Eine komplexe Situation

Was tun, wenn der Bär zur Bedrohung wird?

Die zerstörten Imkerkästen und -Rahmen, die der Bär in alle Richtungen geschleudert hat. Bild: Carol Nagy

20 Bienenfamilien hat Carol Nagy Ende März verloren. Ein Braunbär hat die Imkerei und damit Nagys jahrelange Arbeit in zwei Nächten zunichte gemacht. An fünf Stellen hat das Tier den zwei Meter hohen verschweißten Metallzaun, der die elf Hektar von Nagys Grundstück umgibt, gerissen. Keine Biene hat überlebt. Spuren von Bärentatzen sind auf den Holzbrettern, aus denen die Imkerei gebaut wurde, zu sehen, die Tür ist eingerissen. Scherben liegen rings um das kleine Gebäude, Imkerkasten und Rahmen können nicht mehr benutzt werden. Seither wurde Nagys Land in Sommerburg/Jimbor, in der Nähe von Reps/Rupea, im Kreis Kronstadt/Braşov mehrmals vom Bären besucht worden (es ist ungewiss, ob es immer wieder derselbe Bär war), der nun versuchte in einen Stall zu gelangen, den sich vietnamesische Schweine, Kamerunschafe, Zwergziegen und Geflügel teilen. Der Eigentümer des Parks und sein Angestellter haben den Bären letztendlich mit Lärm verscheuchen können.

Nagy hat die Lokalbehörden benachrichtigt, hat aber weder eine Entschädigung erhalten, noch die Sicherheit, dass er und sein Haushalt im Notfall vor dem Wild geschützt werden wird.

Jetzt hofft er auf Hilfe seitens des Umweltministeriums. Im Repser und Fogarascher Umfeld, aber auch in den Kreisen Harghita, Covasna und Mureş, wo die größte Bärenpopulation Rumäniens lebt, sind solche Zwischenfälle keine Seltenheit. Immer wieder werden Schafe, Schweine und Kühe dort gerissen, es kam auch zu Angriffen auf Menschen, manche endeten tödlich.

Jägerverbände und Lokalbevölkerung fühlen sich machtlos

„Wir sind machtlos, wir können nichts tun. Die großen Beutegreifer stehen unter Naturschutz“, erklärt Ioan Mitric, Leiter des Vereins der Jäger und Sportangler aus Reps, der das Jagdrevier Racoş verwaltet, wo sich Nagys Boden befindet. Seiner Meinung nach müsse man „entschieden“ mit Situationen umgehen, in denen der Bär den Menschen, dessen Heim und Tiere angreift, was bedeutet: Das Tier erlegen. „Es ist nicht normal, dass in solchen gefährlichen Situationen weiterhin der Bär beschützt wird, nicht der Mensch und sein Heim“, ist seine Meinung. In jedem der fünf Jagdreviere, die der Verein verwaltet – Schweischer/Fişer, Galt/Ungra, Deutsch-Tekes/Ticuş, Racoş und Comana – reiche der Lebensraum für etwa acht Bären aus. Tatsächlich sollen aber 30 bis 35 Exemplare in jedem Revier leben. „Viel zu viele, ihr Wachstum ist unkontrolliert, es besteht kein natürliches Gleichgewicht mehr“, sagt Mitric.

Die Überpopulation der Braunbären in den Rumänischen Karpaten ist seit Jahren ein umstrittenes Thema, zu dem aber bislang keine Lösung gefunden wurde. Die Anzahl dieser Tiere wächst von Jahr zu Jahr, sodass etwa Bärenmütter und ihre Jungen, Jungtiere und schwache Exemplare den Wald verlassen müssen, um Nahrung zu finden. So kommen sie Siedlungen und Menschen immer näher und verlieren ihre Scheu vor diesen. Videos und Fotos zeigen sie auf Straßen in Städten, in Höfen, auf Skipisten.

Kontrollierte Bärenjagd wäre die beste Lösung, um die Bärenpopulation und somit die bestehende Gefahr zu verringern, glaubt der Vorsitzende des Forstamts Kronstadt (RPL-Kronstadt) Dan Olteanu. Dagegen sprechen allerdings internationale Konventionen, an die Rumänien gebunden ist, die das große Raubtier schützen. Das Töten von Wildtieren sei die allerletzte Lösung, erklären dagegen verschiedene Nichtregierungsorganisationen. Es müsse aber nicht erst soweit kommen, zumal es effiziente Methoden gibt, die Tiere von Menschensiedlungen fernzuhalten. Diese müssten allerdings auch eingesetzt werden.

Prävention ist nötig

„Man muss mehr auf Prävention setzen“ sagt Cristian Papp, Regionalkoordinator der Schutzgebiete bei WWF (World Wide Fund For Nature), einer der größten internationalen Natur- und Umweltschutzorganisationen. Elektrozäune, Schutzhunde bei Schäfereien oder Videoüberwachungssysteme, die beim Eindringen wilder Tiere die Behörden benachrichtigen, die dann schnellstens eingreifen, könnten tragischen Zusammentreffen vorbeugen.

Die Stiftung „Conservation Carpathia“ (FCC), die vier Jagdgebiete im Fogarascher Gebirge verwaltet, verfügt für Fälle wie die von Carol Nagy über Einsatztruppen, die gemeinsam mit der Gendarmerie in kürzester Zeit eingreifen können. Die Tiere werden mit Gummikugeln oder Leuchtraketen verscheucht. Außerdem gibt es Gummikugeln mit Farbe, die zur Markierung und somit der Verfolgung der Bären angewendet werden. Der schnelle Eingriff sei wichtig, sagt Papp, und sollte am besten auf Lokalebene entschieden werden: Denn derzeit muss das Umweltministerium problematische Situationen wie Nagys lösen. Das dauert Tage, wenn nicht Wochen, was auf Kosten der Bevölkerung geht.

Die Umsiedlung hat sich in den letzten Jahren als ineffizient erwiesen, ein Transfer ins Ausland ist laut der aktuellen Gesetze nicht möglich. „Es ist eine Frage des Willens“, erklärt Christian Promberger, Geschäftsführer der FCC. Er findet, das gesamte Bärenmanagement in Rumänien sei falsch und müsse von Grund auf neu gedacht werden. Da seien die Investitionen der letzten 15 Jahre (rund 225.000 Euro) in diese Richtung unbedeutend, findet Papp. Es müsse auch in gutes Müllmanagement investiert werden, damit die Bären nicht mehr in Containern am Stadtrand nach Futter suchen. Zudem wäre eine genaue Bärenzählung hilfreich. Diese könnte ein realistisches Bild davon liefern, ob sich tatsächlich zu viele Exemplare den Lebensraum teilen und die Population verringert werden muss, oder ob sie ausreichend Platz haben in den Wäldern. Teil des komplexen Problems sind auch die Menschen, die durch Abholzung, Forstarbeiten, motorisierten Tourismus und Baustellen das Wild aus ihrem natürlichen Lebensraum verscheuchen. Außerdem gibt es immer noch Leute, die diese Raubtiere füttern und sie regelrecht an den Stadtrand locken, um sie zu fotografieren.

Einzelfälle sollen kein Vorwand für Trophäenjagd sein

Die Einzelfälle, bei denen Bären immer wieder Schaden anrichten, sollten aber keinesfalls als Vorwand für Trophäenjagd benutzt werden, meint Promberger. Bären- und Trophäenjagd wurde hierzulande jahrzehntelang praktiziert, wofür die Tiere mit Nahrung an bestimmten Orten gezüchtet wurden. Seit 2016 stehen Bären, Wölfe, Luchse und Wildkatzen in Rumänien unter Naturschutz und dürfen nur unter besonderen Bedingungen erlegt werden, und zwar, wenn sie eine reale Bedrohung darstellen oder ihre Anzahl zu hoch ist. Schon vor mehreren Jahren hieß es, das Umweltministerium erarbeite eine Methodologie zur Verwaltung der Braunbären in Rumänien. Getan hat sich anscheinend nicht viel. Jetzt wird internationale Hilfe gesucht. Im Februar diesen Jahres wurde dem Petitionsausschuss des Europäischen Parlaments eine gemeinsame Petition der Kreisratsvorsitzenden aus Harghita, Mure{, Covasna und Kronstadt vorgelegt, die eine „beruhigende Lösung für die Menschen“ verlangt.

Rumänien hat den größten Bärenbestand Europas. Etwa 6700 der europaweit 18.000 Exemplare wurden 2016 von den Jagdverbänden des Landes gemeldet. Die Zahl ist aber nur geschätzt, erklären die NGOs, weil die Bärenzählung nicht richtig durchgeführt werde. Bis diese komplexe Situation geregelt wird, können Nagy und andere Bürger, die unangenehme Erfahrungen mit Bären machten, auf Entschädigungen und keine weiteren Zwischenfälle hoffen.