Ein Hauptwerk zu Samuel von Brukenthal aufgetaucht

Ein Dachbodenfund: Handschriften und Typoskripte zu Georg Adolf Schullers Brukenthal-Biografie

Gerettet für die Nachwelt: Das wichtigste Werk über Samuel von Brukenthals Leben

D. Dr. Georg Adolf Schuller an seinem Arbeitsplatz im Brukenthalpalais, 1930er Jahre

Als es D. Dr. Georg Adolf Schuller aufgrund fortschreitender Taubheit unmöglich wurde, seinen Beruf als Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde in Großalisch weiter auszuüben, trat er in den Dienst des Brukenthalmuseums – ein Schritt, der besonders fruchtbare Folgen zeitigen sollte. Schullers Name bleibt für alle Zeiten mit der unschätzbaren Handschriftensammlung verbunden, die damals im sogenannten chinesischen Salon des Brukenthalpalais untergebracht war. In den 35 Jahren seiner Tätigkeit als deren Kustos katalogisierte, erweiterte und erschloss er sie unermüdlich. Lange vor der politischen Wende ist sie dann größtenteils in willkürlicher Weise aus der enteigneten Brukenthalbibliothek in das ebenfalls enteignete Hermannstädter Archiv überführt worden, sodass Schullers Ordnungsarbeit dank der Weisheit einer umnachteten Kulturpolitik bereits früh wieder relativiert wurde.

Schullers Hauptwerk aber sollte trotz aller Widerstände zum Druck gelangen. Bereits Friedrich Teutsch wies 1926 im vierten Band seiner „Geschichte für das sächsische Volk“ darauf hin, dass Schuller an einer großen Brukenthal-Monografie arbeitete. Tatsächlich beschäftigte er sich bis zu seinem Tode im Jahre 1939 damit und hinterließ ein umfassendes Werk, das lediglich der Drucklegung harrte. Veröffentlicht wurde es erst viel später in zwei Bänden, die 1967 und 1969 in der Buchreihe der Südostdeutschen Historischen Kommission in München erschienen. Aufgrund des Umfangs und der Bedeutung der darin verarbeiteten Geschichtsquellen handelt es sich bei ihnen nicht lediglich um eine bloße Biografie, sondern um einen Markstein der siebenbürgisch-sächsischen Historiografie und noch immer um eine der bedeutendsten Schriften zur Geschichte Siebenbürgens in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts.

Im Zuge der Mansardierung des evangelischen Pfarrhauses im Hermannstädter Hypodrom-Viertel wurde im Mai diesen Jahres in einem Versteck ein unscheinbarer Koffer aufgefunden. Sein Inneres war bis zum Anschlag mit sorgfältig verpackten Schriftstücken gefüllt, die sich bei der Sichtung als Arbeitsmaterialien zu Georg Adolf Schullers Brukenthal-Biografie zu erkennen gaben. Bei dem Inhalt des Koffers handelt es sich im Einzelnen um das Arbeitsmanuskript Schullers von 869 nummerierten Seiten Umfang. In einer gesonderten Mappe liegt ein Manuskript von 207 Seiten Umfang zu Brukenthals Privatleben auf. Diesen handgeschriebenen Blättern ist eine maschinengeschriebene Abschrift von 717 nummerierten Seiten Umfang beigegeben; der Anmerkungsapparat ist auf zusätzlichen Blättern beigefügt. Der Redaktion der späteren Münchner Publikation muss eine Kopie dieses Typoskriptes vorgelegen haben.

Dieselbe Redaktion musste aber in der Vorbemerkung des zweiten Bandes bedauernd anmerken, dass ihr der umfangreiche Anhang, den Schuller vorgesehen hatte und der Quellen im Wortlaut enthalten sollte, bei der Drucklegung des Werkes nicht zur Verfügung stand. Freudigerweise sind diese unpublizierten Dokumente Teil des Kofferinhaltes: Notizen und Abschriften aus dem Wiener Haus- und Hofarchiv, von Briefen verschiedener Verfasser und behördlicher Erlasse. Dabei lag auch ein Notizbuch, in das zahlreiche handbeschriebene Notizzettel eingelegt waren, und in vier Päckchen gebündelte Handzettel mit Personen- bzw. Ortsnamen, die, in alphabetischer Reihenfolge zusammengelegt, offenkundig in Vorbereitung der entsprechenden Register entstanden sind.
Einige Teile des Inhaltes waren säuberlich in schützendes Papier eingeschlagen.

Als Packmaterialien fanden Blätter aus der Zeitungspresse Verwendung, darunter solche aus einer „Scânteia“ von 1958 und einer Ausgabe des „Neuen Wegs“ von 1965, aber kurioserweise auch die zusammengefaltete Konstruktionszeichnung für das Räderwerk eines Eisenbahnwagens.
Die Geschichte des wertvollen Schriftwerkes, wie sie sich aus dem Kofferinhalt rekonstruieren lässt, ist folgende: Als die Publikation der Brukenthal-Biografie in München ab den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts vorbereitet wurde, konnte nicht der gesamte Koffer mit den Schuller-Archivalien die gefährliche Reise nach Süddeutschland antreten; nur eine Kopie des Typoskriptes wird nach München gelangt sein, während der große Rest der wertvollen Materialien in Hermannstadt sorgsam vor der Staatswillkür versteckt werden musste. Wann der Koffer aber in das Pfarrhaus am Hypodrom gelangt ist, bleibt ungewiss.

Er und sein Inhalt befinden sich zurzeit am Pfarramt der Evangelischen Kirchengemeinde A. B. Hermannstadt. Die Dokumente werden nun dem Archivbestand der Gemeinde angeschlossen.