Ein Versuch, historische Rätsel aufzuklären

Am Rande eines Vortragsabends mit Buchvorstellung zum Deutschen Ritterorden und Bericht über Grabungen am Hof der Schwarzen Kirche notiert

Dr. Harald Roth

Dr. Daniela Marcu Istrate
Fotos: Dieter Drotleff

Gleich zwei hochrangige Historiker bestritten den Vortragsabend vom Freitag,dem 22. November l.J. , der vom Demokratischen Forum der Deutschen in Kronstadt und dem Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde organisiert worden war, um einige historische Rätsel aufzuklären, wie in seinem  Grußwort Thomas Şindilariu, Vorsitzender des Ortsforums und Leiter des Archivs der Honterusgemeinde, betonte. Dabei begrüßte er Dr. Harald Roth, Direktor des Deutschen Kulturforums östliches Europa Potsdam, und die Archäologin Dr. Daniela Marcu Istrate, die seit 2012 die Grabungen am Kronstädter Honterushof leitet. Beide Forscher haben bedeutende Beiträge zur Lösung einiger historischer Rätsel erbracht, die sich praktisch auf die Zeit vor und nach dem Deutschen Orden im Burzenland beziehen. Denn es scheint sich die Auffassung zu ändern, dass der Deutsche Orden  Kronstadt gegründet hat oder auch nicht wie der Gastgeber betonte. Somit hielten die beiden Referenten mit ihren Erkenntnissen die zahlreichen Zuhörer in Bann.

Dr. Harald Roth, der sich nur für wenige Stunden an diesem Tag in Kronstadt aufhielt, stellte den kürzlich erschienen Band „Generalprobe Burzenland. Neue Forschungen zur Geschichte  des Deutschen Ordens in Siebenbürgen und im Banat“, herausgegeben  von Dr. Konrad Gündisch, vor. Wie der Herausgeber in seinem Vorwort vermerkt, dokumentiert der vorliegende Band die vom Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien geförderte Tagung „800 Jahre Deutscher Orden in Siebenbürgen“, die am 5. und 6. September 2011, in Kronstadt anlässlich des da mit großem Erfolg veranstalteten Sachsentreffens in der Redoute stattgefunden hat.

Der Band, der im Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Wien, in diesem Jahr erschienen ist, umfasst fünf Themenblöcke, in die die Referate gegliedert worden sind: Der europäische Kontext; Siedlungsgeschichtliche Zusammenhänge; Forschungsergebnisse der Archäologie; Nachspiel im Banat von Severin; Rezeptionsgeschichte. Die Autoren der Referate, die der Band enthält, sind Thomas Wünsch, Şerban Papacostea, Marta Font, Paul Niedermaier, Adrian Andrei Rusu, Harald Roth, Adrian Ioniţă, Radu Robert Heitel, Daniela Marcu Istrate, Florin Moţei, Virgil Ciocâltean, Viorel Achim, Petre Beşliu, Harald Zimmermann und Timo Hagen.

Die Tagung 2011 in Kronstadt war etwas Besonderes und sehr gut besucht, wie Dr. Harald Roth betonte. Der vorgestellte Band ist der 96. in der Reihe, die vom Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde bisher herausgegeben wurde. In diesen wurden einige archäologische Beiträge eingewiesen, wobei er sehr spannende Aufsätze enthält, darunter über die Siedlungstopografie des Burzenlandes von Dr. Paul Niedermaier. Dr. Harald Roth empfiehlt diesen Band als besondere  Lektüre. Der Deutsche Orden hat sich bekanntlich aus dem Burzenland 1225 zurückgezogen. Nun wurde aber  dessen Nachfolgeorganisation – der „Orden der Brüder vom Deutschen Haus Sankt Mariens in Jerusalem“ – auf das Burzenland aufmerksam und entsandte eine Delegation zu einem Besuch  auch nach Marienburg. (Die ADZ berichtete). Mit neuen Erkenntnissen über den Deutschen Orden und die Anfänge der Siedlung Corona  hat Dr. Harald Roth in seinem 2010 erschienenen Band „Kronstadt in Siebenbürgen. Eine kleine Stadtgeschichte“ großes Aufsehen erregt.

Besonders spannend wurde der zweite Teil des Vortragsabends, den die Archäologin Dr.  Daniela Marcu Istrate an Hand zahlreicher Illustrationen bezüglich der vorgenommenen Grabungen am Honterushof  gestaltete. Die vorgelegten Daten sind nur Teilergebnisse der 2012 und 2013 vorgenommenen Grabungen. Zwar besteht der erste dokumentarische Vermerk von Kronstadt aus dem Jahre 1235, doch wissen wir eigentlich noch sehr wenig über die Anfänge der Stadt und die Kirche. Der Bau der Marienkirche wurde voraussichtlich vor 1383 eingeleitet und 1499 abgeschlossen.

Was die Orientierung des Kirchenbaus betrifft, ergab diese viele Rätsel und widersprüchliche Meinungen, doch wird sie diese in Zusammenhang mit der Heiligen Corona gebracht. Die vorgenommenen Grabungen wurden nicht als archäologische  Arbeiten genehmigt sondern aus baulichen Gründen.  Doch nach den ersten Spatenstichen hat sie als Leiterin ein Programm für Standardgrabungen eingeleitet. Ein ursprünglicher Plan, wie sie betonte, wurde auf Anraten des Historikers Gernot Nussbächer geändert.

Auch mussten die Grabungen stark erweitert werden, da viele Ruinen zum Vorschein kamen. Auch war die Erforschung des da entdeckten Friedhofs nicht ihr Ziel gewesen. Und Grabungen müssen noch vorgenommen werden, doch wegen Beginn des Schuljahres mussten diese eingestellt werden. Mit einigen der bisher erzielten Ergebnissen machte die Referentin die interessierte Zuhörerschaft vertraut. Bisher konnten 1477 Grabstellen  sowie eine Reihe von ehemaligen Wohnungen entdeckt werden, deren Mauern bis unter die heutigen Gebäude auf der Westseite der Kirche sich erstrecken. Rund 95 Prozent der Funde stammen aus der Zeit vor dem Kirchenbau. Die verschiedenen Bauetappen führten auch dazu, dass die vorigen von den neuen immer zerstört oder in Mitleidenschaft gezogen wurden. Weiterer Schaden wurde dann durch die Einführung der Kanalisation zugefügt.

Schwierig wurden die Grabungen nicht nur dadurch, sondern auch wegen der vielen Baumwurzeln, die sie einpackten, um nicht beschädigt zu werden. Bei den bisher durchgeführten Grabungen waren die im Einsatz stehenden Archäologen und Hilfskräfte, die einschließlich aus Häftlingen bestanden, bemüht  auch die geringsten Informationen sicherzustellen, um ein glaubwürdiges Ergebnis ausarbeiten zu können.

Was den Friedhof betrifft, betonte die Referentin, dieser sei unterschiedlich gegenüber der letzten Ruhestätten,  die bei anderen evangelischen Kirchen Siebenbürgens entdeckt wurden. Meist sind das Pfarrfriedhöfe, während es sich im Umfeld der Schwarzen Kirche um Familienruhestätten handelt.  Der zweite Unterschied besteht darin, dass nach der Reformation die Friedhöfe  außerhalb der Ortschaft verlegt wurden, was nicht auch hier geschehen ist. Die Feldforschungen, die der schwierigste Teil  bei den Grabungen ist, hat bisher 170 Münzen, 1500 Metallgegenstände und schätzungsweise 10.000 Keramikfragmente ans Tageslicht gebracht.

Die Münzen stammen aus der Zeit 1330 bis 1389. Jetzt fällt den Fachleuten die Aufgabe zu, diese zu inventarieren, sie zeitlich einzustufen. Vorläufige Schlussfolgerungen zeugen davon, dass die ersten Wohnungen um das Jahr 1200 von ersten Kolonisten, die ins Burzenland kamen, stammen. Wiederhergestellt werden können sie nicht, da sie stark zerstört sind.  In einer zweiten Etappe, die auf die Jahre 1200 bis 1241 fällt, sind die Baustrukturen schon etwas besser gewesen, darin wurden auch Holzüberreste entdeckt. Diese Spuren befinden sich in 2 Meter Tiefe.

Eine zweite Art von Wohnungen hat dann schon ein Steinfundament ohne Mörtel. Heuer wurde auch ein Vorratsgrab freigelegt, in dem sich Überreste eines Pferdeskeletts befanden. Dr. Daniela Marcu Israte bezeichnet dieses als die interessanteste Entdeckung, die heuer auf  der Grabungsstelle gemacht wurde. Desgleichen  wurde festgestellt, dass  die Ruinen der Wohnungen im Norden der Kirche  höher als die im Westen liegen. Die Überreste einer kleinen  runden Kapelle die zeitgleich mit der Kirche errichtet worden war, wurde im Süden des Chors entdeckt.

Obwohl die endgültigen Ergebnisse der Grabungen noch ausbleiben, konnte die Referentin doch einige Schlussfolgerungen vorlegen.  Vier Siedlungsetappen sind vor dem Kirchenbau zu verzeichnen und somit sind erstmalig Zeugnisse der ersten Siedler des Burzenlands  entdeckt worden. Auch wurde die Kirche  nicht an Stelle einer Kirche des ehemaligen Kloster gebaut, da alle alten Strukturen eine andere Orientierung haben.

 Was die Perspektiven der Grabungen betrifft ist vor allem diese zum Abschluss zu bringen, die Restaurierung der Materialien, das Inventar und das Fotografieren dieser durchzuführen, die wissenschaftliche Interpretation der Funde zu geben.