Erst Wort halten, dann feiern

Vergangenen Sonntag gab es auf TVR 1 statt der abendlichen Nachrichtensendung einen steif an seine Redevorlage geklammerten Senatschef Călin Popescu-Tăriceanu (ALDE), der vor halbleerem Saal (die Kameraleute versuchten, nur besetzte Stühle ins Bild zu kriegen) eine Rede hielt, die er als Eröffnungsrede zum Start der Hundertjahrfeier der Erschaffung des heutigen Rumäniens ausgab. Er sagte, dass es an der Zeit sei, übers Zentenarium offen zu reden. Der Minister für Kultur und Nationale Identität erklärte vorher, seinem Ressort lägen bereits 2139 Finanzierungsanträge zum Jubiläum vor, „und keiner weiß, wie viele Veranstaltungen von Vereinen, Verbänden und privaten Gesellschaften noch folgen!“

Das Zentenarium der „Großen Vereinigung“ dürfte auch ein Wiederaufflammen der Polemiken rund um den Grund zum Feiern und diejenigen, die Grund zum Feiern haben, auslösen. Die kommunistische Propaganda, die Geschichtsunterricht heißt und heute in den Schulen, aus panischer Angst vor dem Rütteln an „althergebrachten Einsichten“, unnuanciert weitergeführt wird, hat doktrinär die „Große Vereinigung“ proklamiert. Es war eine Zentralisierung, während jede politische Logik (auch die Wilson-Doktrin) einen Föderalstaat empfahl. Das französische Staatsmodell wurde durchgesetzt. Den Preis für diese Entscheidung zahlen wir auch heute. Auch deshalb ist Tacheles Reden heilsam. Siehe die Senatschef-Rede.

Fallbeispiel Banat, knapp vor und kurz nach der Erklärung Kaiser Karls (vom 11. November 1918) an „seine Völker“ (Inhalt: Der Krieg ist verloren. Der Kaiser entbindet seine Völker ihres Treueschwurs. Jedes Volk tue ab nun, was es für richtig hält!).

Die Banater Schwaben (und sozialdemokratisch organisierte Arbeitnehmer) proklamierten am 31. Oktober 1918 in Temeswar die Republik Banat (die knapp drei Monate Bestand hatte). Die Banater Serben proklamierten in Neusatz/Novi Sad am 25. November 1918 die Vereinigung des Banats mit dem Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen. Serbische Truppen marschierten im Banat ein und führten ein Raub- und Schreckensregime. Die Rumänen proklamierten am 1. Dezember – heute unser Nationalfeiertag – die Vereinigung Siebenbürgens und des Banats mit dem Königreich Rumänien. Es entstand Großrumänien. Dessen Anerkennung war Rumäniens diplomatische Glanzleistung. Das Königreich Rumänien – als Kriegsteilnehmer ein unberechenbarer Auftritt – verzeichnete durch die Friedensverträge der Pariser Vororte die prozentual größten territorialen Zugewinne unter allen Implizierten im Großen Krieg 1914-1918.

Die Ungarn des Banats ziehen (zusammen mit magyaronischen Banater Schwaben und sozialdemokratischen Rumänen) nach und proklamieren am Klausenburger Hauptplatz am 22. Dezember 1918, zusammen mit den siebenbürgischen Ungarn, die Vereinigung Siebenbürgens und des Banats mit Ungarn. A l l e  beriefen sich auf die Wilsonschen Prinzipien.

Es gab in jener Zeit keine Plebiszite, keine Referenden, keinerlei andere Formen der Volkskonsultation. Der Zwist der Meinungen und Tendenzen war verlustreich: Banat und Partium wurden gestückelt, Siebenbürgen blieb ganz, aber ein von ethnischen Spannungen bis heute im Bann gehaltener Raum (man denke nur an Neumarkt am Mieresch/Târgu Mureş 1990). Die idealisierende Behauptung vom „friedlichen Zusammenleben der Völkerschaften des Banats“ – stimmte die jemals?

Wo blieb, unter solchen Voraussetzungen, die „Vereinigung“? Und wer fragt 2018, offen und ehrlich, nach dem Stand der Erfüllung der Versprechungen, die 1918 den Minderheiten (dieser herabsetzende Terminus entstand auch nach jenem Krieg) gemacht wurden, damit sie in Paris ihre Bereitschaft zur Vereinigung signalisieren? Im Abgeordnetenhaus wurde diese Grundsatzfrage einmal vom früheren DFDR-Abgeordneten gestellt. Eine Antwort darauf gab es nie.