Ein Jubiläum und viele Herausforderungen

Zehn Jahre Deutsche Stunde bei TVR Neumarkt

Mit Kameramann Lajos Lörinc in Hundertbücheln/ Movile

In Felldorf mit Georg Fritsch und Kameramann Sándor Mikuláj

Deutsche Kulturtage Schäßburg, Krisztina Molnár mit Volker Reiter von ProEtnica.
Fotos: Csaba Hochbauer

„Guten Tag und herzlich willkommen in der Deutschen Stunde!“ – Mit diesen Worten werden seit über zehn Jahren Zuschauer aus dem ganzen Land zu Beginn der deutschsprachigen TV-Sendung des Regionalsenders TVR Neumarkt/Târgu Mureș begrüßt. Ein Gespräch mit dem neuen Leiter der Neumarkter Philharmonie, der viele Jahre als Opernsänger in Deutschland tätig war, ein Familiengottesdienst mit Gospelmusik in Mediasch, eine Aufführung zum Thema #metoo am Nationaltheater Neumarkt, ein interessanter Verein, der seit einigen Jahren im Dorf Hundertbücheln/Movile tätig ist – das sind alles Beispiele für Themen, über die in den letzten Wochen in der Sendung berichtet wurde. 

Hajnal Fekete, die Leiterin der Minderheitensendungen von TVR Neumarkt, nannte die von ihr initiierte Sendung „Deutsche Stunde“, weil im wöchentlichen Programm genau 60 Minuten dieser Sendung gewidmet werden.

Seit Oktober 2011 wird die Sendung jeden Samstag ab 17 Uhr, mit Wiederholung Sonntag ab 10 Uhr auf TVR Neumarkt gezeigt, doch sie kann auch live im Internet verfolgt werden, unter tvrplus.ro/live/tvr-targu-mures. Am 10. Jahrestag der Deutschen Stunde erinnert sich Krisztina Molnár, die einzige fest angestellte Redakteurin der Sendung, an die Anfangszeiten und erzählt über Zukunftswünsche und Herausforderungen. 

Tradition für deutschsprachigen Journalismus 

Dezember 2021: Bei TVR Neumarkt herrscht Weihnachtsstimmung. Das Studio, in demdie Sendungen aufgenommen werden, ist mit einer Tannenbaum-Tapete geschmückt, die Mitarbeiter nehmen eine Weihnachtssendung auf. Auch Kristzina kommt an die Reihe, eine Weihnachtsbotschaft für die Zuschauer aufzunehmen. Dann gehen wir in die Bibliothek. Der Regionalsender TVR Neumarkt gehört zu den fünf Territorialstudios der Rumänischen Fernsehgesellschaft TVR und sendet in drei Sprachen: rumänisch, ungarisch und deutsch. 

Vor genau einem Jahrzehnt wurde eine deutsche Sendung gegründet, die mit einem einzigen Mitarbeiter funktionierte, der nicht fest angestellt war. Heute ist Krisztina Molnár diese eine Mitarbeiterin, seit letztem Jahr auch fest angestellt. Sie und ihr Kamera-Team berichten von Begebenheiten und Entwicklungen vor Ort, von den Menschen, die die Region lebens- und liebenswert gestalten. „Der Sender TVR Neumarkt wurde 2007 gegründet. Damals habe ich noch in Temeswar gelebt, und ich erinnere mich, dass sie Mitarbeiter gesucht haben. Gleich nach der Gründung gab es Gespräche darüber, dass man eine Minderheitensendung machen muss. Fekete Hajnal, die Leiterin der ungarischen Redaktion, hat vorgeschlagen, eine deutsche Sendung zu machen.“ 

Eine Tradition für deutschsprachigen Journalismus existierte schon in der Stadt, deren Bevölkerung hauptsächlich aus Rumänen und Ungarn besteht: Bei Radio Neumarkt gab es schon seit 1990 die einstündige Sendung in deutscher Sprache, die montags bis samstags um 21 Uhr ausgestrahlt wurde. „Das fand ich lustig“, erinnert sich Krisztina. „Neumarkt befindet sich ja in dieser ungarisch-rumänischen Insel und es gibt wenige Deutsche hier. Doch kann man hier bis zur 12. Klasse deutschsprachigen Unterricht am Papiu Ilarian-Lyzeum besuchen, und es gibt auch das Deutsche Forum“, meint die Journalistin. 

Auch gibt es in den nahe gelegenen Städten Schäßburg/Sighișoara und Sächsisch Regen/Reghin eine siebenbürgisch-sächsische Gemeinschaft, also genügend Veranstaltungen und Projekte, über die man berichten kann. Leute, die Deutsch sprechen, gibt es auch in Neumarkt genug: Die Hälfte der ehemaligen Klassenkollegen von Krisztina (davon stammen die meisten wie sie aus ungarisch-sächsischen Mischehen) sind nicht ausgewandert. Also gab es ein potentielles Publikum. 

2011 wurde die erste Sendung ausgestrahlt. Attila Puskás, Deutschlehrer im Bolyai-Lyzeum, hat sich jahrelang darum gekümmert. Bis Dezember 2013 wurden die Sendungen von ihm gestaltet. Puskás hat sich die Themen selbst ausgewählt, und Molnár hat anschließend dieses Format von ihm übernommen: Eine 60 Minuten lange Sendung mit Anmoderation oder Ansage, gefolgt von zwei oder drei längeren Beiträgen. 

Berichte von Veranstaltungen und interessanten Initiativen 

Themen gibt es viele. „Man geht zu kleineren oder größeren Veranstaltungen, besucht Handarbeitsgruppen und Konzerte. Vor Ausbruch der Corona-Pandemie gab es im Sommer sehr viele Veranstaltungen, also reichlich Stoff für die Sendung. Normalerweise geht es so: man sucht sich ein Thema aus, man nimmt Kontakt auf zur Person, mit der man sprechen will, dann fährt man mit dem Kameramann hin und filmt. Man kommt zurück, schaut sich das Gefilmte an und dann fängt man mit dem Schneiden an. Das ist ganz viel Nacharbeit“, meint Molnár.

Über die Jahre gab es häufig finanzielle Schwierigkeiten, Ausfahrten konnten nicht mehr finanziert werden. Attila Puskás ist 2013 ausgestiegen. Man hat die Zeit ohne Redakteur überbrückt, indem man zwei Jahre lang Beiträge des Regionalsenders in Klausenburg oder Wiederholungen gesendet hat. Dann kam Krisztina Molnár zu TVR. 

Sie hat eigentlich Malerei studiert, doch hatte sie Erfahrung mit dem Journalismus, da sie 1996 bis 1998 bei Radio Neumarkt gearbeitet hat. 2001 hat sie einen mehrmonatigen Fernsehkurs der Südost- Medienagentur von Bremen in Bulgarien und Deutschland besucht und ein Praktikum bei der Sendung „Kulturzeit“ von 3sat absolviert. Eine Zeit lang war sie auch Mitarbeiterin der ungarischen Sendung von TVR Temeswar. 

Auch in der Stadt, in der sie studiert hat, konnte sie neben dem Studium als Radioredakteurin arbeiten. „Ich habe die Nummer von Radio Temeswar im Telefonbuch gesucht, und als jemand abgehoben hat, habe ich einfach gesagt: „Ich bin Krisztina Molnár. Brauchen Sie jemanden?“ – „Ja, kommen sie vorbei“, hat die Stimme am anderen Ende der Leitung gesagt, und sie haben mir gleich eine Sendung gegeben. Damals haben wir noch mit Band gearbeitet, nicht digital. Dann bin ich 2012 nach Neumarkt zurückgekehrt.“ Und so fing die TV-Karriere in ihrer Heimatstadt an. 

Leider keine rumänischen Untertitel 

Krisztina hat totale Freiheit in der Wahl ihrer Themen. Es ist aber nicht immer leicht, allein zu arbeiten. „Ich bin praktisch die Deutsche Sendung“, scherzt sie. Sie muss sich die Inhalte ausdenken, Termine ausmachen, filmen, schneiden und auch die Social-Media-Accounts der Sendung verwalten. „Ich habe niemanden, mit dem ich Sachen besprechen kann oder die Arbeit aufteilen kann, ich muss alleine Entscheidungen treffen und das Feedback kommt von Zuschauern, nicht von Kollegen. Doch auch dieses Feedback ist sehr nützlich und wird immer mehr, weil landesweit gesendet wird. Leider gibt es aus finanziellen Gründen keine rumänischen Untertitel für die Sendung. Falls es einen Übersetzer gäbe, müssten wir noch mehr im Voraus arbeiten. Für eine einstündige Sendung, in der viel geredet wird, würde der Übersetzer eine Woche brauchen. Der Zweck der Facebook-Seite, die fast 900 Fans hat, ist, mit den Zuschauern in Kontakt zu bleiben. Hier wird immer eine Vorschau auf die nächste Sendung gepostet. Einzelne interessante Beiträge werden auch auf dem neuen Youtube-Kanal hochgeladen. Dank TVRPlus kann man die Sendung landesweit sehen, leider jedoch nicht im Ausland. Das hätte sicher noch mehr Zuschauer gebracht.“ 

„Es ist nicht leicht, immer deutsche Gesprächspartner zu finden“ 

An die erste Ausfahrt erinnert sich die Redakteurin der deutschen Sendung sehr gerne. „Ich bin mit meinem Kollegen nach Kleinschenk gefahren, ich wusste überhaupt nicht, wo es liegt. Dort haben wir Carmen Schuster kennengelernt, mein erstes Interview war mit ihr. Ich erinnere mich, wir wurden zu Rhabarber- und Erdbeerkuchen eingeladen. Es war ein schöner Aufenthalt. Und in der nächsten Woche waren wir dann in Bekokten/Bărcuț und haben uns mit Pfarrer Klein unterhalten.“ 

Es sei aber nicht leicht, dauernd Gesprächspartner zu finden, die zur deutschen Minderheit gehören. Deshalb werden auch Initiativen von Leuten, die zwar keine Siebenbürger Sachsen sind, aber viel mit deutscher Sprache und Kultur zu tun haben, vorgestellt: „Beim ersten Beitrag, wo ich niemanden als Interviewpartner hatte, der Deutsch sprach, habe ich draufgesprochen wie bei einer Synchron-Übersetzung. Es ist aber wichtig, deutsche Ansprechpartner zu haben. In der Gegend gibt es viele deutsche Firmen, einen Deutschen Wirtschaftsklub. Nicht unlängst waren wir bei der Bio-Farm eines Schweizers, der in der Nähe lebt. Und bei dem Oldtimer-Festival mit alten Autos habe ich als Ansprechpartner Deutsche gefunden, die hier leben. Immer frage ich: Ist hier jemand, der Deutsch spricht? Auch wenn in der Philharmonie Musiker aus der Schweiz, Österreich oder Deutschland zu Gast sind, machen wir Interviews mit ihnen“. 

Abenteuerlich geht es auch manchmal zu auf den Ausfahrten durchs Land, wie Kisztina erzählt: „Sehr kleine Dörfer werden manchmal gar nicht auf Google Maps angezeigt. Letzten Sommer waren wir in Hundertbücheln im Kreis Hermannstadt und das war schwer zu finden, wir sind anfangs in eine andere Richtung gefahren. Es ist erstaunlich, dass es so kleine, versteckte Dörfer gibt, wo so interessante Denkmalschutz-Projekte durchgeführt werden. Und oft findet man in diesen kleinen Dörfern Menschen, die sind das erste Mal vor der Kamera und trotzdem sind sie so natürlich und spontan und nett, dass man meint, sie hätten es ein Leben lang getan. Andere wiederum haben Angst vor der Kamera und fragen: ‚Kann ich nur vorlesen?‘ Dann sage ich ‚Nein, wir sind hier im Fernseher, wir müssen im Bild sein.‘“  Doch immer machen die Ausfahrten Spaß: „Die Kamera-Kollegen, mit denen ich zusammenarbeite, sprechen kein Deutsch, aber sie haben Gefühl und verstehen immer worum es geht“. 

Auch in der Pandemie versucht man, weiterzumachen 

Während des Lockdowns im Frühling 2020 und bis zum Herbst wurden nur Wiederholungen älterer Sendungen ausgestrahlt. Ab Herbst 2020 hat man dann wieder angefangen, zu drehen und aus schon existierenden Materialien neue Beiträge zu machen. 

„Den ganzen Sommer 2021 habe ich Beiträge gemacht und war fast jede Woche irgendwo unterwegs. Es gab auch genügend Veranstaltungen, trotz Pandemie“. Bei der letzten Sendung, die vor Weihnachten aufgenommen wurde, hat Kristina den neuen Leiter der Neumarkter Philharmonie interviewt. Sie und ihr Kamera-Kollege haben eine Probe besucht. „Dann hat der Dirigent den Chormitgliedern deutsche Weihnachtslieder ausgeteilt, und sie haben ‚Stille Nacht‘ gesungen, speziell für uns.“

Am Jahresanfang wird immer eine Auswahl von den Beiträgen aus dem letzten Jahr gemacht, eine Art „Best of“. Obwohl es im Winter an Veranstaltungen mangelt und die Omikron-Variante des Coronavirus immer einen Strich durch die Rechnung ziehen kann, bleibt Krisztina optimistisch. „Es gibt viele Dörfer in der Gegend, wo es ein schönes Denkmal gibt oder eine schöne Kirche oder etwas Interessantes, aber es gibt keine Deutschsprachigen mehr. Nicht immer klappt es, dass man auch Interviewpartner hat. Das ist aber das Schönste und Spannendste am Fernseher, dass man mit Bildern auch sehr viel erzählen kann“.