Eine Performance zum Theater des Ichs

Fotos: DFBB

Carmen Elisabeth Puchianu bot am 20. August 2022 im West-Theater aus Reschitza innerhalb der Deutschen Literaturtage die Uraufführung des Ein-Personen-Stücks Entsorgt. Theater des Ichs. Eine Carpatesca cum Persona mit Live Musik und Videocollagen.

Bekannt als Autorin, die ihre eigenen Text performativ vorträgt, gewährt Carmen Elisabeth Puchianu dem Publikum als Darstellerin in eigener Regie mittels Monologen, eingeschalteten Zwischenspielen, Videocollagen und Musikinterludien Einblick in ihre Gedankenwelt und ihr Gefühlsleben. Was gibt sie preis, was verschweigt sie in ihrem spielerisch durchdachten Bühnenauftritt?

Das Vorspiel der als Burleske („Karpateske“) gedachten Eigenproduktion beginnt mit einer beeindruckenden, atmosphärischen nonverbalen Szene, die den Zuschauer an die Welt des Noh Theaters erinnert. Eine vermummte Gestalt, mit einer Doppelmaske, befreit sich mit minimalistischen Bewegungen aus ihrem kokonkaften Gewand, einer schwarzen Folie, und durchschreitet mit kleinen Schritten die Bühne. Parallel dazu sind Filmsequenzen zu sehen, begleitet von einem Vortrag des Gedichts „Staubfänger Tod“, das die Überleitung zur ersten Szene vorbereitet.
Schon die erste Aussage der Protagonistin in der Anfangssequenz warnt den neugierigen Zuschauer, dass sie sich auf ein Selbstbekenntnis vorbereitet, sich auf das bloße ICH konzentriert, ohne ihre sonstigen Rollenspielchen vorzutäuschen. „Heraus aus den Rollen, hörst du?... Zeit, Farbe zu bekennen.“ Die gesamte Vorstellung wird leitmotivisch von einem stets evozierten Dossier dominiert. Das Zusammenstellen des Dossiers bedeutet eigentlich das Aufräumen der eigenen Existenz, das sämtliche Rückblenden und zugleich eine straffe Selektion der Erinnerungen voraussetzt.

Drei als lose Selbstgespräche intendierte Monologe verwandeln sich in einen imaginären Dialog mit einer Schneiderpuppe, dem stummen Alter Ego der Protagonistin. Ein Sammelsurium an Themen überflutet die Zuschauer, blendet sämtliche Motive ein, wie beispiels-weise Alter und Jugend, Gesundheit und Krankheit, Schreib- und Kochblockade, Träume bzw. Alpträume, Fortschritt und Fortschreiten, Banalitäten des Alltags vs. Lebensphilosophie usw.

All dies soll im Dossier des Daseins sorgfältig zusammengestellt werden, um schließlich abgegeben zu werden. Damit wird alles Erlebte und Gedachte ent-sorgt. „Jetzt, wo alles abgeschlossen und in einem Dossier zusammengefasst und aufgeräumt werden muss, denke ich, kann ja auch die Sorge ad acta gelegt werden... sozusagen alles wird ent-sorgt!...“ Es stellt sich heraus, dass der Tod das Hauptmotiv des gesamten monologischen Konglomerats ist, der mittels Einfallsreichtum, Selbstironie und Witz relativiert wird.
Tiefsinn und Witz wechseln sich in einem raschen Tempo ab, gespickt mit floskelhaften Ausdrücken in rumänischer, ungarischer und englischer Sprache.

Ein Überraschungselement stellt das Einfügen von Ludwig van Beethovens parodistischem dreistimmigen Kanon „Signor Abate“ dar, welcher den Sprachschwall unterbricht und danach sporadisch wie ein Echo erklingt. Der Einsatz dieses musikalischen Intros, von der Darstellerin interpretiert, nebst den anderen Musikeinlagen und der Choreographie vervollständigen die Inszenierung. Die bedacht ausgewählten Bühnenrequisiten versinnbildlichen ihrerseits atmosphärisch den Raum der Erinnerung, das Sammelsurium eines irdischen Daseins.

Das Einsetzen eines roten Stricks, der alle Objekte in einer gewagten Choreographie umschließt, symbolisiert den roten Faden des collagierten Theatertextes, der sich mit Prosapassagen und Gedichten aus den Werken der Autorin nährt, verwoben mit Zitaten, Adaptationen oder Überarbeitungen aus dem Kanon der Literatur, vorwiegend von Samuel Beckett, Wilhelm Busch, Franz Kafka, Eugčne Ionesco, Thomas Mann und Rainer Maria Rilke. Mit besonderer Leichtigkeit wird das intertextuelle Spiel in Szene gesetzt, wobei Puchianus Vorliebe zum absurden Theater zum Vorschein kommt, die sie in kleine Gags über- bzw. umsetzt, die das spontane Lachen provozieren.

Die drei Monologe und die drei Zwischenspiele enden im Nachspiel des Monodramas mit einem Sprachenwirrwarr, in einem gestisch-mimischen Spiel, das bildlich mit der Mumifizierung der Protagonistin in ihrer eigenen Sprache dargestellt wird.

Aus performativer Sicht ist die virtuose, facettenreiche Spielweise der Sprachperformerin zu schätzen, die über tragikomische Momente einen Spannungsbogen zwischen synästhetischen und visuellen Eindrücken vermittelt, die ihrerseits die tatkräftige Aussage und ihre kreative Darstellung vereinen.