Ein Herz und viele gute Seelen für die Lenauschule

Franz Quint beim Festgottesdienst im Dom Foto: Zoltán Pázmány

„150+3 Jahre deutsche Nikolaus-Lenau-Schule“ wurden über drei Tage in Temeswar mit Aufführungen, einem Projekttag der offenen Tür, einer ergreifenden Festveranstaltung in der Temeswarer Nationaloper, Ausstellungen, Lesungen, Konferenzen, der Diplomvergabe, dem feierlichen Festgottesdienst im Dom, einem Schulfest und einem großen jahrgangsübergreifenden Lenautreffen (mit Teilnehmern aus ganz Europa sowie Kanada und den USA) gebührend gefeiert. Von einer Absolventin des Jahrgangs 1956 bis zu den derzeitigen Schülern – für alle gab es etwas. Für ehemalige Direktoren und Schüler gab es Auszeichnungen, ebenso für den Vorsitzenden des Vereins „Freunde der Lenau-Schule“, Dr. Ing. Franz Quint, der bei dieser Gelegenheit von ADZ-Redakteurin Astrid Weisz zum Interview gebeten wurde:

Wie fühlen Sie sich als ehemaliger Absolvent dieser Schule beim 150. Jubiläumsfest? 

Ein solches Fest ist schon etwas Wunderbares, ein solches Fest. Natürlich ist man zum einen stolz, Lenau-Schüler gewesen zu sein, und darauf, dass es diese Schule eben schon zu (über) 150 Jahren deutsches Bildungswesen im Banat gebracht hat. Ich blicke heute auf 40 Jahre seit dem Abitur zurück. Das hört sich unheimlich lange an, und wenn ich daran denke, als wir in der Schule waren und die Absolventen gekommen sind, wir Spalier standen und applaudierten und das Gaudeamus für die älteren Alumni sangen, die uns bei ihrem 25-jährigen Treffen als alte Menschen vorkamen... bin ich heute weit drüber, aber im Herzen fühlen wir uns jung. 

Aber das Wunderbare dabei ist, zu sehen, wer alles Absolvent dieser Schule war: Wir hatten als Moderator zur Festveranstaltung in der Oper den Lucian Vărșăndan, den Intendanten des Deutschen Staatstheaters, verschiedene Journalisten bei der ADZ, im Radio oder Fernsehen in Temeswar, die sind auch alle Absolventen der Lenau-Schule, der ehemalige Bürgermeister Ciuhandu, usw. Also egal, wo man hier in Temeswar hingeht und wo es um deutsches Kulturwesen geht, man trifft immer Lenauschüler. Das ist gut so und das ist die Basis, dass ein deutsches Kulturleben hier in Temeswar weiter stattfindet. 

Lassen Sie uns zurückgehen vor das Jahr 1983, als Sie hier Bakkalaureat gemacht haben. Was ist Ihnen aus der Zeit an der Lenau-Schule besonders in Erinnerung geblieben?

Ich bin 1979 aus Hatzfeld hier an die Lenau-Schule zur 9. Klasse gekommen. Das hat natürlich mit einer Aufnahmeprüfung angefangen. Und dann weiß ich noch von der 9. Klasse, dass wir wechselnde Klassenzimmer hatten, weil die Lenau-Schule eben zu wenig Klassenräume hatte. Wir sind dann immer in die Klasse gegangen, die gerade im Praktikum war. 

Ich kann mich noch gut an die erste Kontrollarbeit in Physik erinnern, bei Herrn Göbel, ein hervorragender Physiklehrer, oder die Mathestunden mit Frau Bonfert, um vielleicht das Schulische zu sehen. Dann hatten wir nach der 10. Klasse Stufenprüfung, sind von 36 auf 18 Kollegen geschrumpft und haben mit denen aus der Philologieklasse zusammen eine Klasse gebildet. Aber es gab eben viel, viel Außerschulisches, wie der Kukuruzball, der Schratzenball, die damals legendären Stelele, eine Popband, die Konzerte im Festsaal der Lenau-Schule gegeben hat, oder die Trachtenfeste und die Sporttourniere im Internatshof, die „Diskuteken“ und die Diskotheken im Kellerclub der Lenau-Schule... Also es gibt eine Menge an Erinnerungen. 1983 dann das Abitur, mit dem Gaudeamus durch die Klassen ziehen, mit dem Abschied von der Lenau-Schule. Die Verbundenheit mit der Schule ist aber geblieben: Zunächst einmal ganz praktisch, dass man dann auch als Student noch in der Kantine der Lenau-Schule gegessen, dass man noch Kollegen besucht hat und zu Feiern gekommen ist. Und selbst nach der Ausreise nach Deutschland ist die Verbindung nie abgerissen, weil wir Klassentreffen gefeiert haben und dann jetzt wieder häufig herkommen, in die Schule gehen und da immer sehr willkommen sind. 

Sie sind Gründungsmitglied des Vereins „Freunde der Lenau-Schule“. Warum haben Sie den Verein gegründet?

Der äußerliche Auslöser war unser 25-jähriges Abiturtreffen, welches wir in Temeswar veranstaltet hatten, und da waren wir natürlich in der Schule. Damals (2008) war das Gebäude der Lenau-Schule schon in einem sehr schlechten Zustand. Und weil es hier an der Schule keinen Förderverein gab und gibt, wie ihn sonst Eltern in Deutschland gründen, haben wir uns entschlossen, einen Alumni-Verein zu gründen, um zu versuchen zu helfen, mit welchen Mitteln auch immer. 

Es war wichtig, dass wir zu einer juristischen Person geworden sind. So war es uns nämlich möglich, bei verschiedenen Institutionen in Deutschland Anträge zu stellen, Förderungen zu bekommen, um beispielsweise die Bildungseinrichtungen im Internat der Schule zu renovieren oder mit der Stadt Temeswar, noch mit OB Ciuhandu, eine sehr gute Zusammenarbeit zu starten, mittels derer wir zum Beispiel mal für Zwischenrenovierungen (Toiletten) das Material gekauft haben, und die Stadt hat dann die Arbeiter zur Verfügung gestellt. Auch Schulen aus Deutschland hatten dann einen richtigen Ansprechpartner und wir konnten Mitgliedsbeiträge einziehen. 

Wie haben Sie dann als Verein in den letzten 15 Jahren geholfen? 

Wir haben erst kürzlich ein biss-chen Bilanz gezogen für das Buch „Die Lenau-Schule sind wir“, das wir zum 150. Schuljubiläum he-rausgegeben haben, und wir haben in dieser Zeit über 70.000 Euro an Barmitteln an die Lenau-Schule gebracht. Hinzu kommen Sachspenden. Es waren bestimmt über 15 Sattelschlepper voll mit Möbeltransporten, sodass praktisch jede Klasse in der Lenau-Schule mit Möbeln aus Deutschland ausgestattet wurde. Allein als die Lenau-Schule in der Intrarea Doinei das ehemalige RATT-Gebäude bekommen hat und mich Frau Wolf anrief, dass das Schuljahr beginnt und es keinen einzigen Stuhl oder Tisch in diesem Gebäude gäbe, da haben wir innerhalb von einer Woche zwei oder drei Sattelschlepper an Möbel organisiert, sodass die Kinder dann pünktlich zum ersten Schultag nicht auf dem Fußboden sitzen mussten. 

Dann haben wir viele Bücher hergebracht: EinTransport aus Karlsruhe brachte zum Beispiel über 17 Tonnen davon, Sekundärliteratur, aber auch ganze Klassensätze an Schulbüchern. Und ich möchte die beiden Wettbewerbe erwähnen, den Elsa-Lucia-Kappler-Preis und den Carmen-und-Jakob-Walbert-Preis, der eine in deutscher Sprache, der andere in Naturwissenschaften. Natürlich bringen sie auch materiell etwas, denn die Schüler bekommen Preisgelder, aber es geht um die Aktivierung der Schüler, den Wettbewerbsgedanken, den Leistungsgedanken zu fördern. Andererseits entsteht auch eine Gemeinschaft unter den Schülern, und es erfüllt sie mit Stolz, wie gestern in der Oper auf der Bühne gefeiert zu werden. 

Ich fand es ganz toll, dass ein Team den selbstgebauten Roboter zu Prämierung auf die Bühne gebracht hat und den da herumfahren lassen hat. Und jedes Mal, wenn man in ihre freudestrahlenden Gesichter schaut, ist das schon eine Genugtuung und es lässt all die Mühen, die man vielleicht vorher aufgebracht hat, mit einem Schlag vergessen. Und weil wir von Bühne sprechen: Wir haben schon mehrfach der NiL-Theatergruppe Spenden zukommen lassen und auch jedes Mal, wenn wir hier ein Treffen haben, ist es ein fester Programmpunkt, dass wir beim Deutschen Staatstheater eine Exklusivveranstaltung buchen und da eben auch eine Spende dem Theater zukommen lassen. Es ist eben ein sehr wichtiger Bestandteil des deutschen Kulturlebens hier und das wollen wir unterstützen. 

An Ihrem Jackett ist eine Ehrung angebracht, die vom Festakt herrührt. Sie wurden mit der Ehrennadel in Gold des Demokratischen Forums der Deutschen im Banat ausgezeichnet. Was bedeutet Ihnen diese Anerkennung?

Diese Auszeichnung bedeutet mir sehr viel. Ich bin ein Banater Schwabe, ich bin ein Hatzfelder, ich bin ein Lenau-Schüler mit Leib und Seele. Und wenn man dann von der Vertretung der Banater Schwaben hier in Temeswar mit ihrer höchsten Auszeichnung geehrt wird, dann ist das schon etwas ganz Besonderes. Ich betrachte diese Auszeichnung als eine Würdigung der Arbeit, die wir für die Lenau-Schule machen. Ich beziehe das auf den gesamten Verein der Freunde, der versucht, die Lenau-Schule und die aktuellen Schüler zu unterstützen. Wir haben in der Lenau-Schule unser Rüstzeug fürs Leben bekommen und versuchen nun etwas zurückzugeben. Ich nehme diese Auszeichnung sehr gerne im Namen aller Vereinsmitglieder an und ich bin sehr stolz, dass die Arbeit des Vereins so gesehen wird.

Was für ein Rüstzeug hat Ihnen die Lenau-Schule auf Ihren Lebensweg mitgegeben?

Vielfältig. Man wird in dieser Zeit, von der 9. bis zur 12. Klasse, in der die Weichen für das künftige Leben gestellt werden, sowohl aus fachlicher Sicht, als auch aus menschlicher, aus moralischer Sicht geprägt. Wir haben hier eine hervorragende Bildung genossen, in meinem Fall waren natürlich die Mathematik und die Physik das Wesen der fachlichen Aspekte, und es ist wirklich so, mit dem Wissen, das ich hier erworben habe, konnte ich ohne Mühen in Deutschland bestehen. Und zwar nicht nur irgendwie, sondern ich habe schon gesehen, dass ich ein bisschen mehr kann als andere Kollegen, die vielleicht in Deutschland die Schule gemacht haben. 

Von den moralischen Werten, die wir bekommen haben, sollte man vielleicht eines hervorheben, nämlich das Zusammenstehen, die Gemeinschaft, die sich hier gebildet hat: Eine Gemeinschaft unter den Lenausschülern in diesem Falle, aber das überträgt sich natürlich auch sonst auf das Leben, dass man sieht, man muss zusammenarbeiten, man muss gemeinsam etwas machen, dann kommt man weiter. 

Es war nicht nur eine äußerliche Identifikation durch dieses wunderbare Wappenarmabzeichen, das wir hatten, das wir auch als Abzeichen für unseren Verein auserkoren haben, sondern es war auch eine innere Haltung. Man hat sich als Lenauer, als Lenausschüler verstanden und gefühlt. Und egal, wo man auf der Welt jemanden trifft, der Lenauer ist, da ist dann sofort eine besondere Beziehung da. 

Wie weit haben Sie es mit dem Lenau-Rüstzeug gebracht? 

Wenn man die berufliche Per-spektive sieht, bin ich Ingenieur geworden, ich habe promoviert, habe dann als Entwicklungsingenieur, als Abteilungsleiter bei einem großen Luft- und Raumfahrtkonzern gearbeitet und bin 2002 auf eine Professur für Elektrotechnik an der Hochschule Karlsruhe berufen worden. Ich war dort Studiengangsleiter, hatte verschiedene Funktionen inne und bin seit dem Jahr 2017 Prorektor für Forschung dieser Hochschule. 

Im Jahr 2008 habe ich auch eine Kooperation mit der Universität Politehnica in Temeswar gestartet, habe dann viele Studenten aus Deutschland für ein Semester auf einen Austausch in den englischsprachigen Zug des Elektronikstudiengangs geschickt. 

Dann habe ich über viele Jahre hinweg das Projekt „ProKaTim“ durchgeführt, in dem ich mit einer Gruppe von deutschen Studenten, meistens so 20 von ihnen, hierher nach Temeswar gekommen bin und sie gemeinsam mit rumänischen Studenten unterrichtet habe. Die haben dann gemischte Teams gebildet und ein Semester lang ein Projekt ausgearbeitet, bevor die rumänischen Studenten nach Karlsruhe eingeladen worden sind, um eben diese Projekte abzuschließen und vorzustellen. Ich habe Doppelabschlussstudiengänge eingeleitet, diesmal mit der West-Universität und mit unserer Fakultät für Wirtschaftsinformatik, und ich habe mehrere Promotionen hier in Temeswar betreut. Ich bin Ehrenprofessor der Universität Politehnica geworden. Und seit 2008 bin ich Vorsitzender des Vereins „Freunde der Lenau-Schule“, seit etwas mehr als einem Monat auch Vorsitzender des Freundeskreises Karsruhe-Temeswar.

Vielen Dank für das Gespräch!