„Es genügt nicht, im Takt zu tanzen“

Ein Gespräch mit dem Tanzsportpaar Anne Weber und Daniel Radu

Anne Weber und Daniel Radu tanzen von Erfolg zu Erfolg.

Das Tanzpaar weiß, dass Ausdruckskraft und Leidenschaft einfach dazu gehören.
Fotos: Frank Rieseberg

Trainingsdisziplin, Ausdauer, Spaß am Wettkampf – all das ist „typisch“ für Sport. Doch wenige Sportarten setzen so viel Ästhetik voraus wie der Tanzsport. Wenn man an Wiener Walzer oder Tango, an langsamen Walzer, Slowfox und Quickstepp denkt, freut man sich auf gute Musik, glamouröse Outfits, elegante Körperhaltung und ganz viel Ausstrahlung. Man vergisst oft, dass die Sportler unzählige Stunden im Studio  verbringen, und dass auch hier nur Übung den Meister macht.

Anne Weber und Daniel Radu wissen genau, wie viel Arbeit hinter jedem Erfolg steckt  –  und diese Arbeit macht ihnen Spaß. Vor wenigen Wochen erreichten sie den Platz neun bei der Deutschen Meisterschaft, in Niedersachsen sind sie Landesmeister. Anne Weber ist 25 und kommt aus Dresden, ihr Tanzpartner Daniel Radu ist Kronstädter und nur einige Monate jünger. Sie tanzen seit etwa einem Jahr zusammen und werden zurzeit von Cheftrainer Rüdiger Knaack im Rahmen des Braunschweiger Tanz-Sport-Clubs e. V. trainiert. In Braunschweig sprach ADZ-Redakteurin Christine Chiriac mit Anne Weber und Daniel Radu.


Auf professionellem Niveau ist Tanz gewiss nicht jedermanns Sache. Wie seid ihr dazu gekommen?

Anne Weber: Es war die Initiative meiner Mutter, als ich sechs Jahre alt war.

Daniel Radu: Ich habe mit zehn Jahren begonnen. Auch bei mir war es die Mutter, die in unserer Gegend in Kronstadt eine Tanzschule entdeckt hatte. Anfangs wollte ich eigentlich gar nicht zum Tanzunterricht gehen.

Wann hat es dann begonnen, dir Spaß zu machen?

D.R.: Etwa nach einem Jahr wechselte ich den Klub, aber ich war mir noch immer nicht sicher, ob ich wirklich weitermachen wollte. Mit der Zeit wurde es Alltag. Nach den ersten zwei Jahren ging es mit den Wettbewerben los, und als ich 18 war, zog ich nach Gheorgheni um, wo es eine Schule mit großem Prestige und sehr guten Ergebnissen rumänienweit gibt. Nachher bin ich für zwei Jahre nach Polen umgezogen und seit einem Jahr wohne ich in Braunschweig. Heute ist Tanzsport alles, was ich machen möchte.

Wieso Braunschweig?

A.W.: Wir sind beide wegen des Tanzes hierher gekommen. Nach dem Abitur habe ich einen neuen Tanzpartner gesucht und habe ihn hier in Braunschweig gefunden. Letztes Jahr im Juli habe ich mich von ihm getrennt und mich wieder auf die Suche gemacht. Daniel hatte sich auch vor Kurzem von seiner Tanzpartnerin getrennt. Durch einen Zufall kam es zu einem Mailwechsel und dann zum Probetraining.

Gehört Tanzsport für euch in die Kategorie Beruf oder eher zur Freizeit?

A. W.: Halb-halb. Ich habe Kommunikationswissenschaften studiert und arbeite freiberuflich als Journalistin, sodass ich flexibel bin und auch Tanz unterrichten kann.

D.R.: Ich würde mich sehr gerne ausschließlich auf den Tanz konzentrieren. Leider ist das vorläufig nicht möglich. Ich habe einen Sprachkurs absolviert, habe ein wenig Deutsch gelernt, und werde jetzt eine Teilzeitstelle suchen, um am restlichen Tag trainieren zu können.

Die Schule selbst hat mir persönlich keinen besonderen Spaß gemacht, eben weil sie einen Teil meiner Trainingszeit in Anspruch nahm. Ich hatte sehr großes Glück mit meinen verständnisvollen Eltern. Ich habe das Kronstädter Kunstgymnasium absolviert und zeichne auch heute sehr gerne, aber in Rumänien ist es schwierig, beruflich mit Kunst über die Runden zu kommen. Beim Abitur hatte ich keine schlechten Noten, also gab es einen Versuch, Wirtschaftswissenschaften und Business zu studieren. Spätestens während der ersten Mathe-Vorlesung merkte ich, dass das nichts wird. Vielleicht hätte ich – mit einer großen Portion Glück  – das Studium sogar absolvieren können, aber wenn es nicht Spaß macht, bringt es auch keine Erfüllung. Ich will im Leben nichts machen, was mir nicht gefällt.

Daniel, wie sieht dein Leben in Braunschweig aus - im Vergleich mit Rumänien und Polen?

D.R.: Ich würde sagen, dass es überall Vor- und Nachteile gibt. Wenn man zu Hause ist, hat man automatisch fast alles, was man braucht. Aber in Rumänien gibt es leider nicht so viele Trainer von internationalem Niveau. In Polen haben mir die Menschen gut gefallen, ich habe mich sehr gut gefühlt. Allein mit der Sprache und der Finanzierung war es schwierig. In Deutschland habe ich noch nicht so viele Freunde, aber alles andere funktioniert wunderbar. Der Deutsche Tanzsportverband unterstützt die Sportler mehr als die Verbände in Rumänien und Polen, zudem fällt es mir hier auch sprachlich leichter.

Welches sind eure wichtigsten Tanzerfolge bisher?

A.W.: In Deutschland tanzen wir in der höchsten Kategorie. Als Paar ist es uns gelungen, innerhalb von einem Jahr auf Platz neun der deutschen Rangliste zu gelangen – bei einzelnen Ranglistenturnieren waren wir auch schon zweiter oder vierter. In Niedersachsen sind wir Landesmeister – das klingt zwar gut, aber für uns sind die internationalen Erfolge viel wichtiger. In internationalen Turnieren ist die Konkurrenz viel stärker, es gibt zahlreiche sehr gute Paare am Start. Da hatten wir ein gutes Ergebnis in Prag im September, wo wir in die vierte Runde gekommen sind und von 120 Paaren auf Platz 24 gelangt sind.  

Wie sieht euer Training aus?

A.W.: Es ist unterschiedlich. Wir trainieren in der Regel sechsmal die Woche, manchmal auch siebenmal. Es kommt darauf an, welche Turniere anstehen. Das Training dauert meistens drei-vier Stunden, manchmal länger. Es gibt Tage, an denen wir sechs Stunden trainieren. Hinzu kommt, dass wir auch unterrichten, ebenfalls im Rahmen des Vereins.

Muss man neben dem Tanztraining zusätzlich Sport treiben?

A.W. Ja, denn man braucht viel Ausdauer. Ich selber gehe joggen.

D.R.: Ich habe immer gerne Sport getrieben. Da ich Kronstädter bin, und die Berge immer in Reichweite waren, habe ich mit Ski- noch lange vor dem Tanzsport begonnen. Ich schwimme gerne, spiele Tennis, gehe ins Fitnessstudio. Bisher hatte ich in Braunschweig nicht wirklich Zeit dafür, aber es kommt noch dazu.

Welches sind die Schwierigkeiten in eurem Hobby-Beruf?

A.W.: Tanzsport ist vor allem Sport, und das bedeutet, dass man sehr gut trainiert sein muss. Gleichzeitig soll man so perfekt aufeinander abgestimmt sein, dass es nicht wie Sport aussieht. Das Ziel ist nicht, angestrengt auszusehen, sondern zur Musik zu passen, den Eindruck zu vermitteln, dass alles leicht ist. Ich bin zwar kein Leichtathlet, aber Leichtathletik stelle ich mir in dieser Hinsicht einfacher vor. In unserem Fall gibt es mehrere Facetten, die zusammenpassen müssen.

D.R.: Hinzu kommen bei den allermeisten Tänzern auch finanzielle Schwierigkeiten. Tanz ist ein Luxussport. Oft ist man weniger durch die eigene Fähigkeit oder Unfähigkeit limitiert, als durch die finanziellen Möglichkeiten.

Wie trainiert man die Kunstkomponente an? Kann man alles lernen oder muss man dafür eine besondere Begabung haben?

A.W.: Meiner Meinung nach muss man zuerst eine Grundausbildung haben, denn wenn man  nicht die richtige Technik beherrscht, kann man auf der Fläche auch nichts ausdrücken. Dafür muss man sich erst einmal die technischen Möglichkeiten erarbeiten. Im Tanzsport gibt es unterschiedliche Stile: die eine Richtung setzt den Schwerpunkt auf athletisches Tanzen, nach dem Motto schneller, höher, weiter, bei der anderen Richtung wird mehr Wert auf die Musik gelegt. Uns ist es wichtig, die Musik sichtbar zu machen. In der S-Klasse, der höchsten Klasse, kann man anfangen, sich darauf zu konzentrieren. Es ist eine Herausforderung, aber andererseits genügt es nicht, im Takt zu tanzen.

Gibt es Tanzpartner, mit denen man einfach nicht zusammenpasst?

A.W.: Ja, absolut!

Habt ihr einen Lieblingstanz?

D.R.: Mir gefallen alle fünf, jeder hat seinen eigenen Charakter.

A.W.: Bei mir wechselt die Vorliebe, je nachdem, was wir gerade trainieren und was gut läuft. Aber ich bin ein großer Fan des Wiener Walzer.

Wieso gerade Wiener Walzer?

A.W.: Viele mögen ihn nicht, denn bisher gab es immer Figurenbegrenzungen und man tanzte zwei Minuten lang quasi dasselbe. Doch mich begeistert die wunderbare klassische Musik. Der Wiener Walzer ist der Standardtanz schlechthin – und war schon immer einer unserer besten Tänze.

Welche Musik hört man als Profitänzer in seiner Freizeit?

A.W.: Gewiss etwas ganz anderes. Wenn man zu Hause ist, setzt man sich nicht unbedingt in den Sessel und hört Foxtrott. Wir machen das nur, wenn wir uns Videos von anderen Tänzern anschauen.

D.R.: Tanzsport macht uns selbstverständlich großen Spaß – auch die Trainings versuchen wir so zu gestalten, dass sie möglichst viel Spaß machen. Aber zur Unterhaltung ist die Freizeit da.

Welches sind eure Pläne?

A.W.: Wir können schlecht planen, weil das Ergebnis im Turnier immer auch von dem Tag, von unserer Form, von dem Niveau der anderen Paare abhängt. Man kann immer nur versuchen, seinen Tanz zu verbessern, und das nehmen auch wir uns vor.

D.R.: Für die Wettbewerbe trainieren wir, wie wir auch sonst immer trainieren. Möglichst konzentriert und möglichst optimistisch.

Ist Optimismus so wichtig?

D.R.: Ja, sehr, wie in jedem anderen Bereich auch!
Wenn man nicht positiv eingestellt ist,  fällt es schwerer, Erfolg zu haben. Man muss schon auch innerlich viel Kraft aufbringen.