Es war einmal…im Banat

Die Geheimgänge von Alt-Temeswar

Der Sitz der heutigen Nationalbank in Temeswar Foto: Zoltán Pázmány

Nur in der Erinnerung etlicher Alt- Temeswarer leben noch manch interessante historische Überlieferungen fort. Vergebens versucht man jedoch aus Büchern oder alten lokalen Dokumenten etwas darüber zu erfahren. Das Meiste lebt nurmehr im Volksmund fort. Besonders beschäftigten die Phantasie der Temeswarer die unterirdischen Geheimnisse der jahrhundertealten Stadt an der Bega, aus der Türkenzeit aber vor allem aus der frühen Kaiserzeit, nach 1716. Einige davon, die unterirdischen Geheimgänge der Stadt, sollten noch in den 30ger Jahren existiert haben. Zum Gesprächsstoff wurden und werden diese Geheimnisse der Stadtgeschichte stets in Zeiten großer Bauarbeiten und Ausgrabungen in der Innenstadt. So z.B. während der letzten Jahre, als die Temeswarer Altstadt im Rahmen eines großangelegten Sanierungsprozess umgestaltet wurde und vor allem Überreste der 164jährigen Türkenherrschaft in Temeswar gefunden und zum Teil auch museal ausgewertet wurden.

Der Temeswarer  Lokalhistoriker Bela Schiff  berichtet uns über einen Zeitzeugen: Ein ehemaliger Kanalisierungspolier, Karl Bazil, erzählte ihm geheimnisvolle Geschichten, nämlich sowohl über diese alten Geheimgänge als auch über einen großen Gold- und Silberschatz.

Die Überreste eines der Geheimgänge hatte er, wie er erzählte, 1909-1911 vor dem Eingang zum Palais der damaligen Franco-Romana-Bank, Parkzeile 6, heute Sitz der Nationalbank, mit eigenen Augen gesehen. 1911 wurde die Kanalisierung bis zum Gefängnis ausgebaut und ein Anschluss zum Hauptkanal geschaffen. Während den Arbeiten stieß man bei 3,5Meter Tiefe auf ein festes Mauerwerk. Es zog sich unter der Straße vom Palais in Richtung Siebenbürger Kaserne. Die Arbeiter brachen das Mauerwerk durch. Man gelangte so in einen mächtigen unterirdischen Gang, 2,80 Meter hoch und 3 Meter breit. In Abständen von 80Zentimeter wurden Nischen entdeckt. In einigen gab es Spuren von schwarzem Schießpulver. In mehreren standen Gewehre. Bazil meinte, diese Nischen dienten dazu, um eventuell im Notfall das ganze Werk in die Luft sprengen zu können. Dieser Gang, behauptete Bazil, musste im Huniadi-Kastell geendet haben. Bei der Basteiecke  hinter dem Magazin (heute unweit der Medizinfakultät) war ebenfalls ein Weg zu solch einem Geheimgang.

Oft wurden diese Geheimgänge mit der alten Kanalisierung aus der Festungszeit ( in der Innenstadt auf einer Länge von Kilometern) verwechselt. Vielleicht gar absichtlich. In den Skizzen des alten Kanalisierungswerks ist jener von dem Polier Bazil  erwähnte Gang nicht zu finden. Es soll noch andere Gänge gegeben haben. Dem städtischen Ingenieursamt hat in den20ger Jahren am Prinz-Eugen-Platz (heute Freiheitsplatz) der Einsturz eines dieser Gänge viel zu schaffen gemacht. So wird erzählt. Vor dem altenStadthaus hat man um1930 am Rasen des dortigen Blumenbeetes noch immer eine Vertiefung bemerkt .Dort soll sich dieser Gang hingezogen haben. Dieser unterirdische Gang soll sicher für das Passieren von Menschen bestimmt gewesen sein, hätten damals die Stadtingenieure behauptet. Es sollen, so wird erzählt,  im alten Temeswar jedoch noch allerhand andere Geheimgänge bestanden haben: So Gänge, die die Festung mit dem Türkenschloss im Jagdwald, mit dem alten Türkenhaus in der Elisabethstadt und mit dem Präsidentengarten, wo das Lusthaus des Paschas stand, verbunden hätten.

(Aus einem Bericht von B. Schiff, „Temeswar-Temeschburg, Timișoara“, HOG Temeschburg 1994)