„Geteilte Freude ist doppelte Freude“

Gespräch mit Nicu Covaci, Gründer der Rockband Phoenix, zu seinem 75. Geburtstag und dem 60. Jubiläum der Band

Nicu Covaci, Gitarre in der Hand, vor einer Skizze für sein 85 Meter langes Ölgemälde „Gladiator 2000“
Foto: Aus dem Kunstalbum „Nicolae Covaci. Pictorul“

2022 feiert die legendäre Temeswarer Rockband „Phoenix“ ihr 60-jähriges Bestehen – genau wie die Rolling Stones. Die Zusammensetzung der Band hat sich im Laufe der Zeit geändert, die bekannteste Phoenix-Variante besteht aus dem Solisten Mircea Baniciu, ein Temeswarer Architekt und Sänger, der auch Gitarre und gelegentlich Tamburin spielt, dem rumäniendeutschen Bassisten und Komponisten Josef (Ioji) Kappl, dem Jassyer Perkussionisten Ovidiu Lipan (Țăndărică) und selbstverständlich dem Temeswarer Gitarristen und Gründer Nicolae (Nicu) Covaci. Letzterer hat immer als Treibkraft der Band fungiert und ist neben dem Repertoire die einzige Konstante von „Phoenix“, die wie der Name prophezeit, immer wieder aus ihrer Asche neu erstand. Nicu Covaci hat die deutsche Nikolaus-Lenau-Schule und das Kunstlyzeum in Temeswar/Timișoara besucht. Während des Lyzeums gründete er 1962 eine Musikband namens „Sfinții“ (Die Heiligen), deren Namen wegen des atheistischen kommunistischen Regimes geändert werden musste. So ist es Nicu Covaci eingefallen, dass seine Band aus ihrer Asche neu erstehen muss, genauso wie der mythologische Phönix-Vogel, der zum Namensgeber gewählt wurde. Nach einem Phoenix-Konzert in Bukarest unterhielt sich Nicu Covaci, der gestern seinen 75. feierte, mit der Redakteurin Cristiana Scărlătescu und erzählte über seine Karriere mit der Band, aber auch als Maler.

Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag und zum Jubiläum der Band, Herr Covaci! Wie ist es Ihnen denn ergangen, nachdem Sie 1977 in die BRD geflüchtet sind?

Das Geld, das wir in Rumänien für unsere Flucht gespart hatten, reichte uns für eine Zeit, bis wir uns anständige Jobs suchen konnten. Gleichzeitig probten wir wie üblich mit der Band. Anfangs waren wir dem deutschen Publikum nicht bekannt. Zum Berühmtwerden brauchte man in Deutschland wie überall viel Werbung, insbeson-dere im Fernsehen. Wir haben unsere Schlager ins Englische übersetzt, ich habe sie ein bisschen musikalisch umgestaltet und mit unserem früheren Solisten Florin (Moni) Bordeianu, der aus den USA speziell nach Deutschland umsiedelte, begannen wir wieder zu spielen. Langsam wurden wir bekannt und vom deutschen Publikum geschätzt.

Sie beherrschen mehrere Künste außer der Musik – von der Ausbildung her sind Sie Maler, Bildhauer und Kunstlehrer. Haben Sie jemals in Rumänien die bildenden Künste ausgeübt?
Ich bin eigentlich Hobbygitarrist. Den Kontakt zur Musik verdanke ich meiner Mutter. Ihr verdanke ich Privatstunden für Klavier, Ziehharmonika und Gitarre, sowie für Fremdsprachen wie Deutsch, Englisch und Französisch. Mein Vater war derjenige, der mich in Richtung Kunst leitete.

Ich besuchte das Temeswarer Kunstlyzeum und danach die Fakultät für bildende Künste. Während des Lyzeums gründete ich die Band und mit Phoenix war ich so erfolgreich, dass ich meine vom kommunistischen Staat zugewiesene Stelle nicht mehr antrat, wie es damals verpflichtend war. Erst später in der BRD übte ich meinen Beruf als bildender Künstler aus, indem ich Kunst und Computergrafik in Osnabrück unterrichtete, einige vom Kulturrat der Stadt beauftragte Gemälde und Bronzestatuen schuf und meine Werke in Dauerausstellungen deutscher Galerien zeigte.

Erzählen Sie uns bitte ein bisschen über Ihren beeindruckenden „Gladiator 2000“, Ihren Malstil und Ihr 2019 veröffentlichtes Kunstalbum.

„Gladiator 2000“ ist der Titel einer sehr großen Ölgemäldes auf Leinwand – damals das größte der Welt –, das ich 1986 für die Außenwand des Turnsaals in Osnabrück im Auftrag des Kulturrats kreierte. Stellen Sie sich vor: Die Malerei ist 45 Meter lang und sechs Meter hoch, die Leinwand wird von Stahlseilen auf einem Stahlrahmen gehalten und ich habe sie mithilfe eines Krans malen müssen! Dort habe ich alle bekannten Sportarten dargestellt.

Ich muss gestehen, ich habe eine Vorliebe für dynamische Bildkompositionen und monumentale Kunst, breite Malflächen. Daher male ich mit weiten Bewegungen aus dem Schultergelenk, nicht dem Handgelenk. Vom Stil her bin ich ein überzeugter Kubist mit impressionistischer Ausstrahlung. Den Hintergrund meiner Werke gestalte ich vibrierend, im Geist des Impressionismus, dagegen wirkt der Aufbau der Bilder solider, nicht nur als ein Eindruck von einem Sujet oder Ereignis, so dass das Gemälde auf den Beobachter einstürmt und ihn überwältigt. Mittels meiner Bilder möchte ich, genauso wie durch die Lieder von Phoenix, eine enorme Energie und Kraft zum Ausdruck bringen.

Ich bin auch von klassischer und Renaissance-Kunst begeistert und die Körperanatomie an sich – insbesondere die weibliche – ist eine Inspirationsquelle für mich. Zudem habe ich vor einigen Jahren meine Fähigkeit zum Malen originalgetreuer Repliken weltberühmter Werke entdeckt und seither erhalte ich zahlreiche Aufträge dafür von Kunstliebhabern aus Österreich, der Schweiz und Spanien. Nachgebildet habe ich Meisterwerke von Da Vinci und Michelangelo bis hin zu Tamara de Lempicka, einer erfolgreichen polnischen Künstlerin, die viele Werke im Sinn der Art-Déco- Strömung in New York geschaffen hat, dessen Stil mich einfach fasziniert.

Sollte ich jetzt eine Ausstellung veranstalten wollen, hätte ich im Moment keine Werke zu zeigen, denn fast alle wurden verkauft. Die wichtigsten von ihnen sind aber in meinem Kunstalbum „Nicolae Covaci. Pictorul“ (deutsch: „Nicolae Covaci. Der Maler“) zu sehen. In Rumänien habe ich eine einzige Ausstellung 2007, im Bukarester Nationaltheater zum 45. Gründungstag von Phoenix, eröffnet und bin dem Publikum fast ausschließlich als Gitarrist und Bandgründer bekannt. In Deutschland bin ich vor allem für meine Kunst, aber auch für meine Musik bekannt und in Spanien sind meine Bilder berühmter als ich! (lacht)

Wie kommen Sie mit dem Hin und Her zwischen Spanien und Ihrer Heimat zurecht?

Vor 35 Jahren habe ich das unerwartete Glück gehabt, in Spanien neben Moraira meinen persönlichen Himmel auf Erden zu finden.

Seither wohne, entspanne und lade ich mich mit Energie dort auf und kehre ab und zu für Konzerte nach Rumänien zurück. Das Hin- und Herreisen ist kein Problem. In drei Stunden lande ich in Rumänien. Zurzeit sind für Phoenix leider sehr wenige Konzerte im Voraus geplant, nur fünf für diesen Monat. Im Mai gibt es kein einziges Event. Bis April hatten wir seit Dezember 2021 coronabedingt ebenfalls keine Engagements. Es mangelt uns an einem anständigen Management-Team, welches uns monatlich ein paar Konzerte organisiert.

Es ist peinlich, dass die jungen Leute aus der Band nächsten Monat nichts mit Phoenix verdienen werden. Ich habe meine Malkunst in Spanien, aber was soll aus ihnen und Phoenix werden? Ich trage ja die Verantwortung auch für sie.

Würden Sie uns die jungen Mitglieder der Band kurz vorstellen?

Im Laufe der Zeit sind etwa 50 Instrumentalisten und Sänger in die Band aufgenommen worden und diese haben sie allmählich verlassen, um ihrem Traum weiter zu folgen. Die heutige Phoenix-Variante besteht nur aus hochkarätigen Musikern.

Cristian Gram spielt außerordentlich gut Gitarre und singt, Vladimir Săteanu beherrscht eine unglaubliche Technik für die Bassgitarre, unser Schlagzeuger, Flavius Hosu, trägt den Spitznamen „Das Maschinengewehr aus den Karpaten”und spielt mit Phoenix seitdem er 14 Jahre alt war, der Solist Costin Adam kann Gläser mit seiner Stimme zum Bersten bringen, und nicht zuletzt spielt unsere Geigerin, Lavinia S²teanu, ausgezeichnet, während sie auf der Bühne tanzt und Pirouetten dreht. Ich spiele wie üblich Gitarre und singe dazu.

Was wünschen Sie der Band zu ihrem 60. Gründungstag?

Mit der jetzigen Band bin ich überaus zufrieden, allerdings werde ich nicht ewig singen können. Deshalb habe ich für Nachwuchs gesorgt. Phoenix ist ein Phänomen, der Zeitgeist der letzten Jahrhunderthälfte, welcher durch jeden von uns wiederbelebt wird. Ich wünsche mir, im Konzertsaal zu sitzen und einer jungen Phoenix Beifall zu klatschen. Die Jungs und das Mädel sagen mir: „Spinnst du, Covaci? Wie können wir ohne dich spielen?“ Phoenix muss doch auch ohne mich weitergehen.

Außerdem will ich – und es war die Idee eines potentiellen Sponsors – dass heuer alle früheren Bandmitglieder, die noch am Leben sind, für ein Sonderkonzert auf der Bühne zusammenkommen. 2022 feiert Phoenix ja das 60. Jubiläum! Baniciu, Kappl, Țăndărică, Manfred Neumann und Dzidek Marcinkiewicz haben bereits zugesagt. Aber wie gesagt, suchen wir noch ein Management-Team, welches ein so großes Konzert organisieren kann.

Ansonsten müssen wir als Menschen barmherziger mit den Mitmenschen sein. So würden wir alle in voller Harmonie und Frieden miteinander leben und glücklicher sein. Auf der Bühne gebe ich mein Bestes und freue mich, dass das Publikum meine Freude teilt. Geteilte Freude ist ja doppelte Freude!

Vielen Dank für das angenehme Gespräch! Wir wünschen Ihnen alles Gute zum Geburtstag und zum Jubiläum der Band!


Vom Stil her hat Phoenix eine Beat- und eine Blues-Phase gekannt, und auch die Herausforderung, aufgrund eines Erlasses des Ceaușescu-Regimes von 1970 Volksmusik in ihrem Repertoire zu integrieren, angenommen. Im Ausland haben sie auch Hardrock gespielt. Kennzeichnend für Phoenix bleiben mit Rockmusik symbiotisch verbundene Motive aus der rumänischen Volksmusik und mittelalterlichen Musik mit keltischen, nordischen, balkanischen bis hin zu Einflüssen von Roma-Musik. Während des kommunistischen Regimes ist der Bandgründer 1977 mit den Kollegen Josef Kappl und Ovidiu Lipan versteckt in Lautsprechern in die BRD geflüchtet, wo sie die Band „Transsylvania Phoenix“ gründeten. Nicu Covaci hat 10 Jahre in Deutschland unterrichtet und führt seit 35 Jahren ein ruhiges Leben in Spanien. Er kehrt immer wieder gern für Konzerte nach Rumänien zurück.