Hermannstädter Unis als Ausnahme

Lokal steigende Studentenzahlen lassen Optimismus aufkommen

Die Lucian-Blaga-Universität, die Akademie der Landstreitkräfte und die Hermannstädter öffentlichen Einrichtungen begrüßten die Studenten zu Beginn des neuen Studienjahres. Foto: Vlad Popa

Tausende Studenten der Lucian-Blaga-Universität (ULBS) sowie der Akademie der Landstreitkräfte „Nicolae Bălcescu“ in Hermannstadt/Sibiu begrüßten das neue Studienjahr 2019-2020 am Großen Ring/Piața Mare in Anwesenheit der Universitätsleitung, ihrer Professoren und zahlreicher Vertreter der öffentlichen Einrichtungen. Dem Festakt wohnten an der Seite des Universitätsrektors Prof. Dr. Ioan Bondrea und des Kommandanten Ghiță Bârsan, unter anderen, die Bürgermeisterin Astrid Fodor, die Kreisratsvorsitzende Daniela Cîmpean und die kürzlich eingesetzte Präfektin Maria Minea bei.

Die Fanfare der Akademie leitete mit der Nationalhymne in das Programm ein, wonach der Rektor in seinem Grußwort die Studentenschaft und die Gäste begrüßte und auf das bevorstehende 50-jährige Jubiläum der Hermannstädter Universität hinwies. Er nutzte die Gelegenheit, um all denen zu danken, die in den vergangenen 50 Jahren mit ihren Taten und ihrer Hingabe zur Entwicklung der Bildungseinrichtung beitrugen, die Hermannstadt durch ihre Absolventen mitgestalten hilft. Die knapp 4400 Studenten im Präsenzstudium, über 800 Studenten im Fernstudium und anderen Studienformen sowie 115 Doktoranden, die die Universität heuer begrüßte, forderte der Rektor auf, sich am Fortschritt zu beteiligen und diesen mitzugestalten. „Die neuen Technologien lassen uns von Berufen träumen, für die heutzutage an den Universitäten noch keine Ausbildung angeboten wird. Nehmt von euren Professoren all das mit, was gut ist, und baut ein neues Land auf. Es findet ein Generationenwechsel statt und wir müssen nach anderen Prinzipien aufbauen. Das Prestige der Universitäten steigt oder sinkt mit ihren Studenten und ihr habt als Studenten der ULBS den Vorzug, vom gesamten Hermannstädter Wirtschaftsmilieu mit offenen Armen empfangen zu werden“, so Ioan Bondrea.

Der Festakt bot dem ULBS-Rektor auch die Gelegenheit, dem Rektor der Akademie der Landstreitkräfte die Goldmedaille der ULBS zum Zeichen der Anerkennung für die gute, mittlerweile siebenjährige Zusammenarbeit zu überreichen. „Diese Medaille haben die Akademie, die seit 99 Jahren Teil dieser Stadt ist, und all jene Vertreter der beiden Universitäten und der öffentlichen Einrichtungen in Hermannstadt verdient, die zu dieser Zusammenarbeit beigetragen haben. Damit eine Stadt an Stärke gewinnt, bedarf sie einer starken Universität. Hermannstadt hat gleich drei, die jährlich zahlreiche Studenten anziehen. Sie kommen, um etwas aus sich zu machen und ihre Schwingen dann auszubreiten und in ein neues Leben zu starten“, so Ghiță Bârsan. Die Akademie der Landstreitkräfte „Nicolae Bălcescu“ begrüßte heuer knapp 1400 Studenten, davon rund 300 Anfänger.

Nach der Hymne der Akademie bot die Bürgermeisterin Astrid Fodor ein Grußwort und ermutigte die Studenten, ihre Kompetenzen auf einer theoretischen Grundlage zu entwickeln, ermutigte aber auch die Freiwilligenarbeit. „Ich ermutige Sie, Kompetenzen und Informationen anzusammeln. Die Informationen sind die Grundlage, doch die Kompetenzen werden den Unterschied ausmachen. Lesen Sie, um zu verstehen, nicht um auswendig zu lernen, vertiefen Sie das Gelernte aus Leidenschaft und Wissbegierde. Die Freiwilligenarbeit bietet Genugtuung und die Gelegenheit, mit Euren Mitmenschen in Kontakt zu treten. Denken Sie daran, dass Hermannstadt eine freiwilligenfreundliche Stadt ist und viele Möglichkeiten in dieser Hinsicht bietet“, so die Bürgermeisterin Astrid Fodor.

Weitere Worte sprachen die Kreisratsvorsitzende Daniela Cîmpean aber auch Vertreter der Studenten der beiden Bildungseinrichtungen. Der Festakt endete in traditioneller Art mit dem Verlauten der Studentenhymne „Gaudeamus igitur“.
Die Hermannstädter Universitäten – Wohin?
Den Rektoren der beiden Bildungseinrichtungen zufolge, habe sich der landesweit festzustellende Studentenschwund in Hermannstadt nicht eingestellt, ganz im Gegenteil, die beiden Universitäten seien gefragter denn je. Eine Studie der Nationalen Statistikbehörde besagt, dass sich die Anzahl der Studenten im Vergleich zum Jahr 2010 aufgrund des demografischen Wandels und besonders der Auswanderung der jüngeren Generationen halbiert. Der Internetseite edupedu.ro zufolge, traten heuer rund 377.000 Studierende das neue Studienjahr an, welches die seit 1998 niedrigste Studentenzahl ist.

Hermannstadt war und bleibt jedoch anders. „In letzter Zeit erfährt die Akademie der Landstreitkräfte einen Zuwachs an Studenten. Heuer boten wir 300 Plätze im Lizenzstudiengang an und die Zahl der Anwärter war mit 1170 die höchste in der Geschichte der Akademie. Die Jugendlichen streben eine Karriere in der Armee an. weil, vielleicht nicht zufällig, diese in den Reihen der Bevölkerung ein erhöhtes Vertrauen genießt“, so Ghiță Bârsan.
Auch der Rektor der ULBS zeigt sich zuversichtlich: „Zu unserer Freude verfügen wir über Programme, bei denen die Studentenzahlen angewachsen sind. Das beweist, dass unsere Zusammenarbeit mit dem Hermannstädter Wirtschaftsmilieu der Universität zugute kommt. Im Vorjahr konnten wir zudem eine Steigerung der Forschungstätigkeit erreichen. All das beweist, dass sich die ULBS in eine gute Richtung entwickelt“, so Ioan Bondrea.

Vor allem im Fall der Lucian-Blaga-Universität tragen die Vielzahl an Kooperationen mit dem Wirtschaftsmilieu und die extrakurrikularen Programme zur Attraktivität der Bildungseinrichtung bei. Großkonzerne wie Continental oder Marquardt, die in Hermannstadt nicht nur Produktion sondern auch Forschung und Entwicklung betreiben, sehen die Universität als lebensnotwendige Quelle von neuen, qualifizierten Mitarbeitern an und deren Beitrag zu den Ausbildungskapazitäten aber auch der Praktika, die über die ULBS angeboten werden, ist entsprechend hoch. Hier wäre als Denkansatz vielleicht zu beachten, dass das akademische Bildungsangebot nicht nur oder nicht übermäßig auf die Wirtschaft ausgerichtet sein sollte, denn eine Universität sollte nicht nur für diese ein Brutkasten sein, sondern die Geisteswissenschaften und die Künste mindestens gleich tatkräftig fördern.

Was die Zukunft bringt, ist mit Vorsicht zu genießen, denn hier ist ein andauernder Balanceakt zu meistern. Aus politischer Sicht ist die Lage für ausländische Investoren alles andere als rosig. Im Steuerwesen und allgemein in der rumänischen Politik ändern sich die Bedingungen von Tag zu Tag, sodass von Prädiktabilität kaum die Rede sein kann. Der Einfluss der Auswanderung auf den rumänischen Arbeitsmarkt ist ein zusätzliches Thema, denn Wachstum kann ohne Mitarbeiter nicht erreicht werden und sie werden in und um Hermannstadt immer seltener. Inwieweit der Zuzug der Studenten aus den umliegenden Kreisen dieser Situation mittel- bis langfristig einige Stabilität zu verleihen vermag, bleibt abzuwarten, doch gilt es, dass sich die öffentlichen Einrichtungen und der Wirtschaftssektor die Hände reichen und Möglichkeiten finden, um besonders der Auswanderung der jungen Generation Einhalt zu gebieten und ihr Gründe und Möglichkeiten zu geben, um sich hier zu entwickeln und stabilisierend zu wirken.