„Ich würde mir vom rumänischen Publikum wünschen, anspruchsvoller zu sein“

Kleiner Einblick in die große Jazzwelt der Sängerin Luiza Zan

Foto: Orsolya Balint

Luiza Zan und Péter Sárik (Ungarn) bei einem Auftritt im Kronstädter Patria-Saal Foto: Liviu Emil Zaharescu

Luiza Zan ist eine der glanzvollen Jazz-Stimmen Rumäniens, kann sich aber locker vor jedem Publikum, ob nun Rock- oder Klassik-Liebhabern, behaupten. Mit ihrer mitreißenden Ausstrahlung, ihrem charismatischen Humor und vor allem dem Timbre mit einem hohen Grad an Wiedererkennungswert reißt sie alles mit, was Ohren hat. Und das schon seit Kindesbeinen, in Bands sowie Ensembles aller Art, in Zusammenarbeit mit Künstlern aus dem In- und Ausland. Unter anderem hat sie den zweiten Platz beim internationalen „Montreaux-Gesangswettbewerb“ erhalten und mit ihrer damaligen Band „Slang den ersten Preis beim „Goldenen Hirsch“ 2004 in Kronstadt/Brașov gewonnen. Ihr Wirken formt den musikalischen Charakter des Landes nicht nur im Bereich der Live- und Studio-Musik, sondern auch durch wunderbare Kompositionen für Theaterstücke und Film. Geboren ist sie in Tulcea, aufgewachsen in Piatra Neamț und hat in Jassy/Iași klassischen Gesang studiert, bevor Sie zehn Jahre in Bukarest verbracht hat. Am liebsten würde sie mit sooo vielen Musikern zusammenarbeiten, hat nebenbei aber auch zwei Kinder und baut mit ihrem Ehemann ein Haus neben der kleinen, feinen Künstlerstadt Sankt Georgen/Sfântu Gheorghe (Covasna). Mit der inzwischen im internationalen Musikbetrieb sehr präsenten Jazzsängerin Luiza Zan sprach Petra Acker.

Erzähle uns etwas mehr über deinen musikalischen Werdegang. Wie kamst Du zum Jazz?

Ich singe schon, seit ich im Kindergarten war, damals war es Volksmusik. Meine Mutter war Violinistin, hat Violine und Bratsche unterrichtet, und mein Großvater hat das Akkordeon gespielt, also hat mich die Musik bereits erwartet, als ich geboren wurde. Später wollte ich Schlagzeug lernen, jedoch bestand die Rhythmus-Abteilung im Kunstlyzeum in Piatra Neamț ausschließlich aus dem Fach für Zymbal, und ich konnte mir mich selbst als großer Jazz- und Rock-Fan nicht hinter solch einem Instrument vorstellen.

Den Jazz habe ich mit 13 Jahren entdeckt, auf einer CD von Nat King Cole. Ich wusste vom ersten Augenblick an, dass dies MEINE Musik ist. Während des Lyzeums wurde mir verboten, Jazz zu singen, so habe ich es erst während der Hochschule geschafft, mich von solch engstirnigen Gepflogenheiten zu befreien, und das vor allem durch das große didaktische Talent meiner damaligen Professorin am Konservatorium in Jassy/Iași, Maria-Jana Stoia. Ich habe ihr jeden Aspekt meiner Gesangstechnik zu verdanken, die ich heute beherrsche.

Wie würdest du ein kurzes Selbstporträt von Luiza Zan als Musikerin in Worte fassen?

Ich bin eine Musikerin mit sehr viel Glück, denn ich habe die Gelegenheit, auf der Bühne von tollen Menschen begleitet zu werden, die mich klanglich wie auch ästhetisch in das beste Licht stellen. Ich experimentiere ständig mit verschiedenen Arten der Musik, um neue Möglichkeiten meiner Stimme zu entdecken und den nächsten Schritt in meiner Laufbahn bestimmen zu können.

Du bist eine der Künstlerinnen, die die Jazzszene in Rumänien am besten kennen, bist aber auch sehr viel Richtung Westen gereist. Wie würdest du die Szene im Land im Vergleich zur internationalen Jazzwelt beschreiben?

Die rumänische Jazzmusik steht im Vergleich zu den nahegelegenen Ländern sehr gut, aber Ungarn, wo ich oft genug singe, um mir eine Meinung zu leisten, stellt uns so ziemlich in den Schatten. Ich würde mir vom rumänischen Publikum wünschen, dass es anspruchsvoller ist und dass die Leute nicht nur zu Vorführungen mit freiem Eintritt gehen, sondern sich daran gewöhnen, für ein wertvolles Konzert zu bezahlen. Ich würde mir wünschen, dass die Leute bei minderwertigen Konzerten etwas kritischer sind, anstatt bei jedem Akkord mit Septime (üblich in der Jazzmusik) frenetisch zu applaudieren.

Was könnte deiner Meinung nach in der rumänischen Jazzszene tatsächlich verbessert werden?

Ich glaube ganz ehrlich, dass die Musiker in Rumänien großzügiger und freundlicher zueinander sein und mehr Mitgefühl füreinander haben könnten. Ich glaube ehrlich, dass solch eine kleine Familie (wir sind maximal 100 professionelle Jazzmusiker im Land) enger vereint sein sollte.

Du hast zwei Jahre an der Musikuniversität in Bukarest unterrichtet. Wie war die Erfahrung?

Es hat mir sehr viel Spaß gemacht, es war der beste Moment für mich, unterrichten zu lernen. Bis zu dem Zeitpunkt hatte ich bloß die Erfahrung des pädagogischen Praktikums während der Hochschule. Ein Teil der Schüler, die ich während der beiden Jahre als Unterrichtende angetroffen habe, haben mittlerweile aufblühende Karrieren, es ist eine Freude für mich, ihre Fortschritte Tag für Tag zu beobachten.

Wie bist du dazu gekommen, im Theater und Film zu arbeiten?

Im Bereich der Filmmusik bin ich während der Zeit gelandet, als ich in einem Studio in Bukarest gearbeitet habe – fast sechs Jahre habe ich dort verbracht, von den Besten in der Branche das Handwerk abgeguckt und dort auch die Leute getroffen, die mich darauf angesprochen haben, Filmmusik zu komponieren. Ich hatte jedes Mal das Glück, der richtige Mensch an der richtigen Stelle zu sein.
Im Theater habe ich mich fantastisch gefühlt und eine komplett neue Welt entdeckt, etwas ganz anderes, als ich mir vorgestellt hatte. Die Arbeit an einem guten Theaterstück braucht Zeit, bringt Schmerz, verlangt ein enormes Maß an Energie und verbraucht sämtliche Vorräte an Kraft, nur um dir zu beweisen, dass du immer zu mehr und vielfältigeren Dingen im Stande bist, als du eigentlich denkst.
Ich werde Regisseur Radu Afrim mein Leben lang dankbar sein für das große Vertrauen, das er mir bei der Arbeit an „Năpasta“, einer Produktion des Bukarester Nationaltheaters, gezeigt hat. Es war das erste Theaterstück, bei dem ich mitgearbeitet habe, in den Monaten der Vorbereitung habe ich Hemmungen überwinden können und erfahren, dass ich viel mehr kreativ-konstruktives Können besitze, als ich dachte. Ich habe aus der Erfahrung eine große Menge Inspiration mitnehmen können.

Was hast du zurzeit an Projekten im Plan?

Im August starte ich eine Produktion, an der ich seit letztem Jahr arbeite, vokal-sinfonische Musik in Zusammenarbeit mit Mariano Castro, der die Musik bearbeitet hat, und dem „Kamerata Kronstadt“-Orchester, in der Aufführung einer für ein Orchester sehr neuen, für mich jedoch sehr alten Musik. Wir werden Nat King Cole spielen. Genauer findet das Konzert am 10. August in Bran statt.
Vor zwei Wochen habe ich in Zusammenarbeit mit dem Gitarristen Iulian Pavelescu mein neuestes Album aufgenommen, es nennt sich AfroDizzy und wird noch dieses Jahr veröffentlicht werden.
Im Herbst werde ich auf der Bühne des Bukarester Odeon-Theaters auftreten, diesmal mit meinen Kollegen vom „Jazzpar Trio“, mit dem ich beim Theaterfestival in Piatra Neamț singen werde, um nur einige Vorhaben zu nennen.
Abgesehen von den musikalischen Projekten baue ich ein Haus und habe den Eindruck, es nimmt nie ein Ende.

Welches ist dein persönliches Lieblingsstück von allen, die du veröffentlicht hast? Was würdest du unseren Lesern empfehlen?

Mein Lieblingsstück ist „Her Violin“, ein Lied, das ich zur Erinnerung an meine Mutter geschrieben habe. Mein Publikum findet „Until I fall asleep“ am besten, wahrscheinlich weil es etwas fröhlicher ist als andere. Beide Stücke sind Teil des gleichen Albums „Heritage“.
Ich würde empfehlen, „Her Violin“ aufmerksam anzuhören und sich von der Trauer in der Melodie wie von einer Welle treiben zu lassen. Trauer ist gut. Aus ihr entstehen pure Gedanken. Außerdem kommt das Vertrauen von der Aufarbeitung der Trauer.

Gibt es einen Künstler im In- oder Ausland, mit dem du gerne zusammenarbeiten würdest, aber noch nicht  wozu es gekommen ist?

Es gibt jede Menge Leute, mit denen ich sehr gerne singen würde, angefangen mit Dir, Petra, bis George Dumitriu, Adrian Nour, István Téglás, Oana Pellea, aus dem Ausland Ondrej Privec oder Richard Bona. Es sind wirklich unheimlich viele…

Ich weiß, es ist schwierig zu sagen, aber kannst du ein Konzert nennen, das dir von allen am meisten gefallen hat? Falls du eines nennen kannst, was ist der Grund für deine Wahl?

Ja, es war ein Konzert letztes Jahr beim Budapest Jazz Club mit dem Sárik Péter Trió und Gyárfás István. Ich kann mich sehr gut daran erinnern, da ich  „Her Violin“ improvisiert habe und mich der Moment an einen Ort gebracht hat, von dem ich nur schwer wieder zurückgefunden habe. Ich hatte den Eindruck, irgendwo im Jenseits, bei meiner Mutter zu sein, das Publikum schien das wirklich mitbekommen zu haben, denn die Leute applaudierten stürmisch über 12 Takte hinweg…. Dort habe ich mich bisher am besten gefühlt, weil ich mich sehr persönlich ausdrücken konnte und das Publikum mir von Anfang bis Ende wie ein richtiges Mitglied der Band zur Seite stand. Ich liebe Konzerte, bei denen das Publikum aktiv mitwirkt, und das nicht nur zum Schluss, sondern während des gesamten Auftritts. Jedoch ist es die Verantwortung des Künstlers, die Aufmerksamkeit der Zuschauer zu bewahren und die Leute zu fesseln, wir haben als Musiker jede Menge Arbeit.

Welche deiner kommenden Konzerte würdest du empfehlen?

Ich würde den Leuten im Allgemeinen und in erster Linie empfehlen, so viele Konzerte wie möglich zu besuchen, nicht nur meine. Mich findet man auf Facebook, ich bin dort ziemlich aktiv und „bombardiere“ meine Facebook-Freunde ständig mit Konzerten. Jedoch besuchen Sie bitte auch die Konzerte der weniger bekannten Musiker, Sie werden sehr positiv überrascht werden!
Ansonsten erwarte ich Sie am 3. August auf der Bühne des Câmpina Jazz/Rock Festivals, am 10. August wie schon erwähnt bei der Törzburg in Bran, der September hat dann auch noch so manches zu bieten, was, wie gesagt, auf meiner Facebook-Seite oder meiner persönlichen Webseite, www.luizazan.ro, mit Einzelheiten zu erfahren ist. Sämtliche Konzerte erfreuen sich einer sehr intensiven Vorbereitung, ich freue mich schon auf jedes einzelne!

Vielen Dank für das Gespräch!