Glücksspiele: Milliardengewinne mit Süchtigen

Der kurze Weg von einer Sportwette unter Freunden ins Online-Casino

Wettbüros finden sich buchstäblich an jeder Ecke. Der Beitrag von Sportwettenanbietern zu den Steuereinnahmen des Staates steigt kontinuierlich. Aktuell kassiert Rumänien jährlich rund 300 Millionen Euro durch die gesamte Glücksspielindustrie.

In den vergangenen Jahren sind die Umsätze bei Anbietern von Sportwetten und Online-Casinos kontinuierlich gewachsen. 2018 betrug der weltweite Umsatz von Glücksspielen rund 449 Milliarden Euro, von denen etwa 44,8 Milliarden im Internet erzielt wurden. Allerdings wuchs der Online-Glücksspielmarkt in der letzten Dekade drei Mal so schnell wie das stationäre Glücksspiel. Rund 50 Prozent der Bruttospielerträge wurden dabei in der Europäischen Union erzielt: die Hälfte durch Sportwetten.

In Rumänien haben sowohl die erste als auch die zweite Fußball-Liga ihre Namensrechte an zwei Sportwettenanbieter verkauft, mehrere Vereine werben auf ihren Trikots für „Unibet“, „Netbet“ oder „Betano“. Eine gute Investition, gibt es im Land doch etwa 10.000 Wettbüros. Und selbsternannte Experten können im Internet sogar Live-Wetten auf die Spiele der dritten Liga tätigen. Anders als die „Einarmigen Banditen“ (Spielautomaten) sind Sportwetten gesellschaftlich akzeptiert und bei einem Bier mit Freunden 50 Lei auf einen Sieg von Dinamo Bukarest zu setzen, erhöht auch noch die Spannung vor dem Fernseher. Doch hinter jedem verlorenen Wettschein verbirgt sich auch ein persönliches Schicksal. In Rumänien gelten 100.000 bis 150.000 Menschen als spielsüchtig. Denn zu den tausenden Wettbüros kommen auch noch rund 15.000 Spielotheken mit über 75.000 Automaten.

„Ich habe 200.000 Euro verloren. Ich wollte mich schon mehrmals umbringen“, erklärte Zoltan Toth im Frühjahr gegenüber „Libertatea“. Der 30-Jährige aus dem Kreis Kronstadt/Brașov sprach mit der Tageszeitung offen über seine Spielsucht. „Niemand realisiert die Auswirkungen dieser Abhängigkeit oder will sie realisieren: Hunderte Selbstmorde pro Jahr, Tausende von Straftaten, die die Süchtigen begehen, um ihre Sucht zu nähren, Zehntau-sende zerstörte Familien, Menschen auf der Straße, das sind die katastrophalen Auswirkungen dieses Lasters.“

Entsprechend des Klassifikationssystem für psychische Störungen spricht man von pathologischen Spielern (Glücksspielsüchtigen) bei „andauerndem und wiederkehrendem, fehlangepassten Spielverhalten“, das sich in mindestens fünf der folgenden Merkmale ausdrückt: starke Eingenommenheit vom Glücksspiel; Steigerung der Einsätze, um die gewünschte Erregung zu erreichen; wiederholte erfolglose Versuche, das Spiel zu kontrollieren, einzuschränken oder aufzugeben; Unruhe und Gereiztheit beim Versuch, das Spiel einzuschränken oder aufzugeben; Spielen, um Problemen oder negativen Stimmungen zu entkommen; Wiederaufnahme des Glücksspiels nach Geldverlusten; Lügen gegenüber Dritten, um das Ausmaß der Spielproblematik zu vertuschen; illegale Handlungen zur Finanzierung des Spielens; Gefährdung oder Verlust wichtiger Beziehungen, von Arbeitsplatz und Zukunftschancen; Hoffnung auf Bereitstellung von Geld durch Dritte. Erste Hilfe für Betroffene bietet die Internetseite www.jocresponsabil.ro sowie die dazugehörige Telefonnummer 0800.800.099.

Doch des einen Leid ist des anderen Freud. Selbstverständlich profitieren die Unternehmen von den Verlusten der Zocker, vor allem der Spielsüchtigen. „Aus Studien für die Bundesrepublik Deutschland geht hervor, dass der Umsatzanteil durch Spielsüchtige über alle Spielformen gerechnet (Lotto, Wetten, Poker, Automaten etc.) 30 bis 40 Prozent beträgt. Bei einzelnen Spielformen, wie etwa dem Automatenspiel, ist der Anteil aber noch wesentlich höher. Da beträgt er im Schnitt 60 bis 80 Prozent“, erklärt Dr. Ingo Fiedler von der Universität Hamburg, dessen Arbeitsbereich die Glücksspielforschung ist.

Sportwetten bergen zwei besondere Risiken. Zum einen glauben Wetter, dass ihr Sachverstand direkten Einfluss auf ihre Gewinnchancen hat. Gerade bei Fußball-Wetten nehmen die Menschen an, sie hätten dank ihres Wissens über Spieler, Vereine und die Liga schon fast gewonnen und ihre Wette nichts mit Glück zu tun. Zum anderen führen gerade Live-Wetten dazu, dass Zocker ihren Einsatz aus den Augen verlieren und damit auch ihren Verlust. Besonders junge Männer zwischen 21 und 25 Jahren sind gefährdet. Und dann sind die Seiten der Sportwettenanbieter auch noch so aufgebaut, dass man von dort gleich auch ins Online-Casino kommt.