Fremdenverkehr auf Rumänisch

Wie man als Tourist im eigenen Land die Nerven verliert

Die Kirche in Densuş ist eines der wichtigsten Baudenkmäler der rumänischen Orthodoxie in Siebenbürgen.

Für den Blick auf den Stausee von Poiana Mărului muss man einen 22 Kilometer langen Alptraum in Kauf nehmen, die Straße von Zăvoi auf die Alm ist in einem miserablen Zustand.
Fotos: der Verfasser

Zugegeben, Ärger kann ein guter Ansporn sein, um zur Feder zu greifen. Und hierzulande gibt es Ärger im Überfluss. Man kann sich fortwährend ärgern, sich aufregen, die Geduld verlieren, und das ziemlich oft. An Land und Leuten ist so mancher schon verzweifelt, aber man sollte es nicht immer derart tragisch nehmen. Auf keinen Fall in diesem Lande, in dem es mitunter so humorvoll traurig zugehen kann.

Die Gesundheit solle man schonen, heißt es immer wieder, und dafür braucht man Ruhe. In der Großstadt gibt es keine, während der Woche schon gar nicht. Und wenn dann am Sonntag morgen das Thermometer schon 25 Grad anzeigt und die Wetter-App 36 Grad für den Nachmittag ankündigt, dann sollte man in die Berge fahren. Zum Beispiel nach Poiana Mărului bei Ferdinandsberg/Oţelu Roşu im Banater Bergland. In etwa 650 Meter Höhe liegt der Stausee von Poiana Mărului, rings-herum soll es ein paar Pensionen geben und dann noch ein paar Wochenendhäuser der Temeswarer.
Aber weil Kultur und Geschichte bei keinem Ausflug fehlen sollten, denkt einer, von Ferdinandsberg ist es ja nicht weit bis Densuş mit der frühmittelalterlichen Kirche und auch nicht bis Hatzeg/Haţeg und Râu de Mori, der Gemeinde am Fuße des Retezat. Im dazugehörenden Dorf Suseni steht das Kloster Colţ, ein steinernes Kirchlein aus dem 14. Jahrhundert. Und selbstverständlich führt die malerische Landstraße von Karansebesch/Caransebeş nach Hatzeg an Sarmizegetusa vorbei. Die Ruinen der Hauptstadt der römischen Provinz Dacia Felix darf man sich als Rumäne doch nicht entgehen lassen. In der Tat, das Hatzeger Land hat so manches zu bieten, am schönsten bleibt jedoch der Ausblick auf das Retezat-Gebirge.

Aber nicht darum soll es jetzt gehen, nicht um die Sehenswürdigkeiten des Gebietes zwischen Karansebesch im Westen und Hatzeg im Osten, dem einzigartigen Ţinutul Pădurenilor im Norden und dem Retezat im Süden, obwohl diese schon einen Zeitungsbeitrag wert wären. Nein, es geht um den Ärger. Und um das, was man in Rumänien unter Tourismus versteht. Erster Halt: Densuş. Von der Landstraße zweigt 10 Kilometer vor Hatzeg, aus dem Banat kommend, eine Kreisstraße nach Densuş ab. Sie führt durch das eingemeindete Peşteana, einen Ort, in dem es angeblich das Dorfmuseum des Hatzeger Landes geben soll. Ein einziges Hinweisschild gibt es und das ist dann alles. Auch sonst sind alle Schilder winzig, so klein, dass man sie aus dem Auto nicht lesen kann. Und sie selbstverständlich häufig übersieht. Die Kreisstraße nach Densuş ist im halbwegs passablen Zustand, aber der Ort selbst gleicht einem kleinen Kriegsschauplatz. In der Dorfmitte steht ein ehemaliges Herrenhaus, die Dachkuppeln sind längst eingestürzt.

Andere verfallene Gebäude säumen die Straße zur Kirche, einem der bedeutendsten Zeugen der Kontinuität der orthodoxen Rumänen in Siebenbürgen. Ein bisschen stolz müsste man also auf das Denkmal schon sein, aber die triste Gegenwart wirkt beschämend. Einen Parkplatz hat man zwar etwa 200 Meter vor der Kirche eingerichtet, aber kein Schild weist darauf hin, dass zum Beispiel Busse nicht bis vor die Kirche fahren sollten, denn Möglichkeiten zu wenden, gibt es keine. Na ja, Lappalien sind das für die meisten, nur für die fluchenden Busfahrer nicht. Einer flucht auf Ungarisch, die Gruppe von Pensionisten aus dem Nachbarland lässt sich bis vor den Eingang zum Friedhof fahren, in dessen Mitte die Kirche steht. Und sofort rückt der nächste Bus heran, Klausenburger Studenten sind es. Der ungarische Fahrer schaut verdutzt nach rechts und links, den Bus wird er nicht wenden können. Gott sei Dank, der Klausenburger Kollege spricht Ungarisch, man versteht sich. Beide Busse schalten auf Rückwärtsgang um.

Zweiter Halt: Das Kloster Colţ, Suseni, Gemeinde Râu de Mori. Am Fuße des Retezat. Um 2008 ließ der Kreisrat Hunedoara die Kreisstraßen in Richtung Retezat modernisieren, viele Millionen Euro aus EU-Töpfen sind in diese Projekte geflossen. Knapp zehn Jahre danach sind nur noch wenige gut befahrbar, eigentlich müsste man den Großteil der Kreisstraßen im Hatzeger Land neu asphaltieren lassen. Und von den vielen Hinweisschildern, die man damals aufstellen ließ, gibt es nur noch die Hälfte, und auch die sind kaum lesbar. Oder nur noch rostige Stangen. Dafür aber ließ derselbe Kreisrat Touristeninformationszentren bauen, jenes in Râu de Mori ist richtig schön. Merkwürdigerweise kein architektonisches Monster, sondern ein schlichtes Haus, das sich in die Umgebung einfügt. Mit Solarzellen auf dem Dach! Aber es hat zu an diesem Sonntag, man kann nicht viel erfahren.

Sowieso ist alles im Internet nachlesbar, Dienste wie Google Maps, Wikipedia, Tripadvisor u. a. liefern blitzschnell alle Infos, die das schöne Informationszentrum nicht bieten kann. Im Zeitalter der Digitalisierung ist es quasi nutzlos geworden. Aber es könnte schon hilfreich sein, wenn zum Beispiel den Bauern beigebracht wird, wie sie Geld verdienen könnten, denn Touristen gibt es schon. Aber sie kommen mit den Bauern in keinen Kontakt, denn nirgendwo bieten die letzteren etwas an. In ihren Gärten wächst Obst, im Stall gackern die Hühner, aber zu Mittag kann man nirgendwo etwas essen. Es sei denn, man geht in eine der relativ vielen Pensionen und begnügt sich mit dem Allerweltszeug: Pommes, Schnitzel, Hähnchenbrust vom Grill. Nein, danke. Die Hatzeger Würstel („virşli de Haţeg”) gibt es anscheinend bloß in Hatzeg auf dem Markt oder aber in der Gaststätte von Sarmizegetusa, direkt vor den Ruinen der antiken Stadt, aber wer nachfragt, erfährt, dass das Essen aus Deva kommt. Aus Deva? Ja, sicher, dort gibt es die nächste Metro-Filiale. Dankend lehnen wir das Angebot ab.

Dritter Halt: Poiana Mărului, Kreis Karasch-Severin. 22 Kilometer sollen es von der Gemeinde Zăvoi bis zum Stausee sein, sie führen durch den Ort Măru, dann durch den Wald und am See vorbei. Die alte Betonstraße ist in einem desolaten Zustand, die Fahrt dauert fast eine Stunde, man verzweifelt. An der Unfähigkeit der Zuständigen in Reschitza/Reşiţa, am Desinteresse der Bürgermeister in Ferdinandsberg und in Zăvoi, am schlechten Willen aller, die dafür verantwortlich sind, dass der Kreis Karasch-Severin trotz des so oft gepriesenen Potenzials aus der Notlage einer zweitklassigen Wochenenddestination nicht herauskommt. Er wird es auch nicht, das ganze Geplapper der vergangenen Jahrzehnte (28 Jahre sind es fast!) über die Perspektiven des Tourismus im Banater Bergland soll man einfach vergessen.
In Hunedoara ist es natürlich nicht viel besser, aber der Nachbarkreis ist reicher an Kulturgütern, an Denkmälern, und deshalb interessanter. Im Banater Bergland allerdings setzt man auf die Natur. Sicher, der Blick ist schön, die Luft ist rein, das Gras ist grün.

Und die 23 Grad sind im Vergleich zu den aus Temeswar gemeldeten 36 eine Erlösung. Aber dass man dafür den miserablen Weg in Kauf nimmt? Dass man dann am Montagmorgen sein Auto waschen muss? Klar, das alte Hotel ist eine Ruine, niemand will sein Geld verpulvern. Warum auch? Denn wer einmal kommt, dem reicht es auch. Und wer sich dort ein Wochenendhaus gebaut hat, der darf weiter hoffen, dass sich die zuständige Politik irgendwann eines Besseren besinnt. Anlass zur Hoffnung gibt es wenig, genauso wie es nur wenig Anlass gibt zu glauben, dass die gesamte Region von Tourismus leben kann. Das kann sie nicht, zumindest nicht, solange bei Sarmizegetusa Würste aus der Metro-Filiale aufgetischt werden, die Straßen kaum befahrbar sind und das Ganze nicht entsprechend vermarktet wird. Denn wer nach Densuş, zum Kloster Colţ und dann zurück bis hoch auf die Poiana Mărului fährt und sich nur ein Wasser in einer Hatzeger Tankstelle kauft, der trägt zu Einnahmen im Tourismus nicht bei. Ärgert sich aber dafür maßlos. Nächste Woche geht es an die Donau.