. Und das ist leider, gemäß der Prognosen, das Zukunftsbild der Banater Ebene. Es heißt, dass elf Landeskreise von der Dobrudscha über Oltenien bis zu den Kreisen Mehedinţi und Temesch sich in etwa zwanzig Jahren in eine Wüstenzone verwandeln werden. Zu den Hauptgründen werden außer dem Klimawandel u. a. exzessive Nutzung der Landwirtschaftsflächen oder gar die den Boden austrocknende Aufforstung angeführt.