Hallstatt-Siedlung und Villa rustica

Bedeutende archäologische Funde entlang der Autobahn Hermannstadt – Broos

Alle 50 Meter entnehmen die Archäologen mit Spezialbaggern Stichproben. Foto: Hannelore Baier

Der Archäologe Prof. Dr. Zeno Karl Pinter.

Hermannstadt - Sichtbar sind das Umlagern ganzer Erdhügel und das Freilegen von breiten, Rollfeld ähnlichen Bahnen auf verschiedenen Arealen zwischen Hermannstadt/Sibiu und Broos/Orăştie. Der Bau der Autobahn wird immer offensichtlicher. Wenige wissen, dass parallel dazu Forschungsarbeiten im Gange sind. Bei Turdaş (Kreis Hunedoara) haben 130 Arbeiter von Mai bis vorige Woche systematische Ausgrabungen und umfassende Forschungen an der seit dem 19. Jahrhundert bekannten und für das Neolithikum europaweit bedeutenden Siedlung durchgeführt.

Der Bau der Autobahn kommt hier der Forschung zugute, sagt Prof. Dr. Zeno Pinter. Über diese Siedlung hätte man sonst so viel nicht erfahren. Soeben wurde die genaue Bestandsaufnahme unter der Leitung des Archäologen Prof. Dr. Sabin Adrian Luca, dem Generaldirektor des Brukenthalmuseums, durchgeführt. Das war nötig, weil dieses Areal von der Autobahn „überfahren" wird, weil eine andere Führung in dem relativ engen Tal nicht möglich ist. Solche Siedlungen sind „in situ", d. h. an Ort und Stelle, ohnehin nicht zu erhalten, erläutert Dr. Pinter.

Der im Banater Bergland geborene und zum Hermannstädter gewordene Archäologe ist seit dem 30. September der Präsident der Rumänischen Archäologischen Kommission. „Als erster Hermannstädter und erster Mittelalter-Archäologe", ergänzt er. Die Ernennung – vorerst ad interim – teilte ihm Kulturminister Hunor Kelemen telefonisch mit. Sie erfolgte, weil der bisherige Kommissionspräsident sein Mandat, das am 11. Januar 2012 ausläuft, vorzeitig abgelegt hat.

Dr. Zeno Pinter steht seit dem 10. August von morgens bis abends am Teilstück drei der Autobahnstrecke Hermannstadt – Broos zwecks Diagnose eventueller Grabungsstellen. Dieses Teilstück beginnt bei Sălişte und reicht bis Cunţa an der Grenze des Verwaltungskreises Hermannstadt nach Alba hin.

Entdeckt wurden bisher mit Sicherheit zwei römische Siedlungen und zwar „Villa rustica", d. h. die zur Zeit des Römischen Reiches typischen Landgüter, von deren Existenz in der Gegend man wusste, aber die Stellen nicht genau kannte. Ende der 1970er-Jahre hatte der Hermannstädter Archäologe Nicolae Branga die Villa rustica in Großpold/Apoldu de Sus  erforscht, die eine Winzer-Farm gewesen war. Um was für Landgüter es sich bei den nun entdeckten handelt, kann Dr. Pinter mit Genauigkeit nicht sagen. Ihre Pflicht ist festzustellen, wie weit sich eine derartige Siedlung oder ein Baudenkmal unter der zukünftigen Autobahn erstreckt. Erst in der zweiten Etappe wird der Fund untersucht – sollte ein Auftrag erteilt werden.

Die zwischen dem Reußmarkter Bad/Băile Miercurea Sibiu und Cunţa gelegene Villa rustica in der Nähe der Kreisgrenze überlagert eine Siedlung aus der Steinzeit, die ein paar Tausend Jahre älter ist. Gefunden haben die Archäologen Spuren von frühmittelalterlicher Besiedlung, wobei die relativ geringen Funde an Keramik, Grubenhütten usw. darauf schließen lassen, dass es sich um Niederlassungen aus der Völkerwanderungszeit handelt.

Entdeckt aber wurde eine sehr große Siedlung – die von 50 zu 50 Metern durchgeführten Stichproben ergaben, dass sie sich zwischen Kleinpold/Apoldu de Jos und Reußmarkt/Miercurea Sibiului auf über 1 km Länge und 75 Meter Breite erstreckt – aus der späten Bronzezeit/Anfang Eisenzeit, also der Hallstattzeit. Gefunden hat man schöne Keramik, und zwar Stücke von großen Tongefäßen von  schwarzer, geglätteter Keramik, durch die die Bronzezeit berühmt ist, so Dr. Pinter.

Die Archäologen arbeiten mit einem Spezialbagger, der keine Zähne am Greifer hat sondern eine messerartige Schneide. Damit werden ganz dünne Schichten abgetragen und es wird festgestellt, wie tief die materialreichen Schichten gehen. Bereits in den oberen Schichten wurde im Bereich dieser Siedlung sehr viel Material gefunden. Um festzustellen, wie tief die materialreichen Schichten sind, wurde bis zum gewachsenen Boden gegraben und dabei stieß man auf eine Wohnung aus der Hallstattzeit. Das sind sogenannte Aschewohnungen: sie enthalten sehr viel Asche, weil sie wahrscheinlich mit Schilf gedeckt waren, das abbrannte und die Asche hat sich in den Gruben gesammelt, erläutert der Archäologe.

Wo Funde sind, bleibt das Archäologen-Team stehen, fertigt Zeichnungen an und fotografiert, kartiert auf GPS und Landkarte. In der zweiten Etappe werden diese Siedlungen erforscht – wenn der Bauherr das bestimmt. Es besteht die theoretische Variante, die Autobahn weiter weg von dieser Stelle zu führen, die Kosten des Neuentwurfs sind aber um vieles größer als wenn man eine systematische archäologische Forschung finanziert. Eine solche wird im Fall der Hallstatt-Siedlung nötig sein, in dem Sinn, dass die wichtigsten Materialien fotografiert, abgezeichnet und in Museen deponiert werden, denn konservireen kann man eine solche Siedlung an Ort und Stelle nicht.

Über diese Hallstatt-Siedlung wird die Autobahn führen. Mehr Glück hat die Villa rustica: Zum einen gibt es am Territorium des einstigen Daziens Tausende, zum anderen wird die Autobahn in der Nähe der Villa auf Pfeiler gestellt, weil sie die Bahnlinie überqueren muss und dadurch wird von der Stätte der einstigen Siedlung wenig zerstört.