Im Dezember 1989 beschädigte Gemälde und ihre Restaurierung

Ausstellung im Bukarester Nationalen Kunstmuseum

Während der Revolutionswirren des Jahres 1989 kam es in der rumänischen Hauptstadt Bukarest nicht nur zum gewaltsamen Tod zahlreicher Menschen, sondern auch Kunst- und Kulturschätze von unersetzlichem Wert gingen damals für immer verloren. Unter anderem brachen in der Bukarester Universitätsbibliothek sowie im gegenüberliegenden Königspalast, in dem damals wie heute das Bukarester Nationale Kunstmuseum untergebracht ist, Brände aus. Dort wurde in den Dezembertagen des Jahres 1989 auch eine Reihe von wertvollen Gemälden stark beschädigt oder gar gänzlich vernichtet: durch Gewehrkugeln, durch fallendes Mauerwerk und durch Gesteinsbrocken, die infolge von Explosionen durch die Räume des Museums geschleudert wurden. Komplett zerstört wurde damals auch die Gemälderestaurierungswerkstatt des Bukarester Nationalen Kunstmuseums.

Die Ausstellung, die derzeit und noch bis zum März kommenden Jahres in der Galerie moderner rumänischer Kunst im Bukarester Nationalen Kunstmuseum zu besichtigen ist, verfolgt dementsprechend ein doppeltes Ziel. Sie erinnert nicht nur an das Schicksal der völlig vernichteten Restaurierungswerkstatt des Museums selbst, mit der zusammen im Dezember 1989 dreißig in Reinigung, Konservierung und Restaurierung befindliche Gemälde zugrunde gingen. Sondern sie präsentiert zugleich in restaurierter Form Gemälde, die während der Dezemberereignisse des Jahres 1989 im Bukarester Kunstmuseum zerschossen, beschädigt oder anderweitig in Mitleidenschaft gezogen wurden.

Insgesamt handelt es sich dabei um siebenundvierzig Gemälde, die während der rumänischen Revolution zu Schaden kamen und danach in den Jahren 1990 bis 2020 ihrer Restaurierung zugeführt wurden. Weitere sechzehn Gemälde, die im Dezember 1989 beschädigt wurden, harren noch ihrer konservatorischen Wiederherstellung. Zehn der bislang siebenundvierzig restaurierten Gemälde sind in der Bukarester Ausstellung der Öffentlichkeit zugänglich, darunter drei, die erstmals seit 1989 wieder zu sehen sind: das Gemälde „Pappeln am Dorfrand“ von Ioan Andreescu und zwei Stillleben von Sava Henția.

Betritt der Besucher den Ausstellungssaal im zweiten Stock des Kunstmuseums, so fällt sein Blick zunächst auf eine Übersichtstafel, wo sämtliche siebenundvierzig Bilder aufgelistet sind, die in den vergangenen drei Jahrzehnten sorgfältig restauriert wurden. Es handelt sich um Gemälde von Theodor Aman (3), Ioan Andreescu (13), Dimitrie Ghiață (6), Nicolae Grigorescu (6), Sava Henția (4), Gheorghe Ioanid (1), Ștefan Luchian (8), George Demetrescu Mirea (2), Constantin Daniel Stahi (1), Henric Trenk (1) sowie um zwei Gemälde von anonymen Künstlern. Lässt der Besucher dann seinen Blick im Saal der Ausstellung kreisen, so sieht er nicht nur die zehn Ölgemälde in schöner Rahmung an den Wänden hängen, sondern auch zahlreiche Schautafeln, die den bemitleidenswerten Zustand jener stark ramponierten Bilder im Dezember 1989, die verschiedenen Etappen des Restaurationsvorganges wie auch den heutigen Zustand der nun in neuem Lichte erstrahlenden Gemälde dokumentieren. Eine digitale Diaschau, die permanent auf einem Monitor abläuft, erweitert den Horizont des Besuchers darüber hinaus auch auf in diesem Ausstellungsraum nicht gezeigte Bilder, deren Restauration gleichwohl hier dokumentiert wird.

Betrachtet man etwa das herrlich leuchtende Stillleben aus dem Jahre 1897 von Sava Henția mit dem aufgeschnittenen Kürbis, den Äpfeln, der Quitte, den grünen, rötlichen und blauen Trauben, dem Weinlaub und den lebendiges Wachstum suggerierenden Weinreben, so ist es kaum vorstellbar, dass dieses wunderbare und meisterlich restaurierte Bild, das eher die Gattungsbezeichnung „nature vivante“ als „nature morte“ verdiente, lange Jahre, von mehreren Gewehrkugeln durchlöchert, ein museales Schattendasein führen musste. Und das Jagdstillleben desselben Künstlers aus dem Jahre 1876, ebenfalls in Öl auf Leinwand, gibt nicht nur erlegtes Wild malerisch wieder, sondern erinnert zugleich dank benachbarter Dokumentation daran, dass der zur Strecke gebrachte Hase, das Rebhuhn und die Wildgans im Dezember 1989 sozusagen ein zweites Mal von Kugeln getroffen wurden. Die sieben Einschüsse, die das Gemälde damals davontrug, wurden im Prozess der Restauration derart gelungen wegretuschiert, sodass man dessen vormalige Beschädigung heute kaum mehr für möglich hält. Insgesamt sechzehn Restauratoren waren an der Wiederherstellung der oben erwähnten siebenundvierzig Gemälde beteiligt.

Andere Gemälde, die in der kleinen, aber geschichtsträchtigen Bukarester Ausstellung zu sehen sind, stammen von Ștefan Luchian, namentlich „Lorica mit Chrysanthemen“ (1913) und „Landschaft“ (1908-1910), deren Loch im Himmel von den Restauratoren des Nationalmuseums kunstvoll wieder zum Verschwinden gebracht wurde. Auch ein weiteres Gemälde [tefan Luchians, sein berühmtes Ölbild „Die Blumenverkäuferin Safta“, wurde, wie die Dokumentation zeigt, im Dezember 1989 von zwei Kugeln getroffen. Ein musealer ’Polizeibericht’ hätte damals einen Einschuss im Bereich des rechten Schlüsselbeins und einen Schuss durch die Jacke des Blumenmädchens hindurch mitten ins Herz konstatieren können.

Auch die fünf in der Ausstellung gezeigten Ölgemälde von Ioan Andreescu waren vormals beschädigt und sind nun wieder von Neuem zu bewundern. Die Bruchstelle im Bild „Feld mit Blumen und Felsen“ (1881) knapp über der Horizontlinie ist verschwunden, die beschädigte Leinwand im rechten Eck von „Weiße, rosarote und rote Rosen“ (1880) ist perfekt ausgebessert, und auch das undatierte Bild „Hühner“ sowie das Gemälde „Pappeln am Dorfrand“ (1874-1875) lassen die früheren Beschädigungen nicht mehr erahnen, genauso wie im Gemälde „Am Waldrand“ (1879-1880) die großen Löcher am rechten unteren Bildrand vollkommen verschwunden sind.

Im Historiengemälde aus dem Jahre 1882 von George Demetrescu Mirea mit dem Titel „Szekler Bauern bringen Michael dem Tapferen das Haupt von Andreas Báthory“ waren eben-falls Restaurierungen nötig. Das Haupt des siebenbürgischen Kardinals wurde zwar verschont, aber der linke Fuß des walachischen Woiwoden und das linke Knie des jenem huldigenden Szekler Bauern wurden beide von Kugeln durchschlagen, die während der Revolutionswirren des Jahres 1989 durch die Luft flogen und deren innere und äußere Spuren auch heute noch spürbar und sichtbar sind.