Im Dialog mit der eigenen Seele

Coaching - Denkanstöße für den Weg aus der Sackgasse

„Energie fließt, wohin die Aufmerksamkeit geht“ - für Coach Michael Schroeder ein nahezu magischer Satz.

Kommunikationstraining bei der Konrad Adenauer Stiftung Fotos: privat

„Im Grunde spielen wir nur Spiele“, lächelt Michael Schroeder freundlich und ein klein wenig provokant. Denn welcher Manager will schon erkennen, dass sein Walten und Wirken, Schalten und Schuften, die vielen Überstunden und all die persönlichen Opfer, nur Schachzüge auf einem imaginären Spielfeld sind?

Und die scheinbar von außen aufgedrückten  Spielregeln, die seinen harten Alltag bestimmen, tatsächlich bloß eigene Glaubenssätze – verselbstständigte Denkfallen, die eine unausweichliche  Realität simulieren. Zu ihm kommen Menschen, die sich vom Leben in die Enge getrieben fühlen: Scheidung, Firmenpleite, Kündigung. 

Aber auch solche, die sich auf dem Weg zu einem Ziel an Stolpersteinen verhaspeln oder glauben, ihr Glück hinge an einem einzigen seidenen Faden. Etwa: „Ich muss Geschäftsführer werden, und wenn ich das nicht schaffe, dann gehe ich!“ Manche sind auf der Sinnsuche nach ihrer wahren Bestimmung.

Andere brauchen nur einen neutralen Mitdenker in einer schwierigen Entscheidungsphase: Vorstandsgespräch, Auslandseinsatz, Schritt in die Selbstständigkeit. Einige wiederum schickt der Chef. Denn Schuldkomplexe, Kindheits- oder Scheidungstrauma  spiegeln sich in der Kommunikation und wirken damit ins Berufsleben hinein. „Wenn etwas unter der Oberfläche schwelt und nicht verarbeitet wurde, werden die Menschen aggressiv, trocken oder muffig“, erklärt Michael Schroeder.

In Rumänien,  wo das Konzept des Coaching noch in den Kinderschuhen steckt,  fragt man sich schon mal, was ist denn überhaupt ein Coach? Karriereberater, Psychiater,  Management- oder Personalitytrainer? Oder eher neutraler Freund, Vater-Ersatz, Mentor? „Ich halte dem Klienten nur den Spiegel vor“, erklärt Schroeder auf die Frage, was seine Tätigkeit bedeutet. Der Kunde muss erkennen, was er eigentlich will. Es gibt keinen richtigen Weg, keine Musterlösung, die zum Ziel führt. Ja, nicht einmal ein festgelegtes Ziel.

Zunächst hört er deshalb einfach nur zu. „Nach einer halben Stunde liegen meist die Geschichten aus der Kindheit auf dem Tisch“, versichert der Coach. Die Klienten sind offen, weil sie etwas wollen, einen Service von ihm erwarten. „Service aber bedeutet dienen“ erklärt Michael Schroeder. „Das ist eine sehr noble Tätigkeit“, fügt er mit Nachdruck hinzu. Sein Motto auf der Rückseite der Visitenkarte: „Leiste einen Beitrag durch Vorträge, Coaching und Schreiben, für eine bewusstere und inspirierende Geschäftswelt.“

Das Leben als Lehrmeister

Den Beruf des Coach kann man nirgendwo erlernen, auch wenn es Techniken und Erfahrungswerte gibt, deren Kenntnis bei der Beratung weiterhilft. Rhetorik, Psychologie, Einblicke ins Management, interkulturelle Kommunikation – 20 Jahre lang tobte Michael Schroeder auf einer Bühne mit all diesen Masken und Facetten. 16 Jahre Mediengeschäft in Deutschland und Frankreich, dann ging er 2003 für den Burda-Verlag nach Rumänien.

Die Auslandserfahrung hilft ihm heute, Kommunikationsunterschiede zu analysieren und rumänische Firmen vor Geschäftsabschlüssen zu beraten, denn „mit dem hiesigen Ansatz kann man bei einem Board in Deutschland ganz viele Fehler machen“. Auch Rhetoriktraining für Manager gehört zu seinem Repertoire: Wie wirke ich? Wie kann ich überzeugender sein? Wie fokussiere ich meine Gedanken? Das Training vor der Kamera zeigt dem Kandidaten Fehler in Mimik und Gestik auf oder vermittelt überzeugend, dass man ihm die Nervosität nicht unbedingt ansieht.

„Beim bilateralen Coaching hingegen ist zuviel Wissen manchmal gar nicht gut“, meint Michael Schroeder.  „Da geht es eher um Weisheit“, setzt er dann mit weicher Stimme hinzu. Die aber lehrt nur das Leben, mit all ihren Höhen und Tiefen. So kam nach beruflichen Höhenflügen 2009 auch für ihn ganz unerwartet der totale Absturz. Wirtschaftskrise, Einsparungen, Entlassung.

Scheidung. Die Frage, wie es weitergehen soll. Nach Deutschland zurück? „Nein, nach 10 Jahren kennt dich doch dort keiner mehr!“ In Rumänien bleiben? Ja - aber wie? In vielen einsamen Nächten wälzte er seine Gedanken hin und her, schrieb sie auf, analysierte, und begann gleichzeitig, nach dem höheren Sinn zu suchen. Er reiste nach Indien, betrieb intensiv Yoga, arbeitete energetisch mit Schamanen an seiner eigenen Transformation.

Über den Rand der Teetasse betrachte ich nachdenklich mein Gegenüber. Im Hintergrund plätschert sanft ein Miniaturwasserfall. „Was verändert sich, wenn man auf einmal merkt, dass es noch mehr gibt als die materielle Realität?“ höre ich meine eigene Stimme wie ein Echo aus der Vergangenheit.

Das Thema ist mir nicht fremd. Auch die Antwort kommt nicht überraschend: „Da steckt der Schlüssel zur Weisheit.“ Nach kurzer Schweigepause präzisiert er: „Kein Schubladendenken mehr!“ Anstatt zu Urteilen und Klischees zu bedienen - „ah, Top-Manager, der muss total überarbeitet sein“ oder „Frau, geschieden, private Probleme“ – lässt er die Situation erst mal auf sich wirken. Hört zu. Öffnet den Kanal für die Stimme der anderen Seele, die deren Besitzer vor dem Rauschen seines krisenbedingten Gedankenmülls gar nicht mehr hört. Was kommt rein? Das teilt er dann mit seinem Gegenüber. Für den Klienten ist es wie die Kommunikation mit seiner eigenen Seele.

Gefühl versus Verstand

„Ich bin nur der Spiegel“, betont er immer wieder und erzählt von dem Franzosen, der ihn einst in einer schwierigen Lebensfrage konsultierte. Sollte er in Bukarest bleiben, zurück nach Frankreich oder gar nach Afrika, wo eine neue Aufgabe wartete? Nachdem er ratlos die drei Handlungsoptionen aufgezählt hatte, sagte ihm Michael Schroeder: „Bei Version zwei, da hab ich Ihre Augen leuchten sehen. Das ist es doch, was Sie tief im Herzen wollen, oder nicht?“

„Wir müssen mehr auf unser Gefühl horchen, nicht nur auf den Verstand“, erklärt der Coach seinen Ansatz. Ängste hinterfragen. Lernen, auch mal eine Ohrfeige zu kriegen. Ego-Fallen erkennen. Warum muss ich unbedingt Geschäftsführer werden? Muss ich überhaupt etwas müssen? Es gibt immer eine Wahl. Insofern ist niemand ein Opfer.

Nicht Opfer des Chefs, nicht der Ehefrau, nicht der Umstände. Um aus der Denkfalle der Opferrolle herauszufinden, bedarf es oft vieler Anstöße. Dazu gehört, den inneren Gedankenmüll zu erkennen und Ordnung reinzubringen, denn 70 Prozent davon sind negativ und redundant. Dann gilt es, die Vampire und die Schmerzkörper im Leben zu identifizieren. Wer zieht uns runter und warum? Wo liegen Wunden, Ängste, angestauter Frust? Ängste, nicht gelebt zu haben, sind häufig. Konditionierungen müssen erkannt werden: „Ich bin SPD-Anhänger“, „man muss was für die Unternehmer tun.“

Tausendmal gehört, gesagt, verinnerlicht, unhinterfragt verselbstständigt. „Journalisten schreiben zu 95 Prozent auf der Basis von Konditionierung“, kritisiert Schroeder. Programme, nichts anderes als - Spiele. Ein wunder Punkt bei vielen ist mangelnde Selbstliebe. „Ich bin zu dick“, „ich muss lieb sein, um geliebt zu werden“, „mein Vater sagte schon immer, ich sei ein Versager“. Leidensmechanismen, die transzendiert werden müssen, um aus der Opferrolle herauszufinden. Hierzu gibt der Coach schon mal Hausaufgaben auf: Suggestionsformeln, Ängste-Listen...

„Wissen Sie, was Menschen, die im Sterben liegen, rückblickend am meisten bereuen?“ verweist er plötzlich auf ein Buch, das er Klienten gegenüber gerne zitiert. „Ich bedaure, zu wenig mein eigenes Leben und zu sehr das Leben anderer gelebt zu haben.“ Wenn erst einmal durchgesickert ist, dass jeder für sein eigenes Leben verantwortlich ist – nicht der Chef und nicht die Frau, dann beginnt ein Entwicklungsschub. Der Horizont erweitert sich und auf einmal passieren unerwartete Dinge. „Das ist die Mystik, die ich in meinem Job so schätze“, begeistert sich Michael Schroeder. „Das hat alles mit dem Gesetz der Anziehung zu tun. Energie fließt, wohin die Aufmerksamkeit geht“.

Kulturbedingte Denkmuster

Dass Aufmerksamkeit eher Gefühlen als logischen Gedanken folgt, begreifen Rumänen interessanterweise oft schneller als Deutsche. „Die rumänische Gesellschaft ist gefühlsbetonter“, erkennt Schroeder nach fast zehn Jahren Aufenthalt in seinem Gastland. Hier nimmt man sich in den Arm, spricht über Gefühle, verarbeitet Probleme aktiver als der Deutsche, der „Gefühlsduselei“ geringschätzt und sich mit Lippenbekenntnissen zum Positivdenken oft selbst betrügt. „Scheidung, Pleite, alles kein Problem! Alles längst verarbeitet, nur keine Tränen, das Leben geht weiter“, spottet der Coach. „Und wusch, wieder kommt ein Denkzettel daher, weil da einer seine Hausaufgaben nicht gemacht hat...“

Das Herausfinden aus der verstandesbetonten, „maskulinen“ Rolle sei auch eine Frage der Spiritualität. „In Deutschland dreht sich alles um Geld, Konsum und Absicherung – das verdeutlichen schon die Werbeslogans: ‚jetzt an die Rente denken‘, ‚sofort zuschlagen und sparen‘, ‚jetzt zwei zum Preis von einem‘“ echot Schroeder. Nachdenklich fügt er hinzu: „Auf einmal erkannte ich, dass ich aus dem deutschen System raus wollte.“

Die rumänische Gesellschaft bekennt sich offener zu ihren „femininen“ Werten: klagen, jammern, weinen, Gefühle offener zeigen, sich gegenseitig in den Arm nehmen, Herzenswärme verströmen, alles in allem ein weicherer Umgang mit-

einander. All dies hat therapeutischen Effekt. Rumänen leben aber auch stärker im Hier und Jetzt. So manches ungelöste Problem wird einfach nach oben abgegeben. Kommt Zeit, kommt Rat. Der Herrgott wirds schon richten. „Wenn wir unsere deutsche Gedankenwelt auf die Rumänen übertragen würden, gäbe es reihenweise Herzinfarkte, Stresskrankheiten, Burnouts, denn das Leben ist hier viel stressiger“, meint Schroeder und bekennt einen generellen Vorteil der Auslandserfahrung - man hat den Vergleich, sieht die Unterschiede. Erkenntnis als Vorstufe zur Wahl.

„Wenn man seine eigene Energie ändert, dann ändert sich auch die des Umfelds“, insistiert er immer wieder. Michael Schroeder weiß aus Erfahrung, wovon er spricht. Nachdem er seine persönliche Krise langsam transzendiert hatte, begegnete ihm mit Unternehmer Werner Stein eine unerwartete, neue Chance. Über Headhunting und Kommunikationstraining für dessen Firma Stein&Partner entwickelte er sich anschließend in Richtung bilaterale Beratung und Coaching.

Heute arbeitet er als selbstständiger Partner in den Räumen der Unternehmensberatung. „Herr Stein hat mir den letzten Schubs gegeben, mich selbstständig zu machen“, erinnert er sich dankbar. Ein Schritt, der ihm in seiner jetzigen Tätigkeit die nötige Glaubwürdigkeit verleiht. „Denn ich kann ja nicht von Selbstverantwortung sprechen, wenn ich angestellt bin und einen regelmäßigen Gehaltsscheck bekomme“, lächelt der Coach. „Da muss ich schon auch springen und sagen, ich zeig’s euch wie’s geht!“.