Es wächst zusammen, was zusammengehört

ADZ-Interview mit Dr. Bernd Fabritius, MdB, Präsident des Verbands der Siebenbürger Sachsen in Deutschland und Präsident des Bundes der Vertriebenen

Dr. Bernd Fabritius
Foto: George Dumitriu

Der 67. Heimattag der Siebenbürger Sachsen in der Festung von Dinkelsbühl stand diesmal unter dem Motto: „Verändern – Erneuern – Wiederfinden“. Ein ungewöhnliches Motto, sind doch die Siebenbürger Sachsen eher als konservativ bekannt. Was sich im Laufe der Jahre in der Gemeinschaft jedoch verändert hat, brachte Bischof Reinhart Guib in seiner Pfingstsonntagspredigt auf den Punkt: Es ist die „Einheit in versöhnter Verschiedenheit“: Weg mit den Ressentiments zwischen den Ausgewanderten, den in der alten Heimat Verbliebenen und jenen, die den Sommer dort verbringen – oder sogar für immer ein neues „Abenteuer Siebenbürgen“ wagen! „Siebenbürger Sachsen zwischen Bewahrung und Veränderung“ – so lautete auch das Thema einer Podiumsdiskussion, an der Dr. Bernd Fabritius, Bundestagsmitglied und Präsident des Verbands der Siebenbürger Sachsen in Deutschland und Präsident des Bundes der Vertriebenen, teilgenommen hatte. Im Nachgang spricht er mit Nina May über sein Resümee zu diesem Heimattag.

Herr Dr. Fabritius, wie lautet ihr Resümee für den diesjährigen Heimattag in Dinkelsbühl?

Es ist aus meiner Sicht ein unglaublich schöner „Heimattag der Jubiläen“ gewesen. Es ist zuerst der Heimattag des Geburtstags unserer Heimatkirche gewesen: 500 Jahre Reformation zeigen ganz deutlich, dass das, was uns trägt – unser Glaube, unsere Kirche – sehr viel älter ist als das, was man an einem Heimattag darstellen kann. Das zweite Jubiläum war 60 Jahre Patenschaft: Wir hatten das Glück, Signale zu bekommen, dass die Patenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen für die Siebenbürger Sachsen in Deutschland wieder mit Leben erfüllt werden soll. Das ist ein wichtiges Zeichen, weil es zeigt, dass wir auch hier angekommen sind und auch hier zuhause sind. Ich betone auch hier, weil wir selbstverständlich auch in Siebenbürgen zuhause sind, genauso wie in Österreich, in Kanada, in den Vereinigten Staaten. Es ist ein Zeichen, dass dieser Tintenklecks, als den ich unsere Gemeinschaft immer beschreibe, und der sich nicht nur über Europa, sondern über die ganze Welt verbreitet, in dem Teil, wo er Deutschland getroffen hat, mit dem Land Nordrhein-Westfalen einen guten Paten hat.

Das dritte Jubiläum betrifft die Gedenkstätte, die seit 50 Jahren in Dinkelsbühl in diesem wunderschönen Lindenhain aufgebaut wurde und dafür steht, dass wir auch unsere Vergangenheit nicht vergessen. Insbeson-dere die Menschen, die viel Leid erfahren haben, die Tragik, die in manchen Biografien in unserer Gemeinschaft enthalten ist und die ihr Leben beeinflusst hat. Es ist für mich ein sehr schöner Abschluss eines jeden Heimattages, gerade dort zu sein.
Und als letzter Punkt: der Trachtenumzug. Er hat gezeigt, dass wir doch noch sehr jung, sehr lebendig, sehr aufgeschlossen und sehr initiativ sind. Deswegen bin ich sehr zuversichtlich, dass wir nicht nur das Sachsentreffen im August in Hermannstadt, auf das ich mich wahnsinnig freue, sondern auch noch viele Heimattage in Dinkelsbühl gemeinsam feiern werden. Das Interesse ist nach wie vor groß – und das freut mich sehr!

Sehen Sie in den Heimattagen einen Unterschied zu früher – eine Entwicklung in der Gemeinschaft?

Selbstverständlich entwickelt sich die Gemeinschaft weiter, auch die jungen Leute haben immer andere Schwerpunkte. Es gibt Aspekte in Heimattagen von heute, die man vor 20 Jahren noch gar nicht geträumt hätte. Eine Entwicklung ist vielleicht insoweit da, als vermehrt auch Landsleute aus Siebenbürgen anwesend sind. Das Trennende, das Hier und Dort, verschwindet immer mehr. Das ist es, was mir Zuversicht gibt.

Wie hat sich die politische Sichtbarkeit der Siebenbürger Sachsen in der letzten Zeit verändert?

Die hat sich sehr verändert – und sehr zum Positiven! Man erkennt endlich, dass die Siebenbürger Sachsen – nicht nur etwa vor 450 Jahren, im nächsten Jahr jährt sich das Toleranzedikt – Gemeinsamkeit in Vielfalt gelebt haben und eine sehr pro-europäische Wesenseinstellung auch tatsächlich tragen. Diese politische Sichtbarkeit ist gerade an diesem Heimattag besonders deutlich zutage getreten, wenn man überlegt, dass die Präsidentin des bayerischen Landtags (Red.: Barbara Stamm, CSU) sehr nachdenklich gefordert hat, dass, ich zitiere sie: „die Großen dieser Welt, bevor sie sich bei einem G8-Gipfel oder gar bei einem G20-Gipfel treffen, doch einmal einen Heimattag der Siebenbürger Sachsen miterleben müssten, weil das ihre Anschauungen sehr schnell zurechtrücken würde“, dann ist das schon sehr bezeichnend. Ich kann dieser Aussage, die mich sehr beeindruckt hat, gern eine weitere beigeben: Es hat einmal ein Kollege aus dem Deutschen Bundestag nach einer gemeinsamen Siebenbürgen-Reise hoch anerkennend gesagt, man müsste eigentlich jedem in Deutschland, dessen Anschauung verschoben ist, zwei Wochen Siebenbürgen auf Krankenschein verordnen. Dass man einen Aufenthalt in Siebenbürgen bereits als heilsam für politische Auffassungen versteht – das ist doch ein unglaubliches Kompliment für die Siebenbürger Sachsen weltweit!

Geht es bei diesem Kompliment nur um die Siebenbürger Sachsen – oder spielen auch andere Dinge hinein, die in Siebenbürgen Vorbildfunktion haben?

Danke für die Frage, weil sie mir die Gelegenheit gibt, ein vielleicht entstandenes Missverständnis klarzustellen: Die Siebenbürger Sachsen als solche sind für sich alleine nicht denkbar. Die Siebenbürger Sachsen sind nur Siebenbürger Sachsen im Zusammenspiel mit allen anderen mitlebenden Ethnien: mit den Rumänen, mit den Ungarn in Rumänien, mit den Roma. Wir haben dies im siebenbürgisch-sächsischen Museum in Gundelsheim deutlich klargestellt: Es wird Ihnen auffallen, dass im Eingangsbereich verschiedene Hüte auf Stangen stehen. Diese sollen darstellen, dass in Siebenbürgen eine multiethnische Gesellschaft funktioniert und es zum Selbstverständnis der Siebenbürger Sachsen gehört, mit allen, die dort sind, zusammenzuleben. Deswegen ist es natürlich immer ein gemeinsames Siebenbürgen.

Kommen wir zum Aspekt des Bewahrens: Welche Bedeutung hat Schloss Horneck, das ja nun kürzlich als „Sachsenburg“ gerettet wurde, für die Siebenbürger Sachsen?

Schloss Horneck ist, auch wenn es hochtrabend klingt, das kulturelle Rückgrat unserer Gemeinschaft – und zwar nicht nur für Deutschland, sondern weltweit. Es ist das größte Zentrum siebenbürgisch-sächsischer wissenschaftlicher Kultur mit der größten Bibliothek und dem größten Archiv. Es ist eine Stätte der Wissenschaft, wo Studenten aus Rumänien bis aus Neuseeland Promotionen zum Thema Siebenbürgen erarbeiten – nicht nur zu den Siebenbürger Sachsen, sondern im umfassenden Kontext. Dieses ganze kulturelle Zentrum drohte heimatlos zu werden, weil das Museum in eine Insolvenzmasse gefallen war. Eine Zerschlagung dieser Kultureinrichtung in ihrer Gesamtheit hätte vielleicht das Ende bedeutet. Es ist uns deswegen sehr wichtig gewesen, Schloss Horneck als die Hülle dieser ganzen kulturellen Inhalte zu erhalten, damit das weitergehen kann. Und es ist in einer gemeinsamen Kraftanstrengung gelungen, zum Beispiel auch mit Unterstützung unserer Heimatkirche, der evangelischen Kirche in Rumänien, dieses Schloss zu erhalten. Ich hoffe auch, dass die Mittel, die der Deutsche Bundestag bereitgestellt hat – immerhin 1,9 Millionen Euro, um aus diesem Gemäuer ein Kultur- und Begegnungszentrum zu machen – möglichst bald wirken.

Was haben Sie sich für die nächste Zeit vorgenommen – an Veränderung oder Bewahrung ?

Ich möchte auf dem Wege weitermachen, dass ich zu einem Gemeinschaftssinn unserer Landsleute in einem grenzüberschreitenden Verständnis beitrage. Ich habe einmal gesagt, dass der Beitritt Rumäniens zu der Europäischen Union nichts anderes gemacht hat, als uns Siebenbürger Sachsen die Heimat zurückzugeben. Wir leben jetzt in einer politischen Entität, in einem Staatengefüge, wo wir alle, ob wir in Hermannstadt oder Wien oder München leben, EU-Inländer sind. Der EU-Beitritt Rumäniens hat uns mit der Freizügigkeit die Möglichkeit geboten, das Siebenbürger-Sachse-Sein auf ganz Europa auszuweiten – und das finde ich sehr, sehr schön.

Vielen Dank für die interessanten Ausführungen.