Grafikdesign hat das 20. und 21. Jahrhundert geprägt

Warum es aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken ist

Editorial Design ist eine Unterdisziplin von Grafikdesign. Editorial Designer sind für die visuelle Darstellung von Büchern oder wie hier Kunstkatalogen zuständig.

Grafikdesign bedeutet vieles: Auch Illustrationen werden für Bücher, Kataloge oder Webseiten erstellt.

Die meisten Grafikdesigner erhalten Aufträge zum Erstellen eines Logos für Unternehmen, Privatpersonen oder für Events. Fotos: Der Verfasser

Ganze Webseiten werden von Grafikdesignern erstellt.

Grafikdesign ist überall. Auf den Straßen, in Einrichtungen, in Büchern und Magazinen, in Filmen, auf dem Smartphone, auf der Kleidung, die man tagtäglich trägt, auf dem heimischen sowie auf dem Arbeitsrechner. Grafikdesign hat den Look des 20. und 21. Jahrhunderts geprägt. Sowohl im Westen als auch im Osten. Seine Funktion war stets die gleiche, nur die Message änderte sich je nach Kunde bzw. Auftraggeber. Coca-Cola wollte Flaschen verkaufen, die kommunistische Partei der Sowjetunion eine Utopie. In beiden Fällen waren die Ergebnisse bombastische Plakate, die euphorische Menschen darstellen, voller Optimismus und Tatendrang, unterschwellig inspiriert von den glücklichmachenden Nebeneffekten einer Brause, die aus Versehen entdeckt wurde, oder von der idealistischen Weltanschauung eines desillusionierten Deutschen, der den Kapitalismus abschaffen wollte. So gegensätzlich die Botschaft, so unverkennbar gleich ihre Verpackung. 

Man kann also verstehen, weshalb der Beruf des Grafikdesigners begehrter denn je und weshalb die Nachfrage auch deutlich gewachsen ist. Die Verursacher sind heute in erster Linie erfolgreiche Unternehmen wie Apple oder Nike. Sie sind die am meisten aufgeführten Beispiele, wenn Firmen jeglicher Art von einer eigenen visuellen Identität sprechen. Sie wollen den Apple-Look haben: minimalistisch und modern. Weshalb Apple so ausschaut wie es ausschaut verstehen die wenigsten. Vielmehr ist es der wirtschaftliche Erfolg, der besonders für Unternehmer anziehend wirkt. Viele können die Grundideen hinter der visuellen Identität nicht begreifen, weil Grafikdesign ihre Ursprünge in der Kunst hat. Und hier der Widerspruch: Eigentlich müssten Wirtschaft und Kunst unvereinbar sein. Geschichtlich gesehen hat das auch meistens gestimmt. Bis zu einem Gerhard Richter (sowie anderen Zeitgenossen) sprach man allgemein von verarmten Künstlern, die sich mit einer Sache ganz bestimmt nicht auskannten: Geld. Und obwohl Design nicht als Kunst betrachtet wird, weil Design in erster Linie utilitär ist, ausgerichtet auf das Lösen alltäglicher Probleme, so bedarf es doch eines kreativen Menschen und dem Wissen, das einem Künstler eigen ist. Das heißt, dass es viele Künstler auf die andere Seite verschlagen hat. Manche haben sogar daraus eine Kunst an sich gemacht. Bestes Beispiel ist der berühmte Pop-Art-Künstler Andy Warhol, der ebenfalls in der Wirtschaft als Grafiker anfing. Er war das krasse Gegenteil eines Karl Marx. Für ihn war Coca-Cola nicht die Gallionsfigur einer ungerechten Wirtschaftsordnung, sondern ein Paradebeispiel dafür, was Kapitalismus auch leisten kann. Was Coca-Cola so besonders macht, sei die Tatsache, dass sich jeder daran erfreuen kann. Eine Flasche kostet für alle gleich und schmeckt auch für alle gleich. Wodurch es keinen Unterschied mehr ausmacht ob man arm oder reich ist.

Grafikdesign verkauft Erlebnisse 

Auch Grafikdesign verhält sich erst einmal neutral. Natürlich hängt die Wahl der Kunden vom Designer ab: Möchte er mit einem Unternehmen arbeiten, das Fast Food verkauft, oder eher mit einem kleinen Laden, das sich auf gesunde vegane Küche spezialisiert hat? Die Entscheidung kann sowohl ethischer als auch finanzieller Natur sein. Die einen zahlen besser, die anderen vertreten aber Werte, an die man persönlich glaubt. Das spiegelt sich dann in der Arbeit wider. Doch ungeachtet der Person ist Grafikdesign als Kommunikationsmittel heute für alle zugänglich und für alle relevant. Seine wachsende Beliebtheit dürfte seit Edward Bernays Veröffentlichung der Public Relations-Fibel „Propaganda” keine Überraschung mehr sein. 

Jeder möchte heute auf sich aufmerksam machen - und dies auf einem gesättigten Markt. Noch nie hatte der einzelne Mensch so viele Optionen. Die Verpackung spielt dann oft eine entscheidende Rolle bei der Wahl des Produkts. Und diese Wahl ist meistens eine emotionale anstatt einer rationalen. 

Das Unterbewusste steuert das Kaufverhalten und dieses begnügt sich nicht bloß mit einer Flasche Bier, es sucht auch einen Bezug zu Erlebnissen. Becks vermittelt darum das Gefühl von Abenteuer und Freiheit: Freunde auf einem Segelschiff fahren raus aufs offene Meer und trinken nebenbei diese Marke Bier. Man kauft also nicht nur ein Getränk, sondern das Gefühl, frei zu sein und abenteuerlustig, obwohl man schon lange nicht mehr von seiner Coach runtergekommen ist. 

Unterschwellig wird so ein Gegenstand zum Ersatz für persönliche Unzulänglichkeiten. Der Grafikdesigner ist zwar ein Komplize dieser Scharade, doch gleichzeitig hat seine Arbeit auch Logos für Organisationen wie World Wildlife Fund hervorgebracht. 

Kleidet den grauen Alltag

Grafik Design macht auf jeden Fall den Alltag schöner. Zumindest, wenn die Arbeiten von talentierten Designern konzipiert werden. Doch nicht jeder ist Paula Scher, Paul Rand, Sagi Haviv, Ivan Chermayeff. Die Flut an schlechter Grafikdesign-Arbeit ist heute größer den je. So wie alle Dienstleistungen ist auch das Angebot an Designern viel zu groß. Online-Marktplätze wie Fiverr oder 99designs sind eine reiche Quelle für kleine Unternehmen oder Privatpersonen, die zwar ein Logo oder eine Grafik benötigen, jedoch nicht über die finanziellen Mittel verfügen, kompetente Designer anzuheuern. Schlimmer noch: Viele erkennen den Wert der Arbeit eines Grafikdesigners nicht an und ziehen es vor, eine billige Alternative zu finden, ohne selbst einschätzen zu können, wie gut oder schlecht die gelieferte Arbeit ist. 

Auch ist es schwierig, heutzutage zu ermitteln, was einen guten Grafikdesigner ausmacht. Ein handfestes Kriterium wäre ein abgeschlossenes Studium in dieser Richtung. Jedoch haben viele der besten Grafikdesigner kein derartiges Studium vorzuweisen. 

Besonders bei den Logos scheiden sich die Geister. Designer wissen ganz klar, welche Rolle ein Logo erfüllen muss. Kunden wissen es oft nicht. 

Viele Kunden wollen dann ein Logo haben, dass einer Visitenkarte gleicht. Es soll möglichst die gesamte Geschichte eines Unternehmens, seine Ziele, seine Errungenschaften, in ein Symbol packen. Doch der renommierte Grafikdesigner Sagi Haviv, dessen Agentur unter anderem das Logo für National Geographics erstellt hat, widerlegt dieses Vorurteil. Ein Logo muss nicht selbsterklärend sein. Es muss wiedererkennbar sein, es muss einfach sein und es muss zur Firma, Organisation, Person passen. Selbst das National Geographic Logo würde ein Außerirdischer, der von dem Magazin noch nie gehört, nicht einer Zeitschrift über die Tier- und Pflanzenwelt der Erde zuordnen.

Do-It-Yourself- Grafikdesign 

Es ist eine aufregende Zeit für junge, kreative Menschen, die nicht wissen, wie sie ihre Kreativität für das berufliche Leben einsetzen können. Nicht jeder Künstler heute verkauft sich wie Gerhard Richter. Auch als Grafikdesigner wird man nicht über Nacht zu Paula Scher oder anderen berühmten Grafikdesignern unserer Zeit. Aber dank Online-Seiten wie Skillshare oder YouTube-Kanälen wie TheFutur kann man die wichtigsten Grundlagen erfahren und auch von erfahrenen Designern lernen, was man für diesen Beruf benötigt. Es ist auf jeden Fall ein spannender Beruf, denn Grafikdesign ist überall. Es hat unsere moderne Welt gekleidet und navigiert uns durch unsere schnelllebige, von Informationen überflutete Zeit. Es dient aber auch dazu, uns zu beeinflussen. Es kann schön und hässlich zugleich sein und wenn es gut gemacht ist, ist es unsichtbar. Doch wir müssen es mit Blicken würdigen. Sowohl ehrerbietigen als auch kritischen.