Huntington versus Fukuyama, oder was?

Randbemerkungen

Vor rund einem halben Menschenleben waren zwei amerikanische Hochschulprofessoren mit ihren geopolitischen Ideen in Mode: Francis Fukuyama mit seinem „Ende der Geschichte” (gemeint war das – wie sich heute zeigt, vorläufige – Ende des Kalten Kriegs, der aber jetzt als „hybride Kriegsführung” und Realkrieg weitergeht); und Samuel Huntington mit seinem „Bruch der Zivilisationen” (eine Bruchlinie wird von der Kronstädter Schwarzen Kirche als östlichste gotische Kathedrale markiert), wo die „Zivilisationen” religiös gekennzeichnet sind.

Beide Theorien hatten seinerzeit durchaus einleuchtende Argumente parat und zahlreiche Anhänger, auch weil sie implizite eine geopolitische Projektion auf das 21. Jahrhundert versucht haben. Fukuyama sah das Ende des Kalten Kriegs als Erfolg der westlichen liberalen Demokratien und mit dem Schwinden des kommunistischen Ostblocks als Anfang einer friedlichen, liberal-demokratisch geprägten Welt auch als das Ende einer Hegemonie – weil niemand mehr da sei, den man hegemonial zu überbieten/niederzuhalten hätte. Huntington sah das 21. Jahrhundert als eines, in dem die religiöse Zerrissenheit Europas und der Welt sich verhärtet zu einem explosivem Konfliktpotenzial, wo die Inhalte nicht mehr ideologisch seien, oder im traditionellen Nationalstaatendenken des 19. Jahrhunderts, wie im Kalten Krieg – sondern religiös. Den Begriff der „Zivilisationen” versteht Huntington als sozial-politische Blöcke, die von den vorherrschenden Religionen geprägt sind: Christentum (katholisch-protestantisch oder slawisch-orthodox), Islam, die großen Religionen indischen Ursprungs usw. Im Grund scheint auch bei Huntington durch, dass die Welt der vor 35 Jahren voraussehbaren Zukunft grundsätzlich eine liberale sein müsste.

Beide, Fukuyama und Huntington, hatten bezüglich unseres Heute nicht Recht. Wir sind meilenweit von einem authentischen Liberalismus entfernt. Rechtspopulismus, Nationalismus, starker Linksdrall, Illiberalismus schwächen und untergraben ihn. Die konflikfreie Welt des Fukuyama gibt es nicht. Mehr noch: der Kalte Krieg scheint im Nachhinein „friedlich” angesichts des brutalen Überfalls Russlands auf die Ukraine und der jetzt laufenden Stabilisierungsartifizien im von Russland eroberten Teil der Ukraine – mit denen jeder weitere Angriff der Ukraine zwecks Rückeroberung der seit dem 24. Februar verlorengegangenen Staatsgebiete sofort als ein Angriff auf das (illegal ausgeweitete) Souveränitätsrecht Russlands umgedeutet werden kann.
Heutige Konflikte sind grundsätzlich ideologisch.

Russland greift die Ukraine wegen deren Westwendung an, um seine faschistische Autokratie zu beschirmen. Das von imperialen Obsessionen verwirrte, an seine angebliche militärische Grandezza immer noch glaubende revanchistische Russland, ebenso wie die anderen Autokratien – China mit seiner vermeintlichen Wirtschafts- und Wissenschaftsüberlegenheit, der Iran mit seiner schiitischen Obsession und Erdölstärke, Nordkoreea mit seiner durch Abschirmung konservierten Verblendung – sie alle werden einvernehmlich (und vielleicht als Allianz der Zukunft) für Unruhe in der Welt sorgen, egal welchen religiösen Glaubens ihre Völker sind, so lange sie sich von den liberalen Ländern (und deren Satelitenstaaten) in ihrer selbstherrlichen Armseligkeit bedroht fühlen. „Dekadenz” und „Nazitum” des Abendlands sind Propaganda. Ziel der „Schurkenstaaten” der heutigen Diktatoren ist, intern ihren Bewohnern jeden Weg zur Freiheit zu verbauen, nach außen die liberalen Staaten je weiter von sich weg zu halten. Den Mitbürgern diktieren, was sie denken und fühlen dürfen (Gruß von Ceau{escu und seiner Clique...). Freiheit heißt für sie Verlust von Identität, nicht Abschaffung der Kleinhaltung durch die Großen.

So koalieren Faschisten und Kommunisten gegen die Freiheit.