Experiment Theater – Treffpunkt Kronstadt

Die erste Auflage der deutschsprachigen Studententheatertage

Dr. phil. Eugen Christ, Geschäftsführer der Donauschwäbischen Kulturstiftung des Landes Baden-Württemberg, im Gespräch mit einer Teilnehmerin am Internationalen Festival.

Schlussszene von „Draußen vor der Tür“, mit dem deutschen Text von „Where Have All the Flowers Gone“ von Max Colpet.

Das Festival enthielt auch Workshops zu unterschiedlichen Themen. Hier eine Gruppenübung über den Hoch/Tief Status an welcher sich auch Maria Petrovic-Jülich (Bildmitte) beteiligte.
Fotos: Hans Butmaloiu

Die Veranstalter, das Deutsche Kulturzentrum Kronstadt zusammen mit der Donauschwäbischen Kulturstiftung des Landes Baden-Württemberg haben sich ein hohes Ziel gesetzt, welches sie – nachträglich betrachtet- auch erreicht haben: über die Brücke der deutschen Sprache ein Treffen von jungen Leuten zu ermöglichen, bei dem jeder der sechs Gruppen die Freiheit für die Wahl eines kurzen Theaterstückes überlassen wurde. Und das gab den Aufführungen den besonderen Reiz: ohne den Zwang eines vorgegebenen Repertoires entschieden sich die Jungschauspieler für ihnen nahe stehende Themen. Zwar hat die Theaterkunst zwei gleichberechtigte Musen (Melpomene für die Tragödie und Thalia für die Komödie), doch diesmal wurde erstere leicht bevorzugt und zwar gleich vom ersten Abend an.

Die Deutsche Schauspielabteilung Temeswar (West-Universität, Hochschule für Musik und Theater) trat mit dem in der Gosse angesiedelten Stück „Go.Dot“ von Simona Vintilă auf. Sehr überzeugend in der Rolle der Ausgerissenen war Ioana Ni]ulescu. Interessant war dabei auch die Bühnenbewegung der Nebenpersonen: der Polizist, die Prostituierte und ihre Tochter, Zuhälter und Drogendealer in einer Person mit dem Möchtergern-Charme eines Elvis Presley, welche die Haupthandlung abrundete.

Die folgende Aufführung des Akademischen Theaters der Germanistikstudierenden FILUM (Fakultät für Philologie und Künste) aus Kragujevac, Serbien zielte sehr hoch mit „Draußen vor der Tür“ von Wolfgang Borchert in der Regie von Jelena Gojic. Leiterin Marina Petrovic-Jülich erklärte uns auf die Frage nach der Auswahl eben dieses Stückes: „Das Stück von Borchert ist auch bei uns im Unterricht vertreten, im vierten Studienjahr lesen die Studierenden dieses Drama und jetzt hat sich eine Gruppe entschlossen eben dieses Stück auf die Bühne zu bringen. Es war die Idee und der Wunsch der Studierenden, eine Vergangenheitsbewältigung, das Trauma des Krieges aus dem Stück als Ansatz für eine emotionale Überwindung und Aufarbeitung der näheren Vergangenheit.“
Die Hauptperson, ein heimgekehrter Soldat, kann das Erlebte nicht verkraften und trifft auf seiner Suche nach einem Neuanfang nur auf die abweisenden Vertreter der daheim gebliebenen. Den Höhepunkt bildeten die verstorbenen Personen im Finale, welche nach und nach wieder zum Leben erwachten, um sich dem wohl bekanntesten Antikriegslied „Where Have All the Flowers Gone“ (1955, Pete Seeger) anzuschließen.

Marina Petrovic-Jülich: „Das Stück ist für den einfachen Soldaten, sein Trauma, ohne Zugehörigkeit gedacht, für die Menschen welche das schwere Leid tragen, in jedem Krieg tragen“.

Beide Stücke haben stark beeindruckt und während der Pause kommentierte für uns ein Zuschauer dessen Anonymitat wir bewahren: „Wir machen eine Rumänienreise, sind erst heute angekommen und auf dieses Theaterfestival gestoßen, selbstverständlich ist es für uns sofort ein Bedürfnis geworden, mindestens den ersten Abend dabei zu sein und ich muss gestehen, dass wir begeistert sind. Vor allem von dem Eröffnungsstück (Go.Dot). Wir haben damals in Deutschland, ich meine den Anfang der 90-er, viel von den Straßenkindern Rumäniens gehört, doch dass jetzt die nächste Generation so gefühlvoll dieses Drama aufgreift und aufarbeitet, fanden wir besonders ergreifend. Es ist ein Abschnitt komprimiertes Leben, sehr beeindruckend!“ 

Mindestens ebenso interessant waren die Vorstellungen der beiden folgenden Tage: „Ende der Kindheit“ von Do van Ranst, gespielt von der Theatergruppe der Babes-Bolyai Universität, Departement für Pädagogik und Didaktik in deutscher Sprache Klausenburg und 

„Orpheus und Eurydike tanzen in der Unterwelt. Ein Fragment“ von  Dr. Carmen Elisabeth Puchianu (auch Regie),  gespielt von „Die Gruppe“ der Transilvania Universität, Philologische Fakultät Kronstadt, „Goethe. Groteske in zwei Bildern“ von Alfred Polgar und Egon Friedell, gespielt von den Studenten des Lehrstuhls für Germanistik der Philosophischen Fakultät in Novi Sad, Serbien und die Vorstellung „Der Mensch muss horchen und lesen und in Bewegung sein“ von Joseph von Eichendorff, Ingeborg Bachmann, Joachim Ringelnatz, Helmuth Heißenbüttel u.a.  des Sprecherensembles der Akademie für gesprochenes Wort Stuttgart. Ein ausgewogenes Angebot.

Über die Erwartungen gegenüber dieser Veranstaltung, welche an sich eine Premiere für Kronstadt darstellt, befragten wir Dr. phil. Eugen Christ von der Donauschwäbischen Kulturstiftung noch vor der ersten Aufführung: „Also erstmals bringe ich keine Erwartungen mit, sondern ich komme mit einer riesengroßen Freude, einerseits weil sich Jugendliche aus Rumänien, Serbien  und Deutschland treffen und dass die deutsche Sprache, die deutsche Kultur gepflegt wird.Andererseits ist es so, dass die deutsche Sprache, die am meisten gesprochene Muttersprache in Europa ist und sie eröffnet auch auf dem Arbeitsmarkt, europaweit Chancen. Deshalb glaube ich, dass sich durch dieses Treffen, eben über die Brücke der deutschen Sprache, ein idealer Austauschplatz für Jugendliche ergibt. Man darf nicht vergessen, Theater ist unter vielem anderen auch ästhetische Erziehung.  Zehn Minuten Mozart am Tag für alle Jugendlichen zwischen neun und sechzehn Jahren würde viel weniger Kriege in der Welt bedeuten.“

Eine klare Erwartung sprach Dr. Carmen Elisabeth Puchianu in ihrem Eröffnungswort aus: „(…) Das Anliegen der Veranstalter ist es jungen und älteren Leuten die Möglichkeiten des Theaters vorzuzeigen, Theater als Verbindungsmöglichkeit, als Kommunikation zwischen Generationen, zwischen Kulturen, aber auch als didaktisches Mittel, als Herangehensweise an eine andere Sprache und Kultur. (…) Wir hoffen dass dieses Festival eine Zukunft haben wird, wir denken an eine Fortsetzung in Form einer Biennale, dass kann dann auch den Gruppen auch den notwendigen Zeitraum geben sich zu erneuern und vorzubereiten. (…) Die Veranstaltung war möglich dank des Entgegenkommens von Marius Cisar, Leiter der Redoute,  dieser wunderbaren Kulturinstitution. (…) Mein Dank richtet sich auch an  Roxana Florescu, Leiterin des Deutschen Kulturzentrums ,ebenso wie auch an die Volontäre des Jugendforums Kronstadt.“