„... es kommt mir manchmal vor wie gestern, dass die ersten Bücherkisten hier angekommen sind!“

Lenke Csegezi betreut bereits seit der Eröffnung im Jahr 2003 als Bibliothekarin die Österreich-Bibliothek Klausenburg

Während der 15-Jahr-Feier der ÖB Klausenburg wurde auch Lenke Csegezi für ihre Verdienste geehrt. | Foto: Nicolas Friess/ÖKF Bukarest

Dipl.Bibl. Lenke Csegezi betreut die Österreich-Bibliothek Klausenburg seit der Eröffnung im Jahr 2003 – ohne sie wäre die Bibliothek kaum so gut ausgestattet und wohlsortiert, wie sie sich heute präsentiert. Generationen von Studierenden haben von ihr gelernt, wie man einen Bibliothekskatalog benutzt oder was eine Signatur ist. Im ADZ-Gespräch erzählt sie von den Anfangszeiten und den Herausforderungen als Bibliothekarin.

Frau Csegezi, wie ist es dazu gekommen, dass sie Bibliothekarin der Österreich-Bibliothek in Klausenburg wurden?

Ich war damals, 2002,  noch mitten im Studium – Geschichte und Bibliothekswissenschaft auf Deutsch – und habe nebenbei in der Universitätsbibliothek gearbeitet. Da wurde ich angesprochen: Ob ich Interesse hätte, nach Wien zu gehen und Bücher auswählen?  Die Einrichtung einer Österreich- Bibliothek hier in Klausenburg war zu dem Zeitpunkt noch ein Projekt, man wusste noch gar nicht, ob wirklich etwas daraus wird oder nicht.

Ich kam also nach Wien und dort wurde mir genau erklärt, was geplant war – und ich fand das natürlich alles sehr interessant. Ich war an der Universität Wien und habe mit einem Mitarbeiter von dort zusammengearbeitet, und auch Lukas Vosicky war dabei, der damals Österreich-Lektor in Temeswar war, später dann hier in Klausenburg. Wir sind gemeinsam zur Nationalbibliothek gegangen, zur Uni-Bibliothek, und in kleinere Einrichtungen, wo wir Bücher gesammelt und sortiert haben.

Was waren das für Bücher?

Sie waren teils gespendet, teils aussortiert, alles war dabei. Als wir dann die Bücher nach Klausenburg gebracht haben, bin ich erstmal ein bisschen erschrocken – denn die Räume wurden noch renoviert, deshalb war das Parkett noch nicht verlegt, die Regale waren noch beim Schreiner, und die Bücherkartons haben sich schon bis unter die Decke gestapelt.

Dass die Räumlichkeiten erst gründlich renoviert wurden, hat sich aber bezahlt gemacht: Heute ist es eine kleine, aber sehr schöne Bibliothek.  Weil sich die Renovierungsarbeiten hingezogen haben konnte ich erst Mitte Februar in den Saal, um die Bücher zu sortieren. Das war dann schon etwas knapp, weil die Eröffnung ja für den 4. März geplant war. Und es war wahnsinnig viel Arbeit: Denn die Bücher waren einfach in die Kisten geworfen, ohne Sortierung oder irgendwas.

Aber ich habe dann Freunde gebeten, mir dabei zu helfen. Es war nicht einfach, aber wir haben es geschafft, alle Bücher sortiert und die Bibliothek eingerichtet, das neue Parkett wurde schließlich verlegt, und wir haben die schönen neuen Regale bekommen. Es war anstrengend, aber auch eine aufregende Zeit.

Und dann konnte die Eröffnung wie geplant feierlich stattfinden?

Genau. Allerdings, ich und die österreichische Literatur, wir standen uns zu dem Zeitpunkt noch nicht nah… natürlich habe ich Geschichte studiert und kannte die österreichische Geschichte, aber trotzdem ist mir beim Sortieren anscheinend ein schlimmer Faux pas passiert: Denn bei der Eröffnung ist einer der Gäste zu mir gekommen und hat mir eine Biographie von Bismarck unter die Nase gehalten, die wir offenbar einsortiert hatten – er hat sie mir unter die Nase gehalten und gesagt: „Was soll das?! Was soll das hier in einer Österreich-Bibliothek?“ – und ich war so… Oh Gott! (lacht).

Nach der Eröffnung sind dann noch drei, vier Bibliothekare gekommen, und wir haben noch einmal gründlich sortiert und angefangen, die Bücher zu inventarisieren, also ins System aufzunehmen – obwohl wir erst 2006 offiziell in den Bestand der Universitäts-Bibliothek aufgenommen wurden.

Es gab also gar keinen Katalog?

Doch, ich habe die Bücher in Aleph, die Bibliothekssoftware, aufgenommen und sie sind im Online-Katalog erschienen – aber das war eben noch eher inoffiziell, weil diese Dinge noch nicht ganz geklärt waren. Es hat dann aber alles sehr gut funktioniert.

Dabei war die ÖB in Klausenburg gar nicht die erste, die eröffnet wurde?

Nein, in Temeswar wurde bereits Anfang der 90er eine eröffnet, und dann auch in Bukarest – aber man konnte sich nichts von den anderen abschaun, weil alle Österreich-Bibliotheken anders funktionieren: Manche gehören zur Nationalbibliothek, manche zur Universitätsbibliothek… wir mussten das eben erst klären.

Wer hat das initiiert, dass hier eine ÖB eröffnet werden sollte?

Das war Herr Marga, der ehemalige Rektor (Anm. d. Red. Andrei Marga, 1993–2004 Rektor der UBB, 2012 kurz Außenminister unter Victor Ponta), und die Frau Regierungsrätin Dollinger vom österreichischen Außenministerium – die beiden haben das in die Wege geleitet. Dr. Rudolf Gräf wurde dann Leiter der Bibliothek, bis 2020.

Wie sieht die Situation heute aus?

Ab 2006 hatten wir eine klare Situation – die Möbel, Geräte und die ganze Ausstattung gehören zur Universität, ich bin auch Angestellte der Universität, aber die Bücher gehören zur Universitätsbibliothek und sind in deren Katalogsystem integriert.

Aus Österreich kam also eigentlich nur der erste Schwung Bücher?

Wir bekommen vom österreichischen Außenministerium auch jährlich ein Budget, um neue Bücher anzuschaffen. Es gibt auch Fortbildungen, für die man nach Wien fahren kann, und die jeweilige Österreich-Lektorin an der Germanistik arbeitet auch immer hier mit, sie organisiert zum Beispiel Veranstaltungen.

Was waren für Sie die einschneidendsten Entwicklungen in den letzten 20 Jahren?

Zwanzig Jahre ist lang, aber es kommt mir manchmal vor wie gestern, dass die Bücher chaotisch hier rumlagen! Die wichtigste Änderung ist wohl, dass wir jetzt in der Ära der Digitalisierung sind – wir haben sehr viele Bücher eingescannt, man kann sie von Zuhause aus abrufen.

Wir haben auch sehr viele digitale Datenbanken abonniert, die die Studis nutzen können. Was wir damals vor 20 Jahren nicht hatten – damals gab es Karteikataloge, man musste hingehen und stundenlang suchen und Recherche machen, und dann die Bücher mit Zettelchen ausleihen. Dann hat man eine Stunde darauf gewartet. Heute bekommst du das Buch in zehn Minuten! Also, im Bibliothekswesen hat sich schon viel geändert über die letzten Jahre.

Und im Beruf der Bibliothekarin?

Ja, ich muss nicht mehr mit einer traditionellen Kartei-Inventur die Bücher aufnehmen, es ist alles online automatisiert – ich mache fast die Arbeit einer Programmiererin (lacht) – und einer Buchhalterin, weil ich auch abbuchen muss, was angekauft wurde, und ich muss mithalten mit den ganzen neuen Sachen – Datenbanken und so weiter. Ich bin nicht an der Uni-Bibliothek angestellt, aber ich kann dort auch Fortbildungen machen. Wie könnte ich sonst den Studis weiterhelfen?

Die Betreuung von Studierenden gehört also dazu?

Ja, natürlich – ich erkläre vielen, wie das alles funktioniert, sie wissen oft noch nicht, dass es einen Online-Katalog gibt, wie der funktioniert, oder wie man sich in einer Bibliothek verhält… es tut weh manchmal (lacht).

Aber manche Lehrkräfte kommen auch mit den Erstsemestern für eine Bibliotheks-Führung, nur jetzt in der Pandemie war das eben länger nicht möglich. Wir haben dann online eine Einführung gemacht, wie man beispielsweise die Plattformen benutzt, wo man die eingescannte Pflichtlektüre findet.

Das klingt, als hätte die Pandemie auch Positives gebracht?

Ja, für die Bibliotheken war das ein großer Schritt vorwärts. Überall wird digitalisiert, aber es war schon wegen der Pandemie, dass so viel Literatur auf einmal eingescannt wurde, dass der Fernzugriff auf die Bibliografie-Plattform der Universität und auf Volltexte der abonnierten wissenschaftlichen Datenbanken möglich wurde, auch können jetzt zum Beispiel die Sitzplätze im Lesesaal online reserviert werden.

 Während der Pandemiezeit konnte man auch in den Bibliotheken die Zeit gut nutzen, um Literatur zu digitalisieren, weil es ja leider kaum Publikum gab. Man sieht das sehr gut  im Online-Katalog der Uni-Bibliothek, wie viel Literatur in der Zeit eingescannt wurde, also, das war eine gute Sache.

Danke für das Gespräch!