Evangelische Kirche A.B. Rumänien jenseits Siebenbürgens

Visitation des Bezirkskonsistoriums Kronstadt im Altreich x

In der evangelischen Kirche in Ploiești (1942) findet auch heute noch immer wieder Gottesdienst statt. Fotos: Bezirkskonsistorium Kronstadt

Um nach Brăila zu kommen, setzten die Mitglieder des Bezirkskonsistoriums mit der Fähre über die Donau.

Bezirkskirchenkurator Ortwin Hellmann vor dem Eingang in die einst evangelische Kirche in Brăila

Bezirkskirchenkurator Ortwin Hellmann vor dem Eingang in die einst evangelische Kirche in Brăila

Die aktuelle Kirchenordnung der EKR sieht vor, dass ein Bezirkskonsistorium innerhalb eines Mandates alle Kirchengemeinden des Bezirkes visitieren sollte. Nach mehreren in Siebenbürgen durchgeführten Visitationen nahm sich das Bezirkskonsistorium Kronstadt im Oktober 2019 nach langem Planen dieses Vorhabens an und führte eine Visitation in den Gemeinden des sogenannten Altreiches, also jenseits der Karpaten, durch. Bekanntlich gehören zu dem 47 Kirchengemeinden zählenden Bezirk Kronstadt nicht nur die Gemeinden der drei historischen Kernregionen (Burzenland, Fogarasch und Reps) sondern auch Bukarest, Ploiești, Câmpina, Konstanza, Jassy, Buhuși, Brăila. An dieser Stelle sei auch erwähnt, dass der Kirchenbezirk Kronstadt mit 4262 Mitgliedern unter den fünf Bezirken der EKR, nicht nur flächenmäßig, der größte ist.
Erste visitierte Kirchengemeinde war Câmpina, in der evangelischen Kirche, die der Adventistischen Glaubensgemeinde schon vor vielen Jahren übereignet wurde, erwarteten uns sechs Mitglieder. Dechant Dr. Daniel Zikeli hielt eine Andacht. Im Anschluss wurden sowohl Informationen aus der Vergangenheit, als auch die aktuellen Sorgen und Wünsche ausgetauscht.

Weiter ging es nach Ploiești, wo der Friedhof besucht wurde, eine gepflegte, sehenswerte Anlage. Die Kirche, 1936 bis 1942 erbaut, erinnert an das Erscheinungsbild einer siebenbürgischen Kirchenburg und hat auch eine interessante Vergangenheit. Zur Einweihung kamen auch damalige Nazigrößen, unter anderen Rudolf Hess und Baldur von Schirach
Abends trafen sich die Mitglieder des BK mit den Mitgliedern des Bukarester Presbyteriums. Nach gegenseitigerVorstellung, Einführung und Einsicht in die Buchführung kam es zu einer regen Diskussion, in der auch die vielseitigen Projekte und Tätigkeitsbereiche der Kirchengemeinde wie Renovierungsarbeiten, Kulturtätigkeiten, aber auch die Sorge, wie die vakante zweite Pfarrstelle besetzt werden soll, angesprochen wurden. Auch wurde festgestellt, dass es in den letzten dreißig Jahren keine Besuche der kirchlichen Oberbehörden gab.

Samstagmorgen, nach einem kurzen Stadtrundgang, wurde der Friedhof besucht, wo umfangreiche Sanierungsarbeiten im Gange sind. Der Friedhof ist auch seit vielen Jahren eine konsistente, finanzielle Einnahmequelle für die Gemeinde. Sehenswert sind die gepflegten Grabstätten vieler bekannter Persönlichkeiten, so auch die der hier ruhenden evangelischen Ordensschwestern, auch als Diakonissenschwestern in die Geschichte eingegangen.
Vor der Abfahrt führte Stadtpfarrer Dr. Daniel Zikeli durch die Kirche, einmal das höchste Bauwerk Bukarests. Viele außergewöhnliche Details wurden in Augenschein genommen, wie die Königsloge, 40 Arbeiten aus dem Zyklus „Biblia Sacra“ von Salvador Dali, die da zeitweilig ausgestellt sind, aber auch mobile Kulturgüter anderer Gemeinden, die hier eine sichere Zukunft gefunden haben (Taufbecken aus Brăila, Altarbild aus Câmpina und Pitești u. v. a.) Die Evangelische Kirche Bukarest leistet auch einen hervorragenden Beitrag zu dem Kulturleben der Hauptstadt.
Auf der so gut wie leeren Autobahn ging es nach Konstanza, in der dortigen Begegnungsstätte ist auch ein Andachtsraum eingerichtet. Dechant Dr. Daniel Zikeli hielt eine Abendmahlsandacht.

Im Ferienhaus Techirghiol, das vorbildmäßig und unter größtem Aufwand von der Bukarester Kirchengemeinde verwaltet wird, wurde dann noch lange über das Gesehene gesprochen.
Sonntag besuchten wir dann ehemalige Gemeinden der Dobrudschadeutschen. In Tariverde, wo die Kirche von der orthodoxen Gemeinde genutzt wird, unterbrach der Pfarrer sogar den Gottesdienst und freute sich über den unerwarteten Besuch. Ein Gedenkstein errinnert an die deutsche Vergangenheit. In Atmagea, der ersten, 1867, gegründeten evangelischen Kirchengemeinde der ehemals 16.000 Mitglieder zählenden Do-brudschadeutschen, wird die Kirche, übrigens aufwendig renoviert, auch von der orthodoxen Ortsgemeinde genutzt.
Nach Donauübersetzung mittels Fähre besuchten wir die Kirchengemeinde in Brăila. Diese teilt sich das zu Beginn des 20. Jahrhunderts erbaute Gotteshaus mit einer der orthodoxen Stadtgemeinden. Über dem Haupteingang ist auch heute noch klar zu lesen: „Ein feste Burg ist unser Gott“, wahrscheinlich die letzte deutsche Inschrift in dieser ehemals für viele siebenbürgische Kaufleute wichtigen Hafenstadt.

Nachdem wir uns an das dann doch etwas fremd anmutende innere Erscheinungsbild gewöhnt hatten, begrüßte uns der orthodoxe Pfarrer und stellte mit erstaunlich präzisem Baufachwissen die Sanierungsarbeiten an dem Gebäude vor. Von den anwesenden Mitgliedern der evangelischen Gemeinde spricht keiner mehr Deutsch.... Die aus Bukarest mitgebrachten zweisprachigen Gesangbücher erfüllten wieder einen guten Dienst, und dass Rumänisch als Verkündigungssprache verwendet wird, wundert mittlerweile eigentlich niemanden mehr. Anschließend wurde der Friedhof besucht. Nach einem letzten gemeinsamen Mittagessen trennten sich die „Bukarester“ von den „Siebenbürgern“, wobei letztere eine trotz dichtem Nebel imposante Karpatenüberquerung, und zwar durch das Vranceagebirge von Foc{ani über Tg. Secuiesc, heimwärts unternahmen.

Fazit: Eine anstrengende Reise, wir fuhren rund 1000 Kilometer mit vielen, überwiegend bewegenden Eindrücken. Begegnungen mit Menschen, die trotz räumlicher Isolation und weiteren Widrigkeiten ihren evangelischen Glauben im Sinne christlicher Ethik in beeindruckender Weise leben. Aber es konnten auch Grenzen der Möglichkeiten festgestellt werden, diese Kirchengemeinden intensiver zu betreuen. Das Bezirkskonsistorium hat sich dennoch verbindlich vorgenommen, verstärkt Beistand zu leisten. Was wir noch mitbrachten: Den Mitgliedern der gut betreuten Gemeinden aus Siebenbürgen zu schildern, in welch schon fast privilegierter Lage diese sind, einen Pfarrer in Reichweite zu haben, gut oder weniger gut funktionierende Strukturen zu haben, ein Gemeinschaftsgefühl einer anderen Dimension wahrnehmen zu dürfen. Aber auch, dass man mit den anderskonfessionellen und andersnationalen Glaubensbrüdern näher zusammenrücken kann. Und dass Wege gefunden werden können, auch mit auf ein Minimum geschrumpften Gemeinden nicht zu verzagen.

All diesen Menschen, die mit viel Engagement und Überzeugung in den besuchten Orten in der Verantwortung stehen und handeln, die bestrebt sind, die Gemeinschaften und das Erbe nicht in Vergessenheit versinken oder gar zerbrechen zu lassen, sei dafür ausdrücklich gedankt. Auch wünsche ich dazu weiter viel Mut, Kraft und Gottes reichen Segen.