Folge von Frustration, Ärger und Angst

IRSOP-Analyse über das Wahlergebnis vom 6. Dezember

Warum hat die PNL die Wahlen verloren? Was bewirkte das Erstarken der PSD? Wodurch wurden die Parlamentswahlen vom 6. Dezember am stärksten beeinflusst?  Und wie ist das plötzliche und unerwartete Erscheinen einer neuen Rechtsaußenpartei wie AUR zu erklären?

Mit diesen Fragen befasst sich das unabhängige Meinungsforschungsinstitut IRSOP in einer neuen, am 9. Dezember veröffentlichten Analyse. Bereits am 2. Dezember hatte IRSOP auf Basis einer Umfrage kurz vor den Wahlen darauf hingewiesen, dass das Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Liberalen und Sozialdemokraten eng werde, mit Überraschungen sei zu rechnen.

Das Wahlergebnis reflektiere die Gefühle der Unsicherheit in der Wählerschaft, ausgelöst durch die Gesundheitskrise, die prekäre finanzielle Lage großer Teile der Bevölkerung und die Schwäche der Regierung. Die schwache Teilnahme sei auf extreme Unsicherheit im Rahmen der Corona-Pandemie zurückzuführen. Bereits die Umfrage vom 2. September hatte ergeben, dass über die Hälfte der Bevölkerung besorgt war bezüglich der Verbreitung des Virus und der Auswirkungen der Pandemie.

Die IRSOP-Experten erläutern hierzu, das Gefühl der extremen Unsicherheit sei aber nicht zu verwechseln mit Risiko: Risiko bedeutet, die Gefahr zu kennen, einschätzen und vorbeugende Schutzmaßnahmen ergreifen zu können. Extreme Unsicherheit bedeute hingegen, keine Einschätzung der Gefahr vornehmen zu können und nicht zu wissen, welche Entscheidungen in der nahen Zukunft zu treffen seien.

Die Folge: allgemeine Entscheidungsunsicherheit und Unsicherheit in Bezug auf die Formulierung von Präferenzen. Wer in dieser Lage über ausreichende Ressourcen verfügt, sei eher bereit, Unannehmlichkeiten hinzunehmen. Wo jedoch Ressourcen fehlen, überwiegt die Angst.

Wodurch wurden die Wahlen beeinflusst?

Das Wahlergebnis vom 6. Dezember war entscheidend beeinflusst vom Empfinden der Bürgerinnen und Bürger, von der Regierung keine den realen Umständen sowie dem subjektiven Gefühl der extremen Unsicherheit angemessene Unterstützung zu erhalten, schlussfolgert IRSOP. Unter solchen Bedingungen blieb die Mehrheit der Wahlberechtigten der Wahl fern, während das finanziell schwächere Bevölkerungssegment die PSD wählte.

Die vier Tage vor der Wahl veröffentlichte IRSOP-Umfrage zeigte, dass die Unterstützung für die Regierung mit jedem Tag vor dem Urnengang geringer wurde. Die Präferenz für die Nationalliberalen sank, für die PSD stieg sie an, ein Großteil deren Wähler sei jedoch unter den Senioren zu finden sei, die der Wahl aus Angst vor einer Ansteckung mit dem für sie besonders gefährlichen Coronavirus fernbleiben könnten, hieß es.

Das Wahlergebnis reflektiert den Einfluss des Einkommens, so IRSOP: In den Regionen mit einem Familieneinkommen unter dem nationalen Mittel (Nordosten, Südosten, Süden, Südwesten) tendierten die Wähler eher zur PSD, in den Regionen mit höherem Einkommen (Westen, Nordwesten, Zentrum, Bukarest, Ilfov) wurden PNL und USR-PLUS bevorzugt.

Warum hat die PNL verloren?

 In Zeiten der Krise bevorzugen die Menschen sofortige, konkrete, kompetente und problembezogene Lösungen gegenüber langfristigen Plänen und Perspektiven, erklären die Soziologen.

Das Interesse an nicht akuten Themen ist dann gering. Die Bürger wollen energische, kohärente und effiziente Handlungen sehen. Genau hier lag der Fehler der PNL: Sie hat die Wahlen verloren, weil sie falsch oder schwach auf die Herausforderungen der Gesundheitskrise reagierte, schließt IRSOP.

Warum hat die PSD gewonnen?

 Die Sozialdemokraten spielten weiterhin die Rolle der Verteidigerin der Interessen der Menschen mit geringen finanziellen Ressourcen und schürten Hoffnungen auf einen Zuwachs des Einkommens. Die PSD forderte stets lautstark effiziente Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor dem Virus, jedoch ohne allzu große Beschränkungen der Freiheit. Sie beharrte auf finanzieller Unterstützung für die unterschiedlichen sozialen Gruppen, dies in direktem Zusammenhang mit der Pandemie.

Die IRSOP-Umfrage vor den Wahlen zeigte auch, dass die Bürgerinnen und Bürger der PNL mehr Erfolg als Verteidigerin der Unabhängigkeit der Justiz einräumen, der PSD hingegen mehr vertrauen, was die Steigerung des Einkommens betrifft. Gerade für sozial schwache Menschen, enttäuscht von der Regierung und zutiefst beunruhigt, stellte sie damit die sicherere Option dar.

Warum ist AUR auf den Plan getreten?

Krisen verstärken Gefühle der Frustration und  vergrößern das Segment der Bevölkerung, das sich in ihren Zielen und Plänen behindert und eingeschränkt fühlt. Sozialpsychologen wissen, dass große Frustration mit starken Reaktionen und mitunter Aggression einhergeht – vor allem gegen Behörden oder Wissenschaft. Andererseits flüchtet man sich in gleichbleibende traditionelle Werte und Praktiken: Religion, die leuchtende Vergangenheit, absolute Freiheit, die Nation, etc. Frustration erhöht die Tendenz, für die vorhandenen Probleme einen Sündenbock zu suchen: in der Regierung, unter Minderheiten oder angeblichen Untergrundorganisationen. Die Umfrage vom 2. Dezember zeigte, dass 58 Prozent der Befragten über die behördlich auferlegten Einschränkungen beunruhigt waren, nur 11 Prozent über die Verbreitung des Virus.

Die gute Nachricht: Sobald sich die Lebensbedingungen verbessern, tendieren Bewegungen, die auf Frustration, Ärger und Angst beruhen, ihre Anhängerschaft nach und nach zu verlieren und sich aufzulösen – wenn auch mit dem Risiko, bei der nächsten Krise wieder aufzuflackern.