Ein Hoch auf die Aktionsgruppe

Mit Mythen bei Temeswarer Tagung abgerechnet

Noch zu Beginn des Podiumsgesprächs zur Entstehungsgeschichte der Aktionsgruppe hielten die Anwesenden auf initiative von Werner Kremm eine Schwiegeminute für Rolf Bossert

Podiumsgespäch über resonaz und Rezeption der Aktionsgruppe in Rumänien, Deutschland und Ungarn moderiert von der Journalistin Angéla Korb Fotos. Astrid Weisz

Temeswar - Lockerer und teils unterhaltsamer gestaltete sich das Treffen der „jungen Wilden“ aus den 70er Jahren, der Gründungsmitglieder der Aktionsgruppe Banat anlässlich des Symposiums zu 50 Jahren seit der Entstehung der Literatengruppe. Ausgerichtet wurde es vom Deutschen Kulturforum östliches Europa aus Potsdam in Zusammenarbeit mit mehreren Institutionen aus dem Banat. Gekommen waren sechs von den damals neun jungen Schreibenden, die als Kern der Aktionsgruppe Banat galten: Werner Kremm, Johann Lippet, Anton Sterbling, William Totok, Gerhard Ortinau und Ernest Wichner. Albert Bohn und Richard Wagner konnten aus gesundheitlichen Gründen sich nicht beteiligen, Rolf Bosserts wurde mit einem lyrisch-musikalischen Abend am Deutschen Staatstheater Temeswar gedacht. Zum Auftakt des Symposiums „Der Wille zur Veränderung – das ist die Realität. 50 Jahre Aktionsgruppe Banat“ hielt der Kunsthistoriker, Germanist und Journalist Dr. Markus Bauer den Vortrag „»wir waren auch mal jung, sagt der Vater« – Einblicke in die vergangene Welt der Aktionsgruppe Banat“ und führte weniger bewandtes Publikum an das Phänomen der Aktionsgruppe heran. Sein Beitrag endete mit dem Plädoyer, eine Edition gesammelter Werke der „AKB-ler“ herauszubringen, um die weitere Erforschung als auch Rezeption zu gewährleisten. Teils seien bestimmte Texte nur in schwierig zugänglichen Archiven oder in längst vergriffenen Ausgaben von Sammelbänden kaum aufzutreiben. Es folgte eine dreistündige Diskussionsrunde, in der jedes der anwesenden Gründungsmitglieder seine Perspektive auf das Jahr 1972, bzw. die Entstehung der Gruppe und ihr Wirken reflektierte. Johann Lippet war es, der darauf bestand, dass von einer Gründung, im richtigen Sinne des Wortes, nicht zu sprechen sei, zumal man sich als Verein in der Zeit nicht hätte formieren können, zum anderen es keinen wirklichen Nullpunkt gegeben hat. Die damaligen Schüler und Studenten hatten sich aus gemeinsamen Interessen und Freundschaften zusammengefunden. Ernest Wichner unterstrich die ausschlaggebende Rolle der Aktionsgruppe für seine literaturverbundene Karriere, Dr. Anton Sterbling präsentierte sich mit einer soziologischen, teils humoristischen Abhandlung über die Umstände und die Zeiten der Aktionsgruppe, während Gerhard Ortinau und William Totok auch darauf eingingen, wie gefährlich ihre Unternehmungen in der Zeit gewesen seien und welchen Risiken man sich gezwungen gesehen hatte, sich aussetzen zu müssen. „Die Gruppe war, trotz ihres Namens, nicht provinziell, sondern eine Minderheit in der Minderheit, ein kleiner Mikrokosmos, der im Grunde heterogen, aber rezipiert wurde man als Gruppe. Wir sind aber Individualitäten, die sich unterschiedlich agieren und sich äußern. Das gemeinsame Verfassen von Texten hat aber den Mythos unserer Homogenität gefördert,“ so William Totok. Bei der Diskussion ging es teils um die Förderer, teils um jene, die die Arbeit der Gruppe eher behindert hätten, aber auch um eine klare Abgrenzung der „Programme“ von Aktionsgruppe und „Neue Literatur“. Werner Kremm schloss, dass es ihn amüsiere, wie die Veranstaltung, die Schriftsteller wie „das goldene Kalb“ in den Mittelpunkt und auf einen Sockel dargestellt habe, aber letztendlich sei man erfreut, die alten Freude und Bekannte wiederzusehen und sich mit der Rezeptionsgeschichte, den Mythen und Legenden um die Literaturbewegung auseinanderzusetzen. Und tatsächlich konnte man als Zuschauer (und es waren derer nicht wenige) erkennen, wie die Gruppendynamik vor 50 Jahren aussah, durch schweigsamere, vehementere oder beschwichtigendere Positionen, die die Mitglieder bei den Diskussionen einnahmen. Die Abwesenheit von Albert Bohn und Richard Wagner wurde von den anwesenden Mitgliedern durch das Zitieren aus Wagners Texten, bzw. durch das Vorlesen des Vortrags von Albert Bohn von Dr. Ingeborg Szöllösi minimal überbrückt. Den Nachmittag in der Zentralen Eugen-Todoran-Universitätsbibliothek (West-Universität Temeswar) moderierte die Bukarester Journalistin Christel Ungar-Țopescu. Teilgenommen hatten nebst zahlreichen Germanisten, Literaturwissenschaftlern und Schriftstellern aus Rumänien, Ungarn und Deutschland, als Ehrengäste und Mitveranstalter die deutsche Konsulin aus Temeswar, Regina Lochner, der DFDR-Abgeordnete Ovidiu Ganț, der Vorsitzende des Demokratischen Forums der Deutschen im Banat, Dr. Johann Fernbach, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Kulturforums östliches Europa Winfried Smaczny, die Leiterin des Deutschen Kulturzentrums Temeswar, Mona Petzek, der Intendant des Deutschen Staatstheaters Temeswar, Lucian Vărșăndan, sowie die Leiter der Bibliotheken und der Rektor der TU Politehnica aus Temeswar, Dr. Florin Drăgan .

Der zweite Tag des Symposiums zielte mehr auf die Resonanz und Rezeptionsgeschichte der Aktionsgruppe Banat aus, sowie auf die Bedeutung der deutschen Schriftsteller für andere SchriftstererInnen und spielte sich an der Zentralbibliothek der TU Politehnica ab. Eröffnet wurde der Tag mit dem Vortrag von Prof. Dr. Eleonora Ringler-Pascu über die Aktionsgruppe als „ein performativer Akt“, gefolgt von Podiums – und Publikumsdiskussionen mit den Literaturwissenschaftlerinnen Dr. Ana-Maria Dascălu-Romițan, Dr. Michaela Nowotnick und Prof. Dr. Eszter Probszt, die die unterschiedliche Art der Rezeption in Rumänien, Ungarn und Deutschland darstellten, wobei der rumänische  Beitrag sich exhaustiv lang auf Sammelbänden und Sekundärliteratur bezog, und der Optimismus von den anderen beiden Teilnehmerinnen gebremst und mit Rückhaltung wahrgenommen wurde. Zum Schluss äußerten sich rumänische und ungarische Schriftsteller und Literaturwissenschaftler über den Einfluss der Aktionsgruppe und ihrer Mitglieder auf ihr Wirken und Schreiben, wobei die lokale Wirkung viel stärker zum Vorschein kam, als dies bezüglich der ungarndeutschen oder gesamtrumänischen Literaten zu bemerken war. Abschließend war zu betonen, dass die Auseinandersetzung mit dem Phänomen der Schriftsteller, die in den 70ern im Banat ihr Debüt hatten, viel strukturierten stattfinden müsse und dass ein Sammelband ihrer Werke von damals wünschenswert sei.