„Fährt schon wieder der Zug ab?!“

Rumänien könnte wieder die EU-Finanzierungen zur Beseitigung alter Bergbau-Abraumhalden verpassen

Mitte der 1980er Jahre war die Lage der beiden Klärteiche zwischen Neumoldowa und Coronini (damals: „Pescari) unhaltbar geworden. Unter dem Vorwand, eine Brücke nach Jugoslawien bauen zu wollen, begann Rumänien mit dem Bau der heute noch stehenden Eisenbrücke, die allerdings bloß als Stütze für Transportbänder hätte dienen sollen, mit denen der Abraum aus der Kupferanreicherung auf die Donauinsel Ostrov hätte gekippt werden sollen – damals schon ein ausgewiesenes Naturreservat. Jugoslawien stoppte das Vorhaben 1988 mit Hilfe des Haager Internationalen Gerichtshofs.

Mit einjähriger Verspätung, gemessen an der der EU gegenüber eingegangenen Verpflichtung Rumäniens und an dem vom EU-Gerichtshof per Gerichtsurteil festgelegten Termin, ist zwischen Neumoldowa und der Gemeinde Coronini eine auf Staatskosten gebaute Sprenkelanlage in Betrieb gegangen, die die beiden Klärteiche Tăuşani und Boşneag befeuchtet, damit der in der Donauklamm wehende Sturmwind Coşava den Giftstaub nicht auf das dicht besiedelte Donautal beim Eisernen Tor ausbreitet. Aber auch wenn die Sprenkelanlage in Betrieb ist, ist damit weder die Frage der Dekontamination noch der Wiederherstellung des natürlichen Umfelds der rund 170 Hektar bedeckenden Abraumhalden gelöst. Fotos: Zoltán Pázmány

Der Leiter der Orawitzaer Umweltschutzorganisation GEC Nera (Gruppe für Zusammenarbeit in der Ökologie „Nera“), Dr. iur. Cornel Sturza-Popovici, Ex-Senator der verblichenen PNŢ-CD, wendet sich in einem offenen Brief ans Ministerium für Umwelt, Gewässer und Forste sowie an die Öffentlichkeit mit einem Alarmruf: Wenn Rumänien sich nicht schnell rührt, verpasst es auch in der kommenden Haushaltsperiode der EU (2021-2027) die Möglichkeit, die zahlreichen Abraumhalden aus dem Bergbau und der Erzanreicherung, die in der Größenordnung von einigen Hundert im Innern und rund um den Karpatenbogen eine ständige Umweltbedrohung darstellen, umweltfreundlich zu sanieren und erfolgreich zu dekontaminieren.

Denn die seit der Wende vergangenen 30 Jahre haben gezeigt: Das Bukarester Wirtschaftsministerium, das als Eigentümer im Namen des Staates  für diese umweltbelastenden Spuren vergangener Wirtschaftstätigkeit verantwortlich ist, bringt nie und nimmer das Geld auf für deren Sanierung. Umso weniger in einem Landkreis wie Karasch-Severin, wo der Bergbau seit knapp zehn Jahren gänzlich eingestellt ist, woher also keinerlei Einkommen aus diesem Wirtschaftszweig, sondern bloß noch Ausgabenlasten kommen können. Dazu ist kein Geld vorhanden.

„Zur Stunde arbeitet die Entwicklungsagentur ADR Vest am Projekt des Regionalprogramms (POR) sowie des Sektiorialprogramms Umwelt, (POS Mediu), die im Hinblick aufs EU-Budget 2021-2027 ausgearbeitet werden – schließlich werden die  regionalen Entwicklungsagenturen ab der kommenden EU-Haushaltsperiode in jedem Land die Haupt-Schaltstellen für EU-Gelder – im EU-Sprachusus: Sie werden zur „Management-Behörde“ für diese Fonds. Das ist die richtige Gelegenheit und der Augenblick, sich mit dem Problem der Notwendigkeit der Sanierung der Abraumhalden aus dem Banater Bergland vormerken zu lassen, um nicht auch noch diesen Zug zu verpassen!“, so der Gründer und Leiter von GEC Nera. Außerdem wird POR 2021-2027 zum wichtigsten Finanzierungsinstrument mit EU-Mitteln (nicht nur) für die gesamte Westregion, durch seine zwei Finanzierungs-Achsen: Achse 3 – „Eine Region mit umweltfreundlichen Städten“ und POS Umwelt, die dafür zur Verfügung stehen. Es geht um die Dekontamination der Abraumhalden von Erzanreicherungswerken (die bekanntesten unsanierten und nicht dekontaminierten Abraumhalden sind im Banater Bergland die beiden Klärteiche Tăuşani und Boşneag am Donauufer, zwischen Neumoldowa und der Gemeinde Coronini, wegen denen gegen Rumänien ein Vertragsverletzungsverfahren lief) und deren Begrünung (Fachjargon: „ökologische Rekonstruktion“), um die Staubentwicklung einzudämmen bzw. komplett in den Griff zu bekommen.

Abraumhalden aus Bergbau und Erzanreicherung gibt es im Banater Bergland am Rande praktisch aller ehemaligen Bergwerksorte des Banater Erzgebirges, also praktisch zwischen dem Bersau-Tal von Reschitza bis Bokschan im Norden und dem Donaudurchbruch beim Eisernen Tor im Süden – bei Anina-Steierdorf (Kohlen und Eisen), Ciudanoviţa (Uran), Deutsch-Saska / Sasca Montană - Orawitza (Kupfer, Bunt- und Edelmetalle), Neumoldowa/Moldova Nouă (Kupfer, Eisenerz), Bokschan-Eisenstein / Ocna de Fier (Eisen, Kupfer, Bunt- und Edelmetalle), Dognatschka / Dognecea (Eisen, Kupfer, Bunt- und Edelmetalle), Lupak und Doman (Kohlen, Eisen). In manchen der genannten Ortschaften gibt es sogar mehrere ökologisch ungesicherte Abraumhalden, einige davon in geradezu unmittelbarer Nähe der Wohnsiedlungen.

Dr. Sturza-Popovici: „Im Falle aller dieser Gruben und Erzanreicherungswerke handelt es sich um stillgelegte Unternehmungen. Inzwischen hat sich auch erwiesen, dass die Hoffnung auf Finanzierungen zwecks Ökologisierung seitens des Staates – sämtliche Gruben und Erzanreicherungswerke gehören dem rumänischen Staat – eine illusorische ist. So etwas setzt hohe Geldsummen voraus. Und alle bisherigen staatlichen Entwicklungsstrategien haben solcherlei Investitionen als in den Sand gesetztes Geld angesehen, weil sie keinerlei mittel- und kurzfristige materielle Gewinne zeitigen können. Sie `produzieren` nicht. Und wer denkt schon an die Gesundheit der Anwohner?!“

Dabei ist es erwiesen, dass die Umweltverseuchung durch die Abraumhalden des Bergbaus eine schwere Belastung für die Bewohner der betreffenden Ortschaften darstellt. Zudem sind sie ein offensichtliches Entwicklungshemmnis für diese Ortschaften, weil es seit Langem – auch dank der umsichtigen und zukunftsorientierten Arbeit der Umweltschutzorganisationen – kein „Geheimnis“ mehr ist, etwa wie zu kommunistischer Zeit, als es „so etwas“ gar nicht gab. Abgesehen von der Schaffung von Möglichkeiten zur freien Entwicklung der Artenvielfalt, der „grünen Infrastruktur“ des urbanen Umfelds und zur Verringerung bis Eindämmung der Luft-, Boden- und Gewässerverschmutzung, zu der sich alle EU-Mitgliedstaaten verpflichtet haben.
In den bisher erlebten Haushaltsperioden der EU hat sich Rumänien in vielen Fällen vor seiner Verantwortung betreffs Ökologisierungspflicht der aufgelassenen Bergbauhalden gedrückt, indem der Staat sich aus gemischten Besitzverhältnissen zurückzog und Privatfirmen die Verantwortung zuschob, nicht ohne in manchen Fällen dann seine Umwelt-Kontrollorgane gegen diese vorgehen zu lassen.

Dem hat der EU-Gerichtshof einen Riegel vorgeschoben, so wie etwa im Falle Neumoldowa, wo der Staat nach 40 Jahren Nutzung des Kupfervorkommens und des Erzanreicherungswerks als verantwortlich auch für die zurückgebliebenen Abraumhalden befunden wurde. Und plötzlich „fand“ der rumänische Staat die Geldmittel, um zumindest eine Sprenkelanlage auf die beiden Klärteiche T²u{ani und Bo{neag zu bauen – mit allen Nach- und einigen Vorteilen.

Die Umweltschutzorganisationen loten gegenwärtig die Möglichkeiten aus, auch im Falle anderer unverfestigter und nicht dekontaminierter Abraumhalden im Karpatenraum vor das EU-Gericht zu ziehen und den Staat Rumänien zu verklagen. Zudem mögen die Kommunen und der Kreisrat Karasch-Severin ihrer Pflicht zum Schutz der Bürger vor solcherart Umweltverseuchung nachkommen, meint, nicht zu Unrecht, der Leiter von GEC Nera.