Eine Zeit im Kreise der engeren Familie

Weniger Hektik, mehr Ruhe: Adventszeit in der Corona-Krise anders als sonst

Am vergangenen Sonntag wurde die erste Adventskerze angezündet. In nur 21 Tagen ist Weihnachten. | Foto: Zoltán Pázmány

Der Advent hat am vergangenen Sonntag begonnen – Zeit, sich auf die Ankunft des Herrn einzustellen, wie auch die Bezeichnung „advent“, die vom Lateinischen „advenire – ankommen“ abgeleitet ist, zu deuten lässt. Christen auf der ganzen Welt bereiten sich in dieser Zeit auf das Hochfest der Geburt Jesu, auf Weihnachten, vor und mit dem ersten Adventssonntag hat auch das neue Kirchenjahr begonnen. Für viele Kinder ist diese Zeit besonders schön: Sie dürfen täglich ein neues Kästchen im Adventskalender öffnen, um ein Stückchen Schokolade zu naschen oder ein kleines Geschenk vorzufinden. Auf den Tischen stehen die traditionellen Adventskränze mit ihren vier Kerzen, die bis Weihnachten der Reihe nach angezündet werden.

Advent, Advent,
ein Lichtlein brennt.
Erst eins, dann zwei,
dann drei, dann vier,
dann steht das Christkind vor der Tür.

Das beliebte Kindergedicht kennt mittlerweile fast jeder. Am Sonntag, dem 29. November, hat bei den Christen die Adventszeit begonnen und im Banat hat man schon einen Tag zuvor, am Samstag also, in feierlichem Rahmen die erste Adventskerze in der Kirche in Karansebesch/Caransebeș angezündet. Der Advent ist eine Zeit, die in den vergangenen Jahren oft mit Hektik und Stress verbunden war – nicht auch heuer, denn die Corona-Krise wird so manches Treffen unter Freunden, das normaler Weise zu Weihnachten stattgefunden und worauf man sich mit zahlreichen Geschenkeinkäufen vorbereitet hat, einfach wegfallen lassen. 

Jenseits des Kommerziellen steht aber die Adventszeit mit einer religiösen Komponente in Verbindung. „Die Adventszeit ist eine Wartezeit. Wir erleben drei Wartezeiten: das Warten auf das Fest der Geburt Jesu,, das Warten auf das zweite Kommen Jesu, am Ende der Welt und das Warten darauf, dass in unserem Leben seine Liebe vollbracht wird. Dieses Warten ist voller Liebe, es ist aktiv. Deswegen ermahnt uns Jesus: Wachet! Wir müssen wachen, damit die Liebe in uns nicht weniger wird“, erklärt der römisch-katholische Bischof zu Temeswar/Timișoara, Josef Csaba Pal. „Die Adventszeit ist zugleich eine Zeit der Ruhe, des Zuhörens, der Reflexion, eine Überprüfung unseres Lebens. Wir müssen die Richtung unseres Lebens festlegen“, ermahnt der Bischof.

Mehr Zeit für sich selbst und seine Lieben

Ein Neuanfang – das soll die Adventszeit auch in diesem Jahr sein. Man wird heuer, gerade wegen den bestehenden Reiseeinschränkungen und den unterschiedlichen Lockdown-Maßnahmen, gewiss mehr Zeit haben – für sich selbst und für die eigene Familie. „Die Adventszeit ist für mich jene Zeit des Jahres, in der man irgendwie zur Besinnung kommen kann. Einfach mal darüber nachzudenken, wie das Jahr, das sich seinem Ende neigt, für einen gelaufen ist, was man gut gemacht hat oder was man vielleicht hätte besser machen können. Sie ist aber auch eine gute Gelegenheit, um mehr Zeit im Kreise der engeren Familie zu verbringen“, sagt Adrian Pășcălău-Kollar, Projektmanager bei einem IT-Support-Unternehmen in Temeswar und zweifacher Vater. „Wenn man Kinder hat, so wie wir, erlebt man die Adventszeit natürlich viel intensiver. Alles beginnt mit dem Gestalten des Adventskranzes zusammen mit den Kindern, danach erfolgt das tägliche Öffnen eines Türchens im Adventskalender, was natürlich die Freude auf das Weihnachtsfest steigert“, fügt der Mann hinzu.

Auch für die aus Billed, im Kreis Temesch/Timiș, stammende Gabriela Șandor, Unterrichtende an der Germanistik-Fakultät der West-Universität Temeswar, ist die Adventszeit eine ganz eine besondere Zeit. „Die Adventszeit war für mich schon immer etwas Besonderes, weil ich an einem Adventssonntag geboren wurde. Ich habe dann immer an Weihnachten Geburtstag gefeiert“, erzählt sie. „Im Advent bereitet man sich immer auf Weihnachten vor, auf das christliche Weihnachten und nicht auf das Fernseh-Weihnachten, nicht auf das kommerzielle Weihnachten“, sagt Gabriela Șandor, die seit einigen Jahren auch den Adventskranz für ihre Ortskirche vorbereitet. Weihnachten 2020 wird gewiss anders sein als sonst, ist Gabriela Șandor überzeugt. „In diesem Jahr wird die Weihnachtszeit bestimmt ruhiger sein. Es wird wohl auch keine ,colindători‘, keine Sternsinger, geben. Ich gehöre zu einem Temeswarer Chor und singe auch im Billeder Kirchenchor mit. In Temeswar sind wir in der Weihnachtszeit immer singen gegangen, was in diesem Jahr bestimmt nicht mehr stattfinden wird“, sagt Gabriela Șandor. Auch einen bitteren Nebengeschmack könnte es heuer geben, denn viele Menschen haben jemanden Liebes verloren oder können nicht beisammen sein. „Das ist natürlich auch sehr traurig“, fügt sie hinzu.  

Ausnahmezeit zum Nachdenken über das Wesentliche

Dass die Coronavirus-Pandemie nicht nur die Adventszeit, sondern auch Weihnachten überschatten wird, ist vielen Menschen klar. Die für Rumänien typischen Familienzusammenkünfte am Hochfest der Geburt Jesu werden in den meisten Fällen wegfallen, und auch das Reisen ist zurzeit noch in großem Maße eingeschränkt und wird es wohl bis nach Neujahr und darüber hinaus bleiben. Für viele Menschen war nämlich die Vorweihnachtszeit eine passende Zeit, um den einen oder anderen Weihnachtsmarkt zu besuchen, sei es in Rumänien oder im Ausland. In diesem Jahr aber werden viele dieser Märkte – darunter der so beliebte Hermannstädter Weihnachtsmarkt – gar nicht mehr, oder anders, etwa in einem viel kleineren Rahmen, wie beispiels-weise der Weihnachtsmarkt in Temeswar, organisiert. Es ist schon ein komisches Gefühl, wenn man für eine so lange Zeit an seine eigene Wohnung gebunden ist, empfinden viele Menschen. „Advent ist eine Zeit des Wartens und des Kommens. Wir warten schon seit geraumer Zeit darauf, dass diese Pandemie aufhört, dass wir wieder frei werden, dass wir wieder so leben können, wie es mal früher war. Wir fühlen uns manchmal wie Gefangene. Doch vielleicht uns hat Gott diese Ausnahmezeit geschenkt. Advent ist sowieso eine Ausnahmezeit, wo wir wirklich Zeit für uns selbst, für unsere Nächsten, für Gott haben, wo wir wirklich darüber nachdenken können, was das Wesentliche in unserem Leben ist“, sagt der Salvatorianerpater Martin Gal aus der Temeswarer Elisabethstadt. 

Vertrauen, Hoffnung, Liebe: Das sind doch die drei wahren Dinge der Weihnachtszeit, die drei Dinge, worauf man auch im Advent bauen sollte, heißt es doch überall. Keine übertriebenen Geschenkeinkäufe, kein Koch- und Backstress und auch nicht so viele glitzernden Lichter müssen es unbedingt sein. Hauptsache, die Menschen sind gesund und kommen zusammen, egal, auf welche Art und Weise. Die Corona-Krise hat es nämlich allen bewiesen, dass man zusammen sein kann, auch wenn man die Distanz wahrt. Das Internet hat viele Treffen möglich gemacht. So war auch Bischof Josef heuer beim Anzünden der ersten Adventskerze letzte Woche in Karansebesch dabei – diesmal ausnahms-weise nur online. „Sicher ist in Corona-Zeiten vieles anders in unserem Leben. Den lieben Gott müssen wir aber als einen Fels in der Brandung erleben, der trotz allem steht“, ermutigt Bischof Josef zu mehr Vertrauen. Auch die Rorate-Messen, die typischen Morgenmessen in der Adventszeit, finden in diesem Jahr mit wenigen Teilnehmern statt, sie werden jedoch live im Internet übertragen. „Den anschließenden Austausch darüber machen wir dann über Zoom. Wir werden in dieser Zeit zwar weniger Treffen haben, aber die Liebe gegenüber den Bedürftigen werden wir nicht verringern“, sagt Bischof Josef überzeugt. 

Die Liebe gegenüber den Armen – die soll in der Vorweihnachtszeit und gewiss auch darüber hinaus nicht minder ausfallen. Am Welttag der Armen, dem 15. November, hat die römisch-katholische Pfarrei aus der Temeswarer Josefstadt eine Lebensmittelkollekte eingeleitet, wie Pfarrer Zsolt Szilvagyi informiert. Der junge Priester war einer der ersten Geistlichen in Temeswar, der zusammen mit den Mitarbeitern seiner Pfarrei die Live-Übertragung der Heiligen Messen im Internet möglich gemacht hat. Bis letzten Sonntag wurden mehrere Kilogramm länger haltbare Lebensmittel in der Josefstädter Pfarrei gesammelt, um an ein Kinderheim aus Hatzfeld/Jimbolia und an die Temeswarer Filiale des Malteserhilfswerks gespendet zu werden. Rund einhundert Lebensmittelpakete werden auch in diesem Jahr durch die Vermittlung der Josefstädter Pfarrei die Herzen einiger Bedürftigen erfreuen. Auch andere Pfarreien und Wohltätigkeitsorganisationen sammeln in der Vorweihnachtszeit Spenden für die Armen und Kranken. Die Corona-Adventszeit 2020 ist mit Sicherheit anders als sonst – doch vielleicht gerade jetzt könnte einem viel leichter klarer werden, dass es viele Menschen gibt, denen es nicht so gut geht wie einem selbst.