Handgemacht statt Massenware

Handwerksbäckerin Patricia Leonte sucht die Alternative zum Fabrikbrot

Eigentlich Jura studiert: Patricia Leonte tritt mit dem Projekt „Zedori” in die Fußstapfen ihrer Familie. Als Handwerksbäckerin bricht sie allerdings zugleich mit der Tradition und möchte weg vom Fabrikbrot. | Foto: privat

Im Vergleich zum herkömmlichen Weißbrot exotisch: Preiselbeeren und Schokolade verleihen diesem Handwerksbrot einen besonderen Geschmack.

Über Social Media stellt Patricia ihre Produkte vor und wirbt für gesünderes und besseres Brot. | Fotos: Patricia Leonte

Weg vom Fließbandprodukt – besonders in der Nahrungsindustrie? Das Lebensmittel-Handwerk erlebt zunehmend auch in Rumänien eine Renaissance. Die Butter aus dem Supermarkt mit dem ansehnlichen Etikett, das von einem Marketing-Team mit viel Kalkül entworfen wurde, weicht den liebevoll von Hand gemachten Produkten des Einzelnen. Zumindest ein Großteil der neuen rumänischen Mittelschicht begnügt sich nicht mehr nur mit den Lebensmittelprodukten aus dem Supermarkt. Diese genießen inzwischen einen schlechten Ruf. Für höhere Qualität sind viele bereit, mehr zu zahlen. Doch eine Frage bleibt: Wie viel ist genug, damit etwa eine Handwerksbäckerei lukrativ wird. 

Diese Frage stellt sich auch Patricia Leonte, die mit ihrem Handwerksbrot eine Alternative für eben das Fabrikbrot schaffen möchte. „Ohne die Familienbäckerei wäre Zedori vermutlich so nicht möglich gewesen”, gesteht sie. Zedori ist ihre Marke und steht für traditionelles handgemachtes Brot. 

Und traditionelles Brot braucht Zeit. Während herkömmliches Fabrikbrot in ein bis zwei Stunden fertig ist, braucht sie für ein Handwerksbrot an die drei Tage. Das Endergebnis kann sich sehen und schmecken lassen. Und ist inzwischen nicht viel teurer als das Brot, das man auch in gewissen Backwarenketten kauft. Aber es ist wesentlich teurer als das billigste Brot, das man in kleinen ABC-Läden oder Supermärkten findet. Und Preis spielt in Rumänien weiterhin eine Rolle. Darum ist auch das Zedori-Handwerksbrot ein Nischenprodukt für Feinschmecker, die gezielt nach etwas anderem suchen. 

Nicht nur die Herstellung ist eine Herausforderung für die junge Handwerksbäckerin, sondern auch der Vertrieb. Noch besitzt Patricia keinen eigenen Laden, stattdessen arbeitet sie mit lokalen Feinkostläden zusammen und hat auch ungewöhnliche Partnerschaften geschlossen: Auch in den Cafes einer kleinen Bücherei oder eines Kulturtreffpunkts konnte und kann man Zedori-Brot kaufen. 

„Die Pandemie dürfte keine unwesentliche Rolle gespielt haben”, so Patricia. „Selten kommen Menschen direkt zur Bäckerei, um sich Brot zu holen.” Darum möchte sie auch versuchen, über den Essenslieferdienst TAZZ Backwarenprodukte zu verkaufen. „Wahrscheinlich eher Sachen wie Gebäck als wirklich Brot,” erklärt sie. Denn vom Umsatz kriegt sie nur 70 Prozent zurück. Würde der Kunde die Transportkosten übernehmen, würde es ihn fast genauso viel kosten, wie das Brot selbst. Und Abstriche beim Preis kann sich eine Handwerksbäckerin nicht leisten. 

Selbst gemacht statt selbst gekauft

Der Grund für die höheren Preise ist offensichtlich: Ein traditionelles Brot braucht viel Zeit und viel Aufmerksamkeit. Die Zubereitung des Sauerteigs stellt die größte Herausforderung dar. Mit ihr steht und fällt das fertige Brot: Der Sauerteig verbessert das Aroma, den Geschmack, die Verdaulichkeit, den Schnitt der Backwaren und schließlich die Haltbarkeit.

Den Sauerteig richtig hinzubekommen bedarf es viel Finesse, obwohl die Herstellung simpel ist: Es werden gleiche Mengen Mehl und Wasser miteinander vermengt und man lässt es bei Zimmertemperatur zwei Tage lang stehen. Das Verfahren ist Jahrhunderte alt und somit bewährt. Das Ergebnis kann erfolgreich sein, das heißt der Teig duftet angenehm säuerlich, oder man muss den Vorgang wiederholen, aufgrund von Fäulnis. 

Erst wenn Patricia den Sauerteig hat, bereitet sie den eigentlichen Brotteig vor, vermischt je nach Sorte die Zutaten zusammen und gibt den Sauerteig dazu. In dieser Etappe werden aus der gesamten Masse einzelne Brote abgetrennt und diese lässt sie noch einmal mindestes 24 Stunden ruhen, ehe sie in den Ofen kommen. 

Das Sortiment ist reich und auch im Vergleich zum herkömmlichen Weißbrot exotisch. Patricia schwört auf ihr Schokoladenbrot. Sie mischt dem Teig Kakao bzw. Schokolade hinzu. 

Die Kniffe hat sie selbst in Eigenarbeit gelernt. Überhaupt sei dies das Geheimnis. Es bedarf Zeit. Nicht nur ein gutes Handwerksbrot benötigt viel Zeit, sondern auch der Bäcker selbst. „Anfangs gab es viele gescheiterte Anläufe. Aber je mehr man es versucht und nicht aufgibt, desto besser wird man. Und irgendwann hat man diesen Aha-Moment, wenn man den Dreh raus hat”, so Patricia. 

Anfangs führte sie sogar methodisch ein Tagebuch, in dem sie die Schritte festhielt und Zimmertemperatur, Menge des Wasser, Menge des Mehls aufschrieb und die Zahlen verglich. 

„Zum Glück gibt es heute das Internet”, scherzt sie. „Es gibt sehr viele Bäcker, die ihr Handwerk mit der Welt teilen. Anfangs dachte ich, dass es falsch wäre, zu fragen. Aber ich habe dann gemerkt, dass die meisten willig sind, zu helfen und ihr Wissen zu teilen.” 

Social Media Falle

Patricia hat auch in den Sozialen Kanälen Erfolg mit Zedori. „Manchmal mehr auf Social Media als im echten Leben.” Menschen suchen nach diesen Themen. Sind zunehmend am Lebensmittel-Handwerk interessiert und wollen traditionelles statt Fabrikbrot. Ihre erfolgreiche Social Media-Präsenz ist Segen und Fluch zugleich.

Zum einen hat sie ihr neue Kunden gebracht, zum anderen gibt es inzwischen keine Privatsphäre mehr. „Ich freue mich über das Interesse, aber ich finde es nicht normal, dass man auch am Wochenende gestört wird. Menschen schreiben mir oder rufen mich an, manchmal zu den unmöglichsten Zeiten.” 

Doch das gehört inzwischen dazu. Der moderne Handwerker muss alles in einem sein: Er muss nicht nur das Produkt herstellen, er muss es auch verkaufen können. Eine Herausforderung für den Einzelnen, besonders in Anbetracht der Konkurrenz. Trotz deutlich schlechterer Qualität trumpft der Preis und manchmal sogar die Werbung. 

Handwerk statt Massenware

In westlichen Ländern, wo die Kaufkraft stark ist, stehen Menschen Schlange für ein traditionelles Brot, selbst wenn es zwölf Euro kostet. Ein Luxus, den sich viele Menschen in Rumänien nicht leisten können. Handwerks-Brot findet man in Rumänien auf dem Land. Brot, das sich an Zedori stärker annähert als an Massenbrot, aber trotzdem komplett eigen ist. 

Schließlich versucht Patricia, mit der bewährten Formel zu experimentieren und etwas Neues zu schaffen. Und gerade das macht das zeitgenössische Lebensmittel-Handwerk so spannend. Es geht nicht nur um die Bewahrung einer Tradition, sondern um eine Aneignung, eine Anpassung und letztendlich eine Reinterpretation. Für Patricia bedeutet Zedori in gewisser Weise eine Traditions-Fortführung, eben weil ihre Familie eine Bäckerei besitzt. Jedoch stellt sie sich auch die Frage nach der Zukunft. 

Eine Frage, die allgemein auch im Westen gestellt wird. Wie lange können Lebensmittel als Massenware funktionieren? Und wäre es nicht sinnvoller, einen Schritt zurückzugehen? Klar bleiben die Herausforderungen einer stetig wachsenden Weltbevölkerung. Das Fließband hat theoretisch die Nahrungsknappheit ausgemerzt. Auf Kosten der Qualität und der Gesundheit. 

Noch bleibt Handwerksbrot wie das von Zedori ein Nischenprodukt für eine Handvoll, die bereit sind, mehr für Qualität zu bezahlen. Aber selbst wenn sich das Lebensmittel-Handwerk nicht durchsetzen sollte, bleibt es dennoch ein würdiger Gegenspieler, der auch den Großen zeigt, wie man es besser machen kann.