Eine Seltenheit aus der Bukowina

Über medizinische und Backrezepte

Sehr viele Rezepte in den alten Koch- und Backbüchern unserer Vorfahren begannen mit den in-zwischen geflügelten Worten „Man nehme…“. Woher das kommt, daran erinnert uns ein altes Rezept von Seltenheitswert aus der Bukowina. Die Formulierung wurde in die Backrezepthefte aus dem Apothekenwesen übernommen, wo die Rezepte mit dieser Formel begannen. Das Rp, das heute noch auf vielen Mixturpapieren am Anfang steht, bedeutet nämlich nichts anderes als „recipe“: (Man) Nehme. Siehe dazu auf der Kopie den Anfang der handschriftlichen Eintragung links auf dem Rezept mit einem etwas ungewöhnlichen vorgedruckten Entet-„Kopf“.

Uns interessieren heute auf dem schmalen Rezept viele andere interessante Angaben. Einmal die Tatsache, dass es sich um ein „Jubiläums-Recept“ (siehe ganz oben) aus Czernowitz handelt mit den Porträts eines wohl berühmten Arztes. Das Jubiläum bezog sich auf die Zeitspanne 1867-1907 unter den Bildern, die 40 Dienstjahre des Br(onislaus). E. F. (Ritter) von Majerski, Gerichts-, Geburts-, Kassen- und Vereinsarzt, Besitzer des goldenen Verdienstkreuzes mit der Krone und eines weiteren Ehrenkreuzes, Mitglied mehrerer wissenschaftlicher Vereine.

Als „neuer Arzt“ war er 1895 nach Czernowitz gekommen (Zeitungsanzeige). Der 1915 in den Ruhestand versetzte Mediziner wurde 1916 reaktiviert und als Generalstabsarzt zum Kommandanten des Kriegsspitals Nr. 2 in Pardubitz in Böhmen ernannt, in dessen Reservelazarett auch Verwundete aus der Bukowina oder den verschiedenen Regimentern von der galizischen Front gebracht wurden.

In Czernowitz wohnte und ordinierte der Arzt (werktags) im eigenen Haus in der Römergasse 2 von 8 bis 10 und von 14 bis 16 Uhr. Die genaue Adresse ist verdeckt (und daher möglichweise ungenau) von dem Überdruck-Stempel, der ebenfalls wichtig ist. Er nennt die Apotheke, der das Arzt-Rezept vorgelegt werden sollte und die das Mittel dann präpariert hat: Apotheke „Zur Vorsehung Gottes“ in Czernowitz/ Bukowina, mit Datum 1907.

Das Rezept befand sich im Nachlass des Ärzte-Ehepaares von Jaskiewitz, das von 1921 bis zur Umsiedlung 1940 in Putna (Bukowina) tätig war. Die Tochter Eva Klute aus Sundern, geboren 1922, stellte uns diese Rarität zur Verfügung.

Vom Inhalt her handelte es sich jedoch keinesfalls um ein Jubiläumsrezept, sondern um ein Mittel gegen eine damals sehr häufige und heute immer wieder auch hierzulande auftauchende übertragbare Krankheit: die Krätze. Nehmen mussten die Apotheker für diese Wirksalbe Schmierseife, gelbe Vaseline, Schwefelmilch (gefällter Schwefel), Styrax-Harz flüssig (beide damals Hauptwirkmittel gegen Krätze und andere Parasiten), weißen Kreidestaub, Opiumtinktur und Menthol (beide gegen den Juckreiz). Das Kürzel MdS bedeutet immer noch mischen und bezeichnen (signieren). Usus extern – Gebrauch äußerlich. Datiert 12. Oktober 1907 und eigenhändig vom Arzt unterzeichnet. Angeführt sind auch jeweils die Mengen für die Mixtur.