Eine E-Mail an Molière

Neuer Skandal im Deutschen Staatstheater

Temeswar (ADZ) – Für landesweite Schlagzeilen sorgte diese Tage eine Enthüllung des Staatssekretärs im Kulturministerium, Ion Ardeal Ieremia, der über Facebook Bürgermeister Nicolae Robu aufgerufen hatte, endlich die Leitung des Deutschen Staatstheaters Temeswar (DSTT) einem Profi anzuvertrauen. Ieremia erzählte, dass eine unlängst angestellte künstlerische Beraterin ihre Kollegen nach der E-Mail-Adresse des französischen Dramatikers Molière (1622 - 1673) gefragt hatte, um mit diesem über Autorenrechte zu verhandeln.

Ieremia, der sich über die Allgemeinbildung der Beraterin entrüstet zeigte, schrieb, dass er von dieser Frau nie etwas gehört habe und dass es überhaupt nicht angehe, dass eine traditionsreiche Institution wie das DSTT nur wegen der Ambitionen des Bürgermeisters auf ein derartiges Niveau sinkt. Während Elisa Covaci, die Beraterin, gegenüber der Temeswarer Presse erklärte, dass Molière „zwischen ´22 und ´73“ (!) gelebt habe, verneinte die interimistische Leitung des Theaters die von Ieremia geschilderte Geschichte und verwies darauf, dass sich das Deutsche Staatstheater weiterhin großer Publikumsaufmerksamkeit erfreue und nicht akzeptieren könne, dass sein guter Ruf in den Dreck gezogen werde. Das Theater wolle nicht in politische Querelen hineingezogen werden, Elisa Covaci habe den Fehler, der ihr nachgesagt werde, einfach nicht gemacht.

Auf die Ereignisse hingewiesen, sagte Bürgermeister Nicolae Robu, dass es sich womöglich um einen Scherz handele, vielleicht sei die Rede von einem Molière, der in der Gegenwart lebe. Die Geschichte sei zum Lachen, aber eher zum Weinen, so Robu. Sollte sie sich bewahrheiten, könne die Dame nicht weiterhin den Posten eines künstlerischen Beraters bekleiden, setzte der Bürgermeister fort. Was die Leitung des DSTT angehe, könne er gegenwärtig nichts tun und müsse auf ein endgültiges Gerichtsurteil warten. Der ehemalige Intendant, ein laut Robu charakterloser Mensch, hätte mehrere Prozesse angezettelt, obwohl er ihm vorgeschlagen habe, das Theater interimistisch weiter zu leiten, sagte der Bürgermeister. Es gäbe Menschen, die nicht arbeiten wollen, sich aber durch Gerichtsklagen bereichern, setzte Robu fort. Wie die ADZ berichtete, gaben die Temeswarer Gerichte dem ehemaligen DSTT-Intendanten Lucian Vărşăndan wiederholt recht. Die Ausschreibung der DSTT-Leitung und die Auswahlprozedur, für die das Bürgermeisteramt zuständig ist, waren laut endgültigem Gerichtsurteil illegal; Vărşăndan hatte das Recht, am Auswahlverfahren teilzunehmen und konnte nicht ausgeschlossen werden. Da der Bürgermeister sich weigert, endgültige Gerichtsurteile umzusetzen, hat das Temescher Gericht in erster Instanz eine Verzugsstrafe in Höhe von 20 Prozent des Mindestbruttolohns pro Tag verhängt, das Temeswarer Berufungsgericht verhandelt gegenwärtig die von Robu eingelegte Revision. Das Theater wird währenddessen von Ioan Boldureanu geleitet, einem 62-jährigen Mechanikingenieur, der selbstverständlich jene Bedingungen nicht erfüllt, die das Bürgermeisteramt an Vărşăndan gestellt hatte.