Gesellschaftliche Tabus

Ein amerikanischer Komiker wies einmal darauf hin, dass es in der modernen westlichen Gesellschaft zwei Tabuthemen gibt, über die man nicht offen spricht: das eine ist Sex und das andere – na, wer errät es?
Der Furz.

Der Unterschied zwischen den beiden Tabus besteht lediglich darin, dass ersteres  in fast allen Bereichen des Lebens unterschwellig angedeutet wird, das zweite jedoch niemals. Beobachten Sie einmal die Werbung. Selbst bei Produkten, die überhaupt nichts mit Tabuthema Eins zu tun haben, etwa einem Automobil, posieren im Werbeblatt leichtbekleidete Models auf der Kühlerhaube. Oder im Fernsehen: in Spielfilmen und Vorabendserien geht es fast ausnahmslos darum, wer mit wem, wann und warum zugange ist, ohne dass man jemals mit dem konkreten Vorgang konfrontiert würde.

Ganz anders verhält es sich mit Tabuthema Nummer Zwei. Oder haben Sie schon einmal beobachtet, dass sich Humphrey Bogart in „Casablanca“ verstohlen die Luft an der Hinterfront wegfächelt, bevor er sich Ingrid Bergman nähert? Dass sich Kommissar Derrick die Nase zuhält und brüllt: „Harry! Holen sie sofort das Tannennadelspray!“ oder dass es bei der feurigen Liebesszene zwischen Zorro und Catherine Zeta Jones(nur angedeutet, selbstverständlich) auf einmal hinterhältig knattert?

Selbst in vertrauten Familien kann Tabuthema Nummer Zwei mitunter recht peinlich sein. In solchen Fällen empfiehlt es sich, einen Hund anzuschaffen. Sie: „Was riecht denn hier so streng?“ Er: „Oh – ich glaube wir müssen den Hund mal raus lassen!“

Der einzige Bereich, in dem beide Tabus ganz offen zur Sprache kommen, sind Witze. Witze zu Tabuthema Eins kursieren vorwiegend in Männerkreisen, während Tabuthema Zwei vor allem bei Kindern beliebt ist. Witze kann man nicht verbieten, egal wie sensibel ein Thema auch sein mag – sie finden immer einen Ausweg. Witze sind Ventile der Gesellschaft, wenn der Ärger brodelt, aber nicht hochkochen soll.

Während man in Deutschland auf offener Straße Witze über Kohl, Schröder oder Merkel reißen kann, war Kritik an der politischen Führung im seinerzeit kommunistischen Rumänien ein Tabu. Politische und andere Frustrationen gingen daher diplomatisch in einer neutralen Figur auf: „Bula”! Nach der Revolution verschwanden die netten „Bula”-Witze schnell von der Bildfläche, das Ventil hatte sich erst mal entladen.
Vielleicht ist es nun an der Zeit, eine Generation mit einer neuen Witzfigur einzuleiten? An Vorbildern hierfür sollte es doch nicht mangeln!