Freidorfer Kinderheim bewältigt Herausforderungen der Pandemie

ADZ-Gespräch mit Caritas-Geschäftsführer Herbert Grün

Durch das regelmäßige Testen des Personals konnte bislang eine Verbreitung des Coronavirus in den Einrichtungen der Caritas vermieden werden, erklärt Geschäftsführer Herbert Grün. Foto: Zoltán Pázmány

Den ganzen Sommer über vergnügten sich die Kinder aus dem Freidorfer Kinderheim in einem Swimmingpool. Bei der Montage war natürlich Teamarbeit angesagt. Foto: Caritas Temeswar

Er war 19, als er nach Temeswar kam, um im Freidorfer Kinderheim als Freiwilliger tätig zu sein: Der neu gewählte Temeswarer Bürgermeister Dominic Fritz hielt die Verbindung zu den Kindern von damals (heute junge Erwachsene) aufrecht und besucht die Sozialeinrichtung der Caritas auch heute noch, so oft er kann. Auf diesem Foto, das 2012 anlässlich der Einweihung eines neuen Baus geschossen wurde, begleitet Dominic Fritz die singenden Kinder auf seiner Gitarre. Foto: Zoltán Pázmány

Es ist das Kinderheim, das in den vergangenen Monaten sehr oft in den Temeswarer Medien – und nicht nur – erwähnt worden ist, und zwar aus einem ganz bestimmten Grund: In jener Sozialeinrichtung absolvierte der neu gewählte Temeswarer Bürgermeister, der Bundesdeutsche Dominic Fritz, vor knapp 17 Jahren sein Freiwilliges Soziales Jahr. Dort, unter den Waisenkindern, lernte Dominic Fritz seine ersten rumänischen Vokabeln, er sang und spielte mit den Kindern und eigentlich dauerte es nicht lange, bis er Land und Leute so richtig gut kennenlernte und in sein Herz schloss; so sehr, dass er sich wenige Jahre später eine eigene Wohnung in Temeswar/Timișoara kaufte und sodann beschloss, mehr für seine Wahlheimat tun zu wollen – indem er, zum Beispiel, für das Amt des Temeswarer Bürgermeisters kandidiert. Das „Mutter-Kind-Haus“ im Temeswarer Stadtteil Freidorf wird vom Caritasverband der Römisch-Katholischen Diözese Temeswar verwaltet, und zwar seit dem Jahr 2000, als dieses ins Leben gerufen wurde. Das Sozialprojekt, das im Laufe der Zeit Dutzenden von Kindern und Jugendlichen ein Zuhause geboten hat, finanziert sich – wie die meisten Caritas-Sozialprojekte auch – vor allem über Spenden aus dem Ausland, insbesondere solche aus dem deutschsprachigen Raum. Wie die Kinder, die dort leben, die Pandemiezeit erleben und wie sie sich an die neuen Gegebenheiten angepasst haben, das erzählt Caritas-Geschäftsführer Herbert Grün in folgendem Gespräch mit ADZ-Redakteurin Raluca Nelepcu.

Wie viele Kinder leben derzeit im Freidorfer Kinderheim?

Zurzeit leben hier elf Kinder und Jugendliche. Es sind Mädchen und Jungs im Alter von zwölf bis 18 Jahren. Wir betreuen auch eine 26-jährige Frau, die geistig behindert ist. Wir haben zurzeit keine andere Einrichtung für sie, wollen sie aber schützen und deswegen verbleibt sie noch im Kinderheim. Sie macht täglich im Haushalt mit, sie kann aber nicht viel leisten. 

All unsere Kinder gehen zur Schule, sie besuchen Gymnasien, Lyzeen oder Berufsschulen in Temeswar. Die Kinder und Jugendlichen sind Teilwaisen, bei ihnen ist entweder die Mutter oder der Vater verstorben oder unbekannt. Die Eltern haben leider keine finanziellen oder sozialen Möglichkeiten, sich um die Kinder zu kümmern, sodass sie bei uns ein Zuhause gefunden haben. 

Wie haben die Kinder aus dem Kinderheim den Ausnahmezustand und die damit verbundene Abriegelung Rumäniens erlebt? Was für Gefühle, Fragen kamen da seitens der Kinder auf?

Während des Ausnahmezustandes, ab Anfang März, haben die Kinder Online-Unterricht bezogen. Für die Zeitspanne vom 8. April bis 9. Juni galt eine Militärverordnung, die eine Quarantäne für alle sozialen Einrichtungen, in denen Menschen leben, vorsah, sodass im Freidorfer Kinderheim die Leiterin und jeweils eine Frau im Wechseldienst standen – nach jeweils 14 Tagen wechselten sich die Angestellten untereinander aus. Die notwendigen Einkäufe wurden von der Caritas getätigt und ins Kinderheim geliefert. Während der Quarantäne haben die Kinder und Jugendlichen eine gute Zeit gehabt: Sie haben viele gemeinsamen Aktivitäten in Haus und Hof durchgeführt, es wurde täglich zusammen gekocht, gebacken, man hat Spiele und Filmabende organisiert.

Außerdem wurde im Hof gegrillt, es wurden Partyabende organisiert, so dass die Kinder und Jugendlichen immer gute Laune hatten und den sogenannten „Lockdown“ nicht so stark wahrnahmen. Immer wieder kam die Frage, wie lange dieses Virus noch unter uns sein wird, ab wann die Welt wieder „normal“ sein wird. Ich muss aber sagen, dass die Kinder sehr vernünftig waren und es seit März gar keine Erkrankungen oder andere schwierige Situationen gegeben hatte.

Inwiefern haben sie sich an das Tragen von Schutzmasken gewöhnt? Wie stehen sie dem gegenüber?

Mit dem Beginn der Schule im September haben sie täglich Masken getragen. Alle haben verstanden, dass die Masken zum Schutz der eigenen und der Gesundheit anderer dienen. Sie haben sich ihre Schutzmasken selbst aussuchen dürfen, so dass sie diese täglich eigentlich auch gerne tragen.

Bei der Organisation „Rettet die Kinder“/„Salvați Copiii“ in Temeswar wurden vor kurzem Ansteckungsfalle gemeldet. Wie sieht es bei der Caritas aus?

Im Freidorfer Kinderheim gab es keine Ansteckungsfälle – allein eine Kollegin, die im Urlaub gewesen war, wurde vor Beginn der Arbeit von der Caritas getestet und war positiv, doch sie hatte überhaupt keinen Kontakt zum Kinderheim gehabt. Zur Sicherheit verblieb sie vier Wochen in häuslicher Isolation, bis zwei negative Corona-Tests von ihr vorlagen. Sie hatte keinerlei Symptome, ließ sich aber, zur Sicherheit, trotzdem mit ihrer Familie zu Hause isolieren.

Bei der Caritas werden Personal und Bewohner der beiden Altenpflegeheime sowie der Kinderheime alle 14 Tage auf eine Ansteckung mit dem Coronavirus getestet. Außerdem wird das Personal in den Tagesstätten, im Frauenhaus und im Nachtasyl immer wieder getestet. Die Caritas hatte bislang nur drei Ansteckungsfalle, bei Personal nach der Rückkehr aus dem Urlaub. Unsere Mitarbeiter werden immer getestet, wenn sie aus dem Urlaub zurückkehren, damit sie keinen Kontakt zu den jeweiligen Sozialprojekten haben, sollten diese Tests positiv ausfallen. 

Die Pandemie hat bei vielen von uns gewisse Ängste verursacht. Was haben Sie unternommen, damit die Kinder aus dem Kinderheim diese schwierigen Zeiten leichter überbrücken?

Wie gesagt, unsere Mitarbeiter haben täglich viel Zeit gemeinsam mit den Kindern verbracht und immer jede Menge gute Laune verbreitet. Während des ganzen Sommers hatten die Kinder im Hof einen Swimmingpool, was ein totales Vergnügen war. Man muss immer positiv denken, gute Laune haben und viel Zeit mit den Kindern verbringen. Sie haben zusammen gebacken, gekocht und man hat immer wieder versucht, all ihre Wünsche zu erfüllen, damit sie sich geborgen fühlen.

Wie sieht es mit dem Online-Unterricht aus? Wie viele der Kinder werden online unterrichtet und wie klappt das in Ihrer Einrichtung?

Nur vier der Jugendlichen gehen täglich zur Schule. Der Rest wird je eine Woche online, dann eine Woche in der Schule unterrichtet. Am Montag wurde eine Schule in Temeswar geschlossen, sodass ein Mädchen jetzt ausschließlich Onlineunterricht für die nächsten 14 Tage haben wird. 

Ein 16-jahriges Mädchen, das eine Sonderschule besucht, lernt ebenfalls nur von zu Hause. In dieser Situation geht die Heimleiterin jede Woche in die Schule, holt die Aufgaben und bringt sie – von der Schülerin gelöst – wieder zurück. Dieses Mädchen hat besondere Bedürfnisse, also wollten wir sie keiner Gefahr aussetzen. Wir können zu Hause alles mit ihr vorbereiten – so ist es für sie sicherer. Wir haben im Kinderheim Tablets, Laptops und die Handys der Jugendlichen und Kinder. Wir haben auch WLAN, so dass sie im ganzen Haus Internet haben. Bisher hat es mit der Heimbeschulung bestens geklappt, täglich werden Hausaufgaben heruntergeladen, gelöst und wieder auf die betreffenden Plattformen hochgeladen. Den Kindern wird beim Lösen der Aufgaben und der digitalen Aktivitäten über Google Classroom geholfen.

Temeswar hat seit kurzem einen neuen Bürgermeister, Dominic Fritz, dessen Liebe zu Temeswar eigentlich im Freidorfer Kinderheim geboren wurde. Inwiefern gibt es noch eine Verbindung Dominic Fritz’ zu Ihrer Einrichtung?

Dominic hat jedes Jahr die Kinder aus dem Kinderheim zu seinen Gospelkonzerten eingeladen. Bei seinen Aufenthalten in Temeswar hat er das Kinderheim immer besucht, er hat schon immer einen sehr guten Draht zu den Kindern und Jugendlichen gehabt. Auch wenn die Generationen sich in der Zwischenzeit gewechselt haben, so ist er trotzdem hergekommen und hat immer wieder versucht, den Kontakt zu uns aufrecht zu erhalten.

Seitdem Dominic in Temeswar lebt, hat sich nichts an seiner Sorge um die Kinder geändert. Auch in der Zeit, als er sehr beschäftigt war, hat er immer auch die Zeit gefunden, um sich mit uns zu treffen. Am letzten Wochenende haben sie sich getroffen und Zeit gemeinsam verbracht. Dominic war während der Jahre eine gewohnte Präsenz in unserem Kinderheim.

Jetzt, wo er Bürgermeister ist, sind die Kinder und Jugendlichen natürlich sehr stolz, solch einen „berühmten“ Freund zu haben. Wir freuen uns sehr über seine Hilfe, über seine Unterstützung und darüber, dass er immer Zeit für das Kinderheim, in dem er einst als Freiwilliger gearbeitet hat, gefunden hat. Bei all seinen Besuchen hat er stets ein gutes Wort für einen jeden und ist dadurch sehr beliebt.

Vielen Dank für das Gespräch!