Eine Rettungsdienstlerin erzählt

Ein dankbarer Beruf trotz körperlicher und geistiger Erschöpfung

Melinda Iorga im Einsatz
Foto: privat

Die gebürtige Mediascherin Melinda Iorga arbeitet an vorderster Front der medizinischen Versorgung für die Hermannstädter Rettung. In unserem Interview der Woche spricht sie mit unserem Redakteur Vlad Popa über ihren Werdegang, die Arbeitsbedingungen und die Herausforderungen ihres Dienstes unter den erschwerten Bedingungen aufgrund der aktuellen Pandemie mit dem neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2.

Wie haben Sie sich für eine berufliche Laufbahn im Bereich der Medizin entschieden, und wie kam es dazu, dass Sie beim Rettungsdienst tätig wurden?

Ich habe mir immer einen Job gewünscht, bei dem ich den Menschen helfen kann, und nach langer Suche habe ich mich für die Medizin entschieden. Ich schwankte dabei zwischen Sozialassistenz und medizinischer Assistenz. Nach dem Lyzeumsabschluss bestand ich das Abitur und machte mich nach Großbritannien auf, um dort zu arbeiten und versprach meinen Eltern dabei, zurückzukehren, wenn ich weiß, welche Hochschule ich aufsuchen will. Es verging ein Jahr, in dem ich als Kellnerin, Rezeptionistin oder Babysitterin arbeitete. Die Mutter war als Krankenschwester tätig und nahm mich ins Krankenhaus mit, damit ich hautnah miterleben konnte, was die medizinische Assistenz konkret bedeutet, und da wusste ich, welches Studium für mich geeignet ist und wohin es führen sollte.
Während des ersten Studienjahres der Allgemeinen Krankenpflege wollte ich oft aufgeben, weil der Stoff sehr schwer war und ich dabei nicht viel verstand (mein Lyzeum hatte mich für die Buchhaltung vorbereitet). Ich wollte zurück nach Großbritannien, aber da war etwas, was mich doch dazu brachte, das zweite Studienjahr anzutreten, dem Studium noch eine Chance zu geben – und ich bin froh, dies getan zu haben, weil sich die Dinge ab dem zweiten Jahr zum Guten wandten, als wir die Möglichkeit bekamen, einen Freiwilligendienst bei der Rettung anzutreten. 

Im ersten Jahr hatten mich die Krankenhäuser und ihre Abteilungen gar nicht begeistert (seitdem war ich da auch nicht mehr tätig), aber das Adrenalin beim Rettungsdienst spüre ich auch heute noch. Meinen Job würde ich jetzt um nichts in der Welt mehr aufgeben.

Anfang des zweiten Studienjahres trat ich meinen ersten Bereitschaftsdienst beim Rettungsdienst SMURD an, es war Liebe auf den ersten Blick, und da wusste ich, was ich für den Rest des Lebens tun will. Beim Antritt meines zweijährigen Freiwilligendienstes beim SMURD in Kleinkopisch/Cop{a Mic² 2012 begann ich gleichzeitig einen Freiwilligendienst bei der Rettung und bei der Notaufnahme im Kreiskrankenhaus, arbeitete dabei in Vollzeit als Registratorin bei der Klinik Polisano und ging meinem Studium nach. 

Praktisch war mein „Zuhause“ beim SMURD, der Rettung, in der Notaufnahme und bei der Polisano. Meine Mietwohnung war nur noch für das Duschen und das Schlafen da, meine Eltern flehten mich an, auch mal nach Hause zu fahren, doch fühlte ich mich mit meinem Freiwilligendienst wohler.

Nun arbeite ich bei der Rettung seit sechs Jahren (von denen zweieinhalb Jahre Elternzeit) und habe meine Tätigkeit vor rund anderthalb Jahren, in voller Notsituation aufgrund der Pandemie, wieder aufgenommen. Als ich wiederkehrte, war die Aufregung doppelt so groß, einmal wegen der Rückkehr und dann wegen der Pandemie, die uns alle überrascht hat. Aktuell hat sich die Aufregung wieder gelegt, wir haben uns alle an die Pandemie gewöhnt, die medizinischen Notfälle sind zur Routine geworden und ich bin enorm froh und geehrt, den Menschen wieder helfen zu können, Leben zu retten und einer solchen Mannschaft anzugehören.

Wie ist das Leben in einer Ehe, in der beide als Retter tätig sind?

Es ist beruhigend, weil wir es beide gewohnt sind, nachts, an Wochenenden, an Feiertagen zu arbeiten, sodass keine Diskussionen eintreten wie „Du gehst wieder in die Arbeit, wo es doch Sonntag ist und wir spazieren gehen könnten“ oder „Warum musst du an Weihnachten arbeiten“ usw. Zusätzlich sprechen wir dieselbe Sprache, besprechen die Fälle und beraten uns.

Wie hat sich Ihre Tätigkeit und die Ihrer Kollegen im Vergleich zur Zeitspanne vor der Pandemie entwickelt?

Wir haben uns mit der Zeit im Bereich der neuen Pathologie der Infektion der Atemwege mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 spezialisiert. Wir alle tun unsere Arbeit mit derselben Hingabe, demselben Professionalismus und Empathie unseren Mitmenschen gegenüber. Den Unterschied macht die Ausstattung. Wir müssen Schutzanzüge, FFP2-Masken und Gesichtsschutz tragen, was unsere Bewegungsfreiheit einschränkt und weswegen wir ständig überhitzt sind. Am schwersten ist es im Sommer.

Viele von uns wurden früher oder später mit dem Coronavirus infiziert aber ich denke, dass wir uns alle außerhalb der Arbeit infiziert haben. Wir, zum Beispiel, haben uns bei meinem Vater angesteckt, der sich wiederum in einem Geschäft angesteckt hat.

Abgesehen von der Pandemie sind die Rückenschmerzen am schlimmsten, jeder von uns hat mal daran gelitten, einige Kollegen haben deswegen sogar chirurgische Eingriffe hinter sich. Es ist eine körperlich und geistig anstrengende Arbeit. Die Rettungswagen sind, je nach Typ, mit Mannschaften von zwei oder drei Rettern bemannt, von denen einer der Rettungsfahrer ist. Wenn die Patienten mit dem Stuhl oder der Trage befördert werden müssen ist das anstrengend, sodass wir ab und an die Angehörigen oder Nachbarn um Unterstützung bitten müssen.

Wenn viele und chaotische Bereitschaftsdienste geleistet werden müssen, wie zum Beispiel Tag-Nacht-Tag oder Nacht-Tag-Nacht, dann kommt der ganze Biorhythmus durcheinander. Eine Schicht dauert zwölf Stunden. Kommen keine zusätzlichen Schichten hinzu, dann arbeiten wir 12 Stunden und haben 24 Stunden frei oder 12 Stunden und haben 48 Stunden frei, dann kann man sich erholen. 
Was die psychische Belastung angeht, weiß ich von keinem Burn Out unter den Kollegen, aber es gibt sicher Fälle, die uns belasten und über die wir lange nachdenken, die uns traumatisieren, aber auch diese vergehen, weil man sich mit den Kollegen über die verschiedenen Fälle austauscht und diese vorübergehenden Lasten von den Schultern fallen. Das ist wie eine Gruppentherapie.

Wie ist Ihrer Erfahrung zufolge die Moral in den Reihen des Rettungspersonals nach rund zwei Jahren Pandemie, drei Infektionswellen und einer vierten, die gerade eingesetzt hat?

Wir alle bedauern Verluste in den Reihen der Patienten, die vom Virus stark betroffenen Patienten, besprechen ausführlich die Fälle und beraten uns, wie wir unseren Beruf ausüben können, um die Betroffenen bestmöglich zu versorgen. Die Moral der Mannschaft ist aber gut, zumal wir in jüngster Vergangenheit eine Pause von den schweren und häufigen Fällen hatten.

Verfügt die Rettung über ausreichende Sach- und Humanressourcen, um ihre Tätigkeit gut ausführen zu können?
Mit Sicherheit, ja. Wir sind gut versorgt und das Personal wurde bereits bei Beginn der Pandemie aufgestockt. Wir hoffen, dass ihre Dienstverträge verlängert werden (diese laufen am 11. Oktober aus), ansonsten wären wir spürbar unterbesetzt.

Welche sind die größten He-rausforderungen Ihres Berufsalltags?

Der stockende Verkehr, dass dem Rettungswagen oft nicht Vorfahrt gewährt wird, die falschen Adressen, widerspenstige oder randalierende Patienten und Angehörige oder falsche Informationen betreffend die Patienten. Wer den Notdienst 112 anruft, muss die Geduld aufbringen, allen Fragen der Zentrale zu antworten, damit die zur Verfügung gestellten Ressourcen dem jeweiligen Fall entsprechen. 
Die Menschen verstehen das oft nicht und werden nervös (wobei sie vor dem Anruf bereits aufgeregt sind) und lassen bestimmte Informationen aus, was die medizinische Hilfe erschweren kann, zum Beispiel dadurch, dass anstatt eines Rettungswagens Typ C2 ein Rettungswagen Typ B2 geschickt wird. Der Unterschied ist jener, dass der nur mit Krankenpflegern bemannte Rettungswagen weniger umfassend mit Apparatur und Medikamenten ausgestattet ist als jener, der über einen Arzt verfügt und sich offensichtlich auch die Kompetenzen des Personals unterscheiden, immerhin ist der Arzt Arzt und der Pfleger Pfleger.

Gibt es in diesem Beruf, in dem Sie medizinische Erstversorgung für Menschen in Not erbringen, auch angenehmere oder gar lustige Momente?

Angenehme Momente erleben wir, wenn sich der Zustand des Patienten erheblich bessert, wenn wir klar feststellen, dass der Patient dank uns in Sicherheit ist, er wieder zu sich kommt oder wenn wir bei einer Geburt dabei sind, was immer ein rührender und froher Augenblick ist.

Lustige Einsätze erleben wir beispielsweise, wenn wir bei witzigen Patienten ankommen, die über sich lachen können.

Haben Sie eine Botschaft für die Öffentlichkeit, nicht nur betreffend die Coronavirus-Pandemie, sondern auch mit Blick auf die öfter eintretenden Notfälle in Ihrem Alltag?

Es wäre wundervoll, wenn alle Menschen die Grundlagen der Ersten Hilfe kennen würden. Manchmal kann die Reaktion in den ersten paar Minuten über Leben und Tod entschieden. 

Das Rote Kreuz, der SMURD und die Rettung bieten Erste-Hilfe-Kurse an. Zusätzlich steht das ganze Internet zur Verfügung, viele spezialisierte Seiten bieten Infos an, und bei Youtube sind Tutorials zu verfolgen. Dazu muss die Öffentlichkeit das aber auch wollen. Leider kommen wir oft zu kritischen Notfällen und die Menschen schießen bloß Fotos, gaffen oder stehen einfach herum und warten auf die Rettung.

Wichtig und besonders nützlich wäre es, wenn die Bürger selber einige schnelle Erste-Hilfe-Maßnahmen kennen und anwenden würden, wie zum Beispiel die Blutstillung, das Heimlich-Manöver zur Befreiung der oberen Atemwege, die Untersuchung von Puls und Atmung eines bewusstlosen Patienten, das Erkennen eines Herzstillstandes und die Aufnahme der Herz-Lungen-Wiederbelebung.

Vielen Dank für das Gespräch!