Horb am Neckar – das Tor zum Schwarzwald

Ein historischer Stadtspaziergang durch eine Kulturstadt in lieblicher Landschaft

Die Rathausfassade gleicht einem erzählenden Bilderbuch.

Die Horber Altstadt vom Neckarufer aus betrachtet

Schurkenturm

Renaissancebrunnen

Fachwerkhaus „Hoher Giebel“ | Fotos: der Verfasser

Entlang des 410 Kilometer langen Neckartal-Radwegs von Villingen-Schwenningen bis nach Mannheim passiert man auch die Kleinstadt Horb am Neckar. Eingebettet zwischen den östlichen Ausläufern des Schwarzwalds und der Schwäbischen Alb liegt die Stadt malerisch am Lauf des Oberen Neckars. Die Stadt inmitten einer wunderschönen Naturlandschaft gilt deshalb auch als Tor zum Schwarzwald und bietet als beliebtes Ausflugsziel viele Sehenswürdigkeiten. Im Licht der  Abendstunden kreiert die hügelaufwärts liegende Altstadt eine der schönsten Stadtsilhouetten Deutschlands.

Blickt man vom Neckarufer hinauf, so sticht einem sofort die hoch oben thronende Altstadt mit dem Kirchturm der Stiftskirche ins Auge. Um das Jahr 1090 wurde Horb zum ersten Mal urkundlich erwähnt. Im Jahr 1244 nennen die Quellen erstmals einen sogenannten Schultheißen, was darauf schließen lässt, dass der Ort bereits zuvor zur Stadt erhoben wurde. Im 13. Jahrhundert wurden drei Frauenklöster sowie ein Spital in Horb gegründet. 1381 fällt die Stadt als Teil der Grafschaft Hohenberg an das Haus Österreich. Ende des 15. Jahrhunderts regelt Kaiser Maximilian im Horber Vertrag die württembergische Thronfolge. 1806 endet die über 400-jährige Zugehörigkeit zum Hause Habsburg und Horb fällt letztlich an Württemberg. Die über 930-jährige Geschichte ist allgegenwärtig: verwinkelte Gassen, Horber „Stäpfele“ (schwäbisch für Treppen), Fachwerkhäuser sowie noch bestehende Tore und Türme der einstigen Stadtbefestigung versprechen eine spannende Zeitreise vom Frühmittelalter bis in die Neuzeit.

Vom „erzählenden“ Rathaus zum Renaissancebrunnen

„Städt und Städtle git‘s viel am Neckar, Donau und Rheine, aber so hoch und schö bucklich wie ons‘re ischt keine!“ So beschreibt ein Spruch auf der Rathausfassade die Neckarstadt. Die Erkundung zu Fuß hat es in sich: Es gibt zahlreiche Anstiege und „Stäpfele“, über die man vor allem die Sehenswürdigkeiten der höher gelegenen Altstadt erreichen kann. Dort bietet der Marktplatz mit dem Rathaus einen perfekten Startpunkt für den Stadtspaziergang. Sämtliche Häuser am Marktplatz wurden nach dem großen Stadtbrand von 1725 wieder errichtet, wobei man dem 1733 begonnenen Rathaus erst 40 Jahre später den obersten Stock aufsetzte. Das Nachbargebäude diente als Arrestlokal und Wache für die beiden Nachtwächter. Durch den heimischen Künstler Wilhelm Klink wurde das Rat- und Wachthaus 1925/27 zum wahren Schmuckstück. Er kreierte auf den Giebelseiten das „Horber Bilderbuch“ über die Historie der Neckarstadt. In den angrenzenden Gebäuden sind weitere Teile der Stadtverwaltung sowie das städtische Museum und die Stadtbibliothek zu finden. 

Zwei Häuser neben dem Rathaus stößt man auf ein imposantes Bürgerhaus. Heute ist dort ebenfalls ein Teil der Stadtverwaltung untergebracht. Bekannt ist es als „Geßlersches Haus“, 1745 wurde es von Johann Josef Geßler erworben, zum Sitz des Obervogtes. Er machte sich vor allem nach dem Brand um den Wiederaufbau der Stadt verdient, wofür er von Kaiser Karl VI. geadelt wurde. Nur einen kleinen Sprung weiter stößt man auf den Marktbrunnen, einem der drei verbliebenen Renaissancebrunnen. Seine Gestaltung erzählt ein weiteres Kapitel aus der Horber Stadtgeschichte. Der habsburgische Löwe hält mit der linken Pranke ein vom hohenbergischen und österreichischen Wappen geteiltes Schild, in der rechten ein Schwert. Die gemauerten Gewölbe neben dem Brunnen dienten früher als Kalkgruben.

Stiftskirche, Klöster, Schurkenturm

Vom Marktplatz erblickt man die imposant auf einer Anhöhe thronende Stiftskirche „Heilig Kreuz“. Der älteste Kirchenbau auf dem höchsten Punkt der Horber Altstadt geht auf die Mitte des 13. Jahrhunderts zurück. Die gotische Stiftskirche wurde im 14. und 15. Jahrhundert erweitert und brannte ebenfalls 1725 aus. 1728 und 1755 erfolgte der Wiederaufbau im Barockstil. 1806 hob der König von Württemberg das Horber Chorherrenstift auf. Mit der Horber Madonna ist im „Frauenchörle“ wohl das bedeutendste Kunstwerk der Stadt zu sehen. 

An den Vorplatz der Kirche angrenzend kann man zwei Gebäude entdecken, in denen einst Klöster untergebracht waren. Das heutige Kulturzentrum „Kloster“ fungierte einst als Franziskanerinnenkloster. Die unteren Geschosse stammen aus dem 13. Jahrhundert. Das Haus blieb als eines der wenigen Häuser vom Stadtbrand verschont.

Genau gegenüber dem Eingang zur Stiftskirche stößt man auf ein Gebäude, das heute das Finanzamt und das Stadtarchiv beherbergt. Hier befand sich das ehemalige Dominikanerinnenkloster, welches 1261 erstmals urkundlich hervortrat. Das Klostergebäude fiel auch dem Stadtbrand zum Opfer, wurde jedoch 1726/27 wieder aufgebaut. Das Gnadenbild der Horber Dominikanerinnen, eine Pietà aus der Zeit um 1430, ist heute in der Liebfrauenkapelle zu sehen. 1806 wurde das Kloster vom König von Württemberg aufgehoben und darin die Oberamtsverwaltung untergebracht. Im Innenhof befindet sich der „Weiße Garten“. 

Neben dem ehemaligen Kloster der Dominikanerinnen führt eine leichte Steigung nach oben. Folgt man ihr, so gelangt man zum „Schurkenturm“ mit Burggarten. Von hier aus wird man mit einem hervorragenden Ausblick über die Stadt bis ins Neckartal belohnt. Auf diesem Platz thronte über der Stadt das um 1400 errichtete herrschaftliche Schloss Hohenberg. Übriggeblieben ist der mächtige Wehrturm mit einigen Mauerresten und dem idyllischen Burggarten. Im 18. Jahrhundert wurde das alte Gemäuer als Gefängnis genutzt – daher auch die Namensgebung „Schurkenturm“. Seit 1973 hat der Schwäbische Albverein ein Vereinsheim im Turm eingerichtet.

Wo einst die Vermögenden lebten

Nimmt man sich die Zeit für eine der Stäpfele zum Abstieg von der Altstadt in die Kernstadt, so gelangt man unten angekommen in die Neckarstraße. Spaziert man diese  entlang, so kommt man zunächst am in einem gemauerten Gewölbe befindlichen „Hackbrunnen“ vorbei. In den historischen Quellen tauchte er im Jahre 1472 erstmals als „Hagbrunnen“ auf. Flaniert man weiter, erscheint auf der rechten Seite ein großes Fachwerkhaus, das Einheimischen als „Hoher Giebel“ bekannt ist. Der 25 Meter hohe Bau war einst Handelshaus der vermögenden Familie Garb. In den 1950ern hat man den Fachwerkbau umfassend renoviert. Zurzeit beheimatet das Gebäude die städtische Musikschule. 

Lässt man das Fachwerkhaus, von denen noch einige mehr in Horb existieren, hinter sich, so blickt man nach wenigen Schritten auf ein interessantes Tor mit aufgesetztem Turm. Das Tor ist an ein weiteres imposantes Gebäude angebaut. Es handelt sich um das „Stubensche Schlösschen“. Das 1519 erbaute Haupthaus ruht mit seiner Westfront auf der inneren Stadtmauer. 1706 wurde das Haus von der verwitweten Maria Johanna von Stuben gekauft. Über dem Tor zum Arkadenhof findet man das Allianzwappen der von Stubens und des eingeheirateten Johann Franz von Barille. Um 1760 wurde hier von der Tuchhändlerfamilie Geßler eine Seidenmanufaktur und Färberei eingerichtet, der 1880 das Bildhaueratelier des Peter Paul Hausch folgte. Die Rückseite des Hauses grenzt an den Neckar. Das Tor, heute vor allem als „Ihlinger Tor“ bekannt, gewährte früher Einlass in die Stadt. Der „Luziferturm“, wie der Bau auch benannt ist, soll einst für die der Hexerei beschuldigten Frauen als Gefängnis gedient haben.

Vom „Untereren Markt“ zum „Haus am Aischbach“

Nimmt man statt der Treppen den weniger steilen Weg in den unteren Teil der Stadt zurück über den Marktplatz, so kann man den Spaziergang mit weiteren Sehenswürdigkeiten verlängern. Folgt man dem Weg links hinunter vom Marktplatz, kommt man am „Unteren Markt“ vorbei. Dort befinden sich der Platzbrunnen und ein weiteres Fachwerkhaus. Der Brunnen wurde 1482 erstmals erwähnt und 1960 durch eine  Replik ersetzt. Auf der Brunnensäule wacht Erzherzog Ferdinand II. von Österreich-Tirol. Das Fachwerkhaus neben dem Brunnen diente früher als Kornhaus.
Bleibt man vom „Unteren Markt“ rechts weiter auf der Gutermannstraße, so erblickt man nach nur wenigen Metern auf einer von Mauern umgebenen Anhöhe die Liebfrauenkapelle. Der Bau, der im Volksmund genannten „Kapell“ wurde um 1280 mit der Marienkapelle begonnen. Etwa um 1363 baute man an diese ein Langhaus samt Turm. In der Liebfrauenkapelle sind die kostbaren Fresken sehenswert. 

Biegt man nach der Kapelle rechts in die kleine kopfsteingepflasterte Hirschgasse ein, entdeckt man bald ein weiteres historisches Gebäude. Das Steinhaus mit seinen gotischen Staffelgiebeln, dessen Tragwerk aus gewaltigen Eichenbalken auf großen Gewölbekellern ruht, wurde 1507 als Speicher vom Spital zum Heiligen Geist errichtet und diente als Magazin und Fruchtkasten. Die katholische Kirchengemeinde baute es 1972 bis 1974 zu einem Gemeindezentrum um, welches  auch das Hermann-Hesse-Kolleg beherbergt.

Lässt man die Hirschgasse hinter sich, erreicht man direkt wieder die Neckarstraße in Richtung Stadtmitte. Hier kann man wieder einige Fachwerkbauten entdecken. Auf der rechten Seite sticht ein imposanter Steinbau besonders ins Auge. Er fungierte einst als Schaffnereihof des Dominikanerinnenklosters Kirchberg. An der Rückseite des malerischen Hofes liegt die Brunnenstube des Aischbaches, die im Mittelalter als Badestube funktionierte. In diesem Haus hatte Wilhelm Klink, der letzte Vertreter der Horber Bildhauerschule, seine Werkstatt. Von ihm stammte auch das zur Straßenseite hin sichtbare Dreifaltigkeitsbild.