Eine beherzte Rede und die Folgen

Denkmal-Ambulanz um Eugen Vaida unternahm Notsicherungen an der Abtsdorfer Kirche

Die neu gedeckte Südseite des Kirchendaches

Ambulanz-Leiter Eugen Vaida im Einsatz

Gruppenfoto nach dem Befestigen eines der fünf Stützbalken: Bürgermeister Timotei Păcurar (2.v.r.), daneben Stefan und Eugen Vaida, HOG-Vertreter Horst Ungar (2.v.l.) mit freiwilligen Helfern. | Fotos: HOG Abtsdorf

Katharina Stefani hielt eine beherzte Rede und half bei den Sicherungsarbeiten mit.

Der Südwestpfeiler war zusammengebrochen.

Das Gebäude der evangelischen Kirche ist in erbärmlichem Zustand. Steigt man die Treppen zur Kirchenburg in dem an der Großen Kokel gelegenen Abtsdorf/}apu hinauf, deuten bereits die mit Vegetation bewachsenen Mauern darauf hin, dass die Anlage vernachlässigt ist. Diese Vermutung bestätigt sich beim Schreiten durch den blitzsauberen, weiß getünchten Torturm: Von den Mauern der Kirche ist die Tünche abgeblättert, die Feuchtigkeit kriecht die Wände hoch, die stellenweise einzubrechen drohen, ein Außenpfeiler ist eingefallen.

Das Heulen muss jeden überkommen, der ein klein wenig Respekt und Verständnis hat für Gotteshäuser: Von dem Altar wurden Bilder gestohlen, ebenso ein Teil der Orgelpfeifen, entlang der Wände wurde eine Drainage angelegt, das Verwenden von Beton für die Reparaturen hat die Feuchtigkeit jedoch hochgetrieben. Die Chorbögen wirken angeknabbert. Dass alles verstaubt ist, liegt nicht so sehr an der derzeitigen Baustelle im Hof, sondern an der Tatsache, dass hier 2018 zum letzten Mal ein Gottesdienst stattgefunden hat – nach über 20 Jahren Pause! Anlässlich eines Heimattreffens in der Heimatgemeinde. Seither bröckelt und verstaubt die Kirche. Im Dorf nahe Kleinschelken/[eica Mic˛ im Mediascher Kirchenbezirk verfügt die evangelische Gemeinschaft über ein einziges Mitglied.  

Die Evangelische Landeskirche hat weder die Mittel noch die Kraft, um alle Baudenkmäler der siebenbürgisch-sächsischen Kulturlandschaft vor dem Verfall zu retten. Die Abtsdorfer Kirche sollte abgestoßen, d. h. verkauft werden, so die Meldungen in rumänischen Medien im Jahr 2017 (etwa „Biserica Evanghelică: Bisericile fortificate nu sunt de vânzare“, in „Turnul Sfatului“, 1. August 2017).

Und das, obwohl es sich um eine aus dem 15. Jahrhundert stammende Saalkirche mit spätgotischen Stilformen handelt, in deren Torturm eine Glocke aus dem Jahr 1623 hängt. Das Ruder ihres Schicksals riss eine beherzte Rede von Katharina Stefani von der Heimatortsgemeinschaft (HOG) Abtsdorf um, die sie in Bad Kissingen bei einer Versammlung der HOG-Vertreter hielt. Der Historiker Martin Rill bot daraufhin Hilfe an, sprach mit den Leuten des HOG-Vorstands und überzeugte sie, vom Verkauf abzusehen und den Versuch zu unternehmen, die Kirchenburg zu retten. Er leitete die Vermittlung zum Mediascher Bezirkskonsistorium ein und es kam zur Unterzeichnung eines Konzessionsvertrags, für die Dauer von vorerst zehn Jahren.

Von Fachleuten beraten, nahmen Vertreter der HOG zeitgleich Kontakt auf zu der bekannten „Denkmal-Ambulanz“ (Ambu-lan]a pentru Monumente), der von Eugen Vaida geleiteten (mehrfach auch international preisgekrönten) Organisation für Notmaßnahmen und Sicherungsarbeiten an gefährdeten Baudenkmälern. In mühevoller Kleinarbeit und dank beherzter Hilfe mehrerer Experten wurde die Dokumentation zusammengetragen, um von der Kreisdirektion Hermannstadt/Sibiu die Genehmigung für die Notsicherungsmaßnahmen zu erhalten.

Wie im Vorjahr versprochen, rückte der Ambulanz-Trupp am 8. Juni an und begann, die Gerüste aufzubauen. Zuvor war Timotei Păcurariu, der Bürgermeister von Feigendorf/Micasasa (dem Abtsdorf verwaltungsmäßig zugehört) eigenhändig mit Traktor und Motorsense aufgefahren und stutzte die Sträucher, während Vizebürgermeister Adrian Suciu mit einem Planierschild den Weg ebnete, damit die notwendigen Baumaterialien zur Burg gebracht werden können. Die beiden Kommunalpolitiker hatten mit der Ambulanz bereits in Feigendorf bei den Notmaßnahmen am Brukenthal-Palais gut kooperiert und packten auch bei den weiteren Arbeiten in Abtsdorf beherzt an.   

Bis zum 3. Juli dauerte das Workcamp, das im Beisein von zwei Vertretern der Abtsdorfer HOG – Katharina Stefani und Horst Ungar – unter der fachkundigen und strengen Anleitung und mit unermüdlichem Einsatz der Brüder Eugen und Stefan Vaida durchgeführt wurde. Ihnen zur Seite stand der Steinrestaurator Ionu Dobra sowie der französische Steinmetz Elois Thiollier, die weiteren Freiwilligen, hauptsächlich Studierende, kamen aus Klausenburg/Cluj-Napoca, Bukarest, Kronstadt/Brașov, Craiova, Temeswar/Timișoara und anderen Ortschaften im Land.

Sie haben unter anderem den Dachstuhl der Kirche gesichert, die Südseite des Kirchendaches sowie das Dach der Eingangshalle neu gedeckt und den Südwest-Stützpfeiler komplett neu aufgebaut. Noch ungeklärt war die Finanzierung, doch wurden auch Regenrinnen angebracht, um das vom Regen ausgewaschene Mauerwerk zu schützen.

Berechtigt ist die Frage, was nach der Notsicherung mit der Kirchenburg geschieht. Der Gottesdienst beim einmal jährlich stattfindenden Heimattreffen würde die Renovierungs- und nachher Instandhaltungskosten nicht rechtfertigen. Vorausgesetzt, man findet überhaupt die Mittel dafür. Die HOG – die Abtsdorfer evangelische Gemeinschaft war nie groß, in den 1970er Jahren zählte sie um 380 Mitglieder – hatte 2010 die Renovierung des Torturms gesichert, für jene der Kirche und Burg kann sie allein keineswegs aufkommen.

Nachgedacht wird über eine kulturelle Nutzung, und zwar auch beim Bürgermeisteramt in Feigendorf. Die beiden jungen Bürgermeister wissen, dass eine Kirchenburg Touristen anlockt – zumal es auch im Nebenort Kleinschelken eine gibt –, und dass geschicktes Vermarkten, eventuell zusammen mit dem Brukenthal-Palais, der Gemeinde zu Gute kommen kann. Auf diese Weise könnte noch ein Stein des siebenbürgisch-sächsischen Kulturerbes gerettet werden.

Einer Meldung in der Hermannstädter Online-Publikation „Turnul Sfatului“ vom 1. Mai dieses Jahres zufolge hat das Nationale Institut für Kulturerbe die Begründungsstudien ausgeschrieben, die für ein Projekt zur Konsolidierung, Restaurierung und Nutzung der Kirchenburgen in Abtsdorf, Weingartkirchen/Vingard, Törnen/Păuca und Reussen/Ruși notwendig sind. Für die komplexen Arbeiten hat sich bislang im Fall von Abtsdorf keine Firma gemeldet. Entstehen könnte in dem kleinen Dorf in naturbelassener Landschaft, das demnächst über eine asphaltierte Landkreisstraße nicht bloß von Marktschelken/Șeica Mare und Kleinschelken, sondern auch über Salzburg/Ocna Sibiului – Loamneș – Schorsten/Șoroștin  (von der Autobahn Arad – Hermannstadt abzweigend) erreicht werden kann, ein Schmuckkästchen, das zum Beispiel für Veranstaltungen genutzt werden kann. Nach der sorgfältigen Wiederherstellung der einstmals vorhandenen Vorratskammern an der Innenseite der Burgmauer könnte dort ein kleines Museum, ein Burg-Café mit Laden für Ortsprodukte und Ähnliches eingerichtet werden. Und weitere Ideen lassen sich sicher noch finden.