Ein breites Spektrum germanistischer Forschungsperspektiven

Neuester Band der „Temeswarer Beiträge zur Germanistik“ erschienen

Vor Kurzem erschien im Temeswarer Mirton Verlag der siebzehnte Band der von der Temeswarer Germanistin Roxana Nubert seit 1997 herausgegebenen Fachzeitschrift „Temeswarer Beiträge zur Germanistik“, die in den wichtigsten globalen Datenbanken sowie in zahlreichen nationalen und internationalen wissenschaftlichen Bibliotheken vertreten ist. Der 360 Seiten starke Band versammelt achtzehn Aufsätze aus den Forschungsgebieten Linguistik, Literaturwissenschaft und Didaktik sowie aus den Bereichen der Medienwissenschaft und der Kulturgeschichte. 

Die Beiträge stammen von Germanistinnen und Germanisten aus der Türkei, aus Ungarn, Österreich und Deutschland sowie aus Rumänien, wobei von den zwölf rumänischen Beiträgen allein neun von Temeswarer Germanistinnen verfasst wurden. Gewidmet ist der vorliegende Band der Temeswarer Germanistikdozentin Dr. Marianne Marki, die drei Jahrzehnte lang am Germanistiklehrstuhl der West-Universität Temeswar wirkte und am 23. Dezember 2020 ihren 70. Geburtstag feiern konnte.

Der Widmungsträgerin des vorliegenden Bandes, Eva-Marianne Marki, sind denn auch die ersten beiden Aufsätze gewidmet. Karla Lupșan (Temeswar) würdigt in ihrem Beitrag den beruflichen Werdegang und die wissenschaftlichen Leistungen der Jubilarin (mit einer Liste ihrer Publikationen), während Adina-Lucia Nistor (Jassy) sich mit den biblischen Vornamen sowie dem adligen Familiennamen der geehrten Temeswarer Germanistin onomastisch auseinandersetzt.

Den Reigen der linguistischen Beiträge des Bandes eröffnet Doris Sava (Hermannstadt) mit Überlegungen zu sog. Kollokationen, d.h. typischen und konventionell festgelegten Wortverbindungen, wobei die Autorin auch dem interlingualen Vergleich zwischen dem Deutschen und dem Rumänischen Beachtung schenkt und die Relevanz der Kollokationsforschung für den Fremdsprachenunterricht herausstreicht. Alwine Ivănescu (Temeswar) untersucht Bedeutungserläuterungen in deutschen einsprachigen Printwörterbüchern, wobei sie insbe-sondere auf lexikografische Beschreibungsprobleme bei der Bedeutungsdarstellung der einzelnen Lemmata näher eingeht. Und Mihaela Șandor (Temeswar) beschäftigt sich mit rumänisch-deutschen Interferenzen in der deutschsprachigen Presse Rumäniens (am Beispiel der „Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien“), wobei sie den Verben besondere Aufmerksamkeit schenkt und nachweist, dass der Kontakt zur rumänischen Sprache die deutsche Pressesprache in Rumänien beeinflusst, wofür die Autorin als Beispiele unter anderem die spezifische Verwendung der Verben ‚impulsionieren’ oder ‚promovieren’ anführt.

Darauf folgen im vorliegenden Band zwei medienwissenschaftliche Beiträge. Ana-Maria Dascălu-Romi]an (Temeswar) setzt sich, basierend auf den Forschungen des Schweizer Medien- und Kommunikationswissenschaftler Ulrich Saxer, mit den verschiedenen Facetten des Medienbegriffs theoretisch näher auseinander, während Irem Atasoy (Istanbul) im Rahmen einer linguistischen Mediendiskursanalyse das Deutschlandbild in der türkischen Presse anhand praktischer Beispiele analysiert, wobei das Thema der untersuchten türkischen Zeitungsartikel, nämlich die ‚Visumspflicht bei der Einreise nach Deutschland’, das in ihnen gezeichnete Deutschlandbild nicht gerade positiv beeinflusst.

Die literaturwissenschaftlichen Beiträge machen den Löwenanteil des jüngsten Bandes der „Temeswarer Beiträge zur Germanistik“ aus, wobei vor allem österreichische Autorinnen und Autoren mit Aufsätzen gewürdigt werden. Beate Petra Kory (Temeswar) befasst sich mit der Zeiterfahrung in Marlen Haushofers Roman „Die Wand“, während Maria Roxin (Temeswar) Überlegungen zur Funktion der Nicht-Orte in Anna Mitgutschs Roman „In fremden Städten“ anstellt. Das Werk des österreichischen Schriftstellers Peter Handke steht im Mittelpunkt des Beitrags von Gábor Kerekes (Budapest), wobei der Autor die ungarische Rezeption des Oeuvres des Nobelpreisträgers unter der pointierten Frage „Der große Fall?“ in den Blickpunkt rückt. Der Roman „Jugend ohne Gott“ des deutschsprachigen Schriftstellers ungarischer Herkunft Ödön von Horváth steht im Zentrum des Beitrags von Margit Riedel (München), die außerdem auch dessen Verfilmung von Alain Gsponer aus dem Jahre 2017 in ihre detaillierten Überlegungen mit einbezieht. Dem nahezu unbekannten Dichter Josef Reif aus Südmähren widmet Erich Unglaub (Braunschweig) eine ausführliche Studie, die auch mehrere Gedichte des vergessenen Lyrikers zitiert und außerdem im Anhang eine Übersicht über dessen Oeuvre bietet. Werke von aus Rumänien stammenden Literaturschaffenden deutscher Sprache stehen im Zentrum der literaturwissenschaftlichen Beiträge dreier Temeswarer Germanistinnen: Roxana Nubert und Ana-Maria Dascălu-Romi]an befassen sich in ihrem gemeinsam verfassten Aufsatz mit der Bildersprache Herta Müllers, während Mihaela [andor sich mit der Gestalt der Tatarin Muhibe aus Oskar Walter Ciseks Novelle „Die Tatarin“ unter den Aspekten weiblicher Klischees und exotischer Stereotypen sowie deren Durchbrechung auseinandersetzt. Der literaturgeschichtliche Beitrag von Csilla Mihály (Szeged) zur romantischen Künstlernovelle „Don Juan“ von E.T.A. Hoffmann rundet die Gruppe der literaturwissenschaftlichen Aufsätze des vorliegenden Bandes ab.

Claudia Tulcan (Temeswar) schildert in ihrem fachdidaktischen Beitrag eine studentische Projektarbeit, die sich unter der Anleitung der Autorin mit diversen europäischen Tabus, also mit „Don’ts“ oder „No-Gos“ in einzelnen Ländern Europas, im Rahmen eines von den Studierenden kreativ zu schaffenden Theaterstücks auseinandersetzte. Eine sozialhistorische und eine kulturgeschichtliche Studie beschließen den Beitragsteil des vorliegenden Bandes. Gudrun-Liana Ittu (Hermannstadt/Sibiu) befasst sich in ihrem Aufsatz mit den Anfängen der Frauenemanzipation bei den Siebenbürger Sachsen und Sächsinnen und Rainer Schubert (Wien) erweist in seinem Beitrag über Lucian Blagas Metaphorologie deren Aktualität, indem er sie in den Kontext der metaphorologischen Überlegungen von Günther Anders und Hans Blumenberg stellt.

Der vorliegende Band enthält außerdem Rezensionen zu aktuellen literarischen und literaturwissenschaftlichen Publikationen: zu dem Erzählband „Klimadelirium“ von Anton Sterbling (von Hans Dama, Wien); zu einem dreisprachigen Gedichtband der Schweizer Lyrikerin Tresa Rüthers-Seeli (von Kinga Gáll, Temeswar/Timișoara); zum Prosapoem „Temeswar, Blicke“ von Axel Barner, zu Hans Damas Reiseerzählungen „Durch Zeiten, Länder und Kulturen“ sowie zu Lorette Cher²scus Studie über das Hungermotiv in der Literatur (alle drei von Beate Petra Kory, Temeswar).
Ein ausführliches Verzeichnis der beitragenden Autorinnen und Autoren, ein Dank an die externen Gutachterinnen und Gutachter sowie Hinweise für Germanistinnen und Germanisten, die Manuskripte für künftige Bände der „Temeswarer Beiträge zur Germanistik“ einreichen wollen, schließen diesen mustergültig edierten Zeitschriftenband ab, der beim Germanistik-Lehrstuhl an der West-Universität Temeswar erworben werden kann.