Eine Chance für Goldbach

Der Aktivist Tică Darie will sich auch als Bürgermeister einsetzen

Blick auf das Zentrum der Gemeinde Goldbach Foto: Casa Petri

Tică Darie ist ein Name, den viele seit den Protesten aus Goldbach/Roșia Montană kennen. Der junge Aktivist setzt sich seit 2012 für die Bergortschaft in den Westkarpaten ein. Er hat Europa zweimal mit dem Fahrrad durchquert, um die Botschaft „Save Roșia Montană“ (Rettet Roșia Montană) zu vermitteln, hat den Menschen von den katastrophalen Folgen des möglichen Goldabbauprojekts erzählt – des größten Europas. Für die Gewinnung der rund 300 Tonnen Gold und 1600 Tonnen Silber, die hier liegen, müssten vier Berge abgetragen und drei Dörfer umgesiedelt werden. Das wunderschöne Gebiet müsste für materielle Zwecke geopfert werden. Das hochgiftige Zyanid, mit dessen Hilfe das Edelmetall abgebaut wird, würde in einen Abraum in einem nahe gelegenen Tal gelagert werden, die Umweltrisiken wären erheblich. In der Gegend um Goldbach liegt Europas größtes Goldvorkommen. Aber auch ein kulturelles Erbe: die römischen Galerien, wo Römer schon vor 2000 Jahren nach Aurum geschürft haben. Seit mehr als 20 Jahren herrscht im Dorf Ungewissheit. Bislang hat der Einsatz der Zivilgesellschaft und mancher Anwohner das Zerstörungswerk verhindern können.

Der Förderer, das kanadische Unternehmen RMGC (Roșia Montană Gold Corporation), verliert somit Unmengen an Geld und hat den rumänischen Staat angeklagt. Ein internationales Schiedsgericht in Washington wird in diesem Jahr entscheiden, ob in Goldbach nach Erz gegraben werden darf oder nicht.

Der 28-jährige Darie, der in Suceava geboren ist und in Dänemark Design und Multimedia studierte, hat sich vor sieben Jahren in Roșia Montană niedergelassen. Vor fast drei Jahren kam seine Tochter Mira (vom rumänischen „Miracol“/Wunder), zur Welt – das erste Kind, das in den letzten 30 Jahren im Dorf geboren ist, wie der stolze Vater berichtet. „Ich will für mich und meine Familie hier eine Zukunft aufbauen“, sagt er. Ein ansteckendes, breites Lächeln trägt er ständig auf dem Gesicht. Ein gutes Leben will er für alle Kinder wie auch für alle Bewohner aus der Gemeinde.

In diesem Sinne veranstaltet er seit Jahren, im Rahmen des von ihm gegründeten Pfadfindervereins, unterschiedliche Aktionen mit Minderjährigen. 2013 startete er das mittlerweile international bekannte Projekt „Made in Roșia Montană“, das hochqualitative handgemachte Wollprodukte anbietet. Den 30 Frauen aus den Gemeinden um das Bergbauerndorf, die die schön gefärbten Socken, Mützen, Schals und Pullover stricken, sichert diese Tätigkeit ein Einkommen. Die meisten dieser Frauen leben von kleinen Renten oder Sozialhilfe. Seit die Mine geschlossen wurde, herrscht große Armut in der Gemeinde, viele Goldbacher sind weggezogen. Das Dorf scheint leblos und verlassen.

Zahlreiche Prachtgebäude, die unter Denkmalschutz stehen und im Besitz der Gesellschaft RMGC sind, fallen zusammen. Auch das Gebäude, in dem einst die deutsche Schule den Unterricht abhielt, oder das ehemalige Kasino sind zu Ruinen verfallen. Diese architektonischen Schätze will der Aktivist nicht so verkommen lassen. Er hat ein solches baufälliges Haus im Stadtzentrum gekauft und restauriert es gemeinsam mit Fachleuten. Hier führt er seine Aktivitäten durch und will es zum Kern der Gemeinde verwandeln.

„Ich hätte sonstwo leben können, hätte meine Energie, Zeit, mein Leben einem anderen Ort widmen können. Aber ich habe mich entschieden, Ro{ia Montan˛ zu meinem Zuhause zu machen... Ich liebe Roșia Montană!“, erklärt Darie in einem Video, das auf seiner Facebook-Seite zu sehen ist. Es ist einer der Kurzfilme, die für ihn als Bürgermeister des Bergdorfs werben. Schon vor vier Jahren ist er für dieses Amt angetreten, nun versucht er es erneut – wieder als unabhängiger Kandidat. Sechs Politiker kämpfen um diesen Platz.

„Man braucht einen Bürgermeister mit Vision, der kompetent und entschlossen ist“, erklärt Darie. Sein Wahlangebot ist sehr schlicht und klar und offensichtlich anhand der Bedürfnisse der Einwohner entstanden. Eine nachhaltige Vision geht daraus hervor.

Die Gemeinde und dessen umliegenden Dörfer brauchen Versorgungseinrichtungen, geschotterte, asphaltierte Straßen und markierte Wege, ein lokales Netzwerk zur legalen und gerechten Verteilung von Brennholz. Eine Krankenstation und eine Apotheke in Goldbach sind nötig sowie eine moderne Schule, die die Schüler auch mit einem attraktiven Angebot an außerschulischen Tätigkeiten anziehen soll. Die Modernisierung der Turnhalle der Schule und die Sanierung des vorhandenen Stadions, aber auch das Gründen von Sportklubs verfolgt der Endzwanziger, um vor allem junge Leute an den Ort zu binden. Das alles hat Darie in seinem Wahlangebot. Auch für die Kultur und den Erhalt des kulturellen Erbes (auch durch die erstrebte Aufnahme des historisch bedeutenden Bergbaukomplexes in das UNESCO-Welterbe) will er sich einsetzen und somit Touristen anziehen.

Dafür sollten die historischen Minen sowie das Bergbaumuseum der Stadtverwaltung unterstellt werden. Pensionen, Restaurants sowie weitere Dienste, die den Touristen zugute kommen, würden zahlreiche Arbeitsplätze schaffen. Wenn das vorhandene Potenzial richtig ausgeschöpft würde, könnten weitere Jobs geschaffen, der Ort wiederbelebt werden. Nach dem Modell seines erfolgreichen sozialen Strickwarenprojekts will Tic˛ Darie eine neue lokale Milchprodukte-Marke gründen: „Made in Vârtop“. Ein Industriepark im eingemeindeten Dorf Cărpiniș soll Firmen anziehen und unterstützen, unterschiedliche Produktionen aufzunehmen. Auch könnten Investoren in vom Bürgermeisteramt gemieteten Gebäuden Unternehmen einrichten.

Die zurzeit eher isolierten Gemeinden und Ortschaften sollen miteinander, aber auch mit den umliegenden Städten vernetzt werden. Einen ersten Schritt in diese Richtung hat Darie schon gemacht. Die Buslinie Goldbach - Câmpeni - Goldbach ist, dank der von ihm gesammelten Spenden, seit Anfang September wieder in Betrieb. Weitere Strecken folgen. Die Gegend soll durch kostenlosen Internetzugang mit der gesamten Welt vernetzt werden.

Der Aktivist hat viel vor und hofft, durch den Einsatz und den Willen der Menschen, durch EU-Fördermittel und durch eine kluge Verwaltung das Dorf und die umliegenden Gemeinden aufblühen zu sehen. Die von ihm angebotene Änderung würde ein bisschen von dem Wunder, von dem der Namen seiner kleinen Tochter Mira spricht, ermöglichen.