Impulse, bessere Beleuchtung und viele schöne Begegnungen

Was erhoffen Sie sich vom Europäischen Kulturhauptstadtjahr?

„Die Zeit ist gekommen“: FISART-Werk am Wasserwerk in Urseni Foto: Sergio Morariu

„Das ist unser Jahr“, verkündigen große Banner in der Innenstadt. Am Morgen wirkt alles noch menschenleer – aber bald soll Temeswar von zahlreichen kulturinteressierten Gästen aus aller Welt belebt werden. Die Erwartungen der Menschen an das Kulturhauptstadtjahr sind jedenfalls groß. Foto: die Verfasserin

Mit dem Europäischen Kulturhauptstadtjahr verknüpfen viele Menschen in Temeswar/Timișoara unterschiedliche Hoffnungen und Erwartungen. Ein diverses Kulturangebot, die Sanierung der Altbauten, ein anhaltendes Interesse für Kultur, mehr Touristen, neue Impulse im kulturellen Bereich – das sind nur einige Wünsche der Vertreter deutscher Institutionen aus Temeswar und anderer Personen aus dem Kulturbetrieb. Ihre Antworten auf die Frage „Was erhoffen Sie sich vom Europäischen Kulturhauptstadtjahr in Temeswar?“ lesen Sie im Folgenden. 

Ana Maria Dascălu-Romițan, Vorsitzende der Deutsch-Rumänischen Kulturgesellschaft: Ich würde mich freuen, wenn zahlreiche Besucher aus dem In- und Ausland die Stadt entdecken und Temeswar aus kultureller, wirtschaftlicher, sozialer, politischer und medialer Perspektive mehr Aufmerksamkeit bekommt und auch jenseits der Grenzen Rumäniens bekannt wird.  Zugleich hoffe ich, dass Temeswar durch alle geplanten Veranstaltungen nicht nur das heimische Kulturgut verbreitet, sondern auch ein Beispiel der internationalen Verständigung geben wird und dadurch zum Bewusstsein des kulturellen Erbes Europas beitragen kann.

Mona Petzek, Leiterin des Deutschen Kulturzentrums Temeswar: Mit dem Temeswarer Kulturhauptstadtjahr assoziiere ich spontan den Begriff „Erwartungsmanagement“. Als die Stadt 2016 dazu erkoren wurde, hatte man Erwartungen, die mittlerweile durch neue und vielfältige Dimensionen ergänzt werden mussten. Die angekündigte Flut von Veranstaltungen diverser Art und Größe klingt erfreulich und zeugt von der unumstrittenen Dynamik dieser Vielvölker- und -kulturen-Stadt (wofür man auch den Titel gewonnen hat), aber womöglich auch ein bisschen beängstigend. Ich hoffe, man kommt dazu, alle guten Veranstaltungen zu besuchen, und dass der Appetit des Publikums durch diese Fülle nicht zu früh gesättigt wird.
Auch hoffe ich, dass es genügend Veranstaltungen geben wird, mittels denen Kindern und Jugendlichen die wichtige Rolle von Kunst und Kultur vermittelt wird. Denn  Früherziehung in diesen Bereichen – die dieser Altersgruppe die zeitgenössische Kunst in Anlehnung an die klassische erklärt und näher bringt – ist unentbehrlich für eine gesunde Gesellschaft. Ferner erhoffe ich mir wirtschaftliche Vorteile für die Stadt und das Banat durch regeren Tourismus. Und, warum nicht, vielleicht entstehen neue Synergien, die den althergebrachten Temeswarer Geist wertvoll ergänzen.

Josef Csaba Pál, römisch-katholischer Bischof von Temeswar: Lange bevor dieses Jahr begonnen hat wurde uns die Frage gestellt, ob wir bereit seien, unsere Kirchen zu öffnen, damit Gäste  das reiche Kulturerbe, das hier erhalten ist, kennenlernen dürfen. Ohne weiteres waren wir sofort dazu bereit. Denn besonders schöne Kirchengebäude stehen zwar als eindrucksvolle Zeugen des Glaubens unserer Vorfahren da – aber wer bezeugt den Glauben heutzutage, wer spricht darüber, wie christliche Werte unser Leben prägen? Deshalb lassen wir in der ersten Woche im Mai die Stimme von Jugendlichen verschiedener Sprachen und Konfessionen erklingen, die eine Woche lang in der Stadt das Licht ihres Glaubens in besonderer Weise aufleuchten lassen wollen, zusammen mit unseren Gästen. Solche und ähnliche Initiativen sind, so hoffen wir, eine Gelegenheit, den hier wohlbekannten Geist des brüderlichen Zusammenlebens neu zu beleben und auch zu bereichern.

Radu Băncilă, Gründer der Abteilung für Bauingenieurwesen in deutscher Sprache an der TU „Politehnica“: Ich bin stolz darauf, dass meine Geburtsstadt zur Kulturhauptstadt Europas gewählt wurde und gleichzeitig ein wenig enttäuscht über die Art und Weise, wie die Vorbereitungen durchgeführt wurden. Temeswar ist eine besondere Stadt, dank der  Balance verschiedener Kulturen, die hier schon immer existiert hat. Dies wird vielleicht am besten durch die vielen Kirchen in der Stadt veranschaulicht. Eine Achse, die von der orthodoxen Kathedrale, der innerstädtischen Synagoge, der Domkirche bis zur Millenniumskirche in der Fabrikstadt führt. Ich möchte, dass diese Bauten saniert werden und mit der richtigen Beleuchtung zur Geltung kommen. Ich möchte, dass Konzerte, Film- und Theateraufführungen in rumänischer, deutscher und ungarischer Sprache stattfinden, und dass die Menschen dieses einzigartige kulturelle Ereignis zivilisiert feiern, gastfreundlich gegenüber den Gästen sind, die – da bin ich mir sicher – von überall kommen werden. Und ich möchte, dass die Leute am Ende sagen: „Temeswar ist anders“. Temeswar war und ist eine europäische Stadt, vielleicht weniger bekannt. Ich denke, das Kulturhauptstadtjahr wird unserer Stadt den Platz sichern, den sie in Europa verdient.

Lucian Vărșăndan, Intendant des Deutschen Staatstheaters Temeswar: Ich wünsche mir, dass das Kulturhauptstadtjahr das Bewusstsein der Menschen für die Rolle der Kultur in der Gemeinschaft stärkt und dass das Kulturinteresse nach dem Ausklang dieses Jahres nicht nachlässt. Ganz im Gegenteil: Es wäre ganz wichtig, dass man dieses Jahr als Ausgangspunkt für eine Langzeitperspektive über die Entwicklung von Stadt und Region betrachtet und Visionen entwickelt für die kulturelle Entwicklung der nächsten 20 bis 40 Jahre. Speziell für das Deutsche Staatstheater Temeswar erhoffe ich mir die schrittweise Inbetriebnahme unserer neuen Spielstätte in der Fa-brikstadt, einen noch stärkeren Publikumszuspruch und viele schöne Begegnungen.

Florian Kerzel, ifa-Regionalkoordinator für Rumänien, Serbien, Ungarn und Ukraine: Vom Kulturhauptstadtjahr in Temeswar erhoffe ich mir, dass es der hiesigen Kulturlandschaft einen neuen Schwung verleiht, von dem die Stadt und ihre Bewohner, aber auch Gäste von außerhalb profitieren können. Das gilt für 2023, aber auch darüber hinaus: Ich bin optimistisch, dass das vor uns liegende Jahr aufregend und ereignisreich wird – hoffe aber vor allem, dass der Effekt der Kulturhauptstadt nicht nach den großen Events verpufft, sondern die kulturelle Infrastruktur Temeswars langfristig gestärkt wird. 

Das gilt nicht nur für die großen und schon bewährten kulturellen Institutionen in der Stadt, sondern vor allem auch für kleinere Veranstaltungsorte. Ich hoffe, dass mehr davon entstehen und so auch für unterschiedliche Geschmäcker ein in der Zukunft noch vielfältigeres kulturelles Angebot existiert. 2023 sehe ich als große Chance für eine solche Entwicklung und freue mich, dabei zu sein.

Peter Hochmuth, Vorsitzender des Deutschsprachigen Wirtschaftsclubs „Banat“: 
- allgemein einen Anschub der kulturellen Aktivitäten in der Stadt, quantitativ und qualitativ, hin zu einer nachhaltigen Entwicklung; mehr private Initiativen: Konzerte u. Theater, Kino, usw.
- endlich eine moderne Präsentation und Vorankündigung aller kulturellen Angebote auf „Tagesebene“ der Stadt auch über 2023 hinaus – ein Veranstaltungskalender „Was wird geboten in Temeswar?“
- ein Jahr mit interessanten, außergewöhnlichen kulturellen Angeboten, an Veranstaltungen, die wir sonst nicht angeboten bekommen.
- viele Besucher, damit national und international unsere charmante Stadt bekannter wird.

Benjamin Neurohr, Geschäftsführer des BVIK „Banatia“: Ich erhoffe mir vom Kulturhauptstadtjahr neue Impulse für Temeswar, vor allem im kulturellen Bereich. Ich hoffe, dass so manche lokale Künstler, Kultureinrichtungen und Veranstaltungen den Sprung in den Mainstream schaffen. Und umgekehrt, dass unsere lokalen Kulturschaffenden neue Impulse durch den Austausch mit neuen Besuchern erhalten. Ich hoffe natürlich auch auf positive wirtschaftliche Folgen für Temeswar. Vor allem für die gebeutelte Tourismusbranche und das Gastgewerbe. Ich denke, wir alle freuen uns auf viele Besucher und auf ganz viel Miteinander.

Johann Fernbach, Vorsitzender des Demokratischen Forums der Deutschen im Banat (DFDB): Ich bin überzeugt, dass das Europäische Kulturhauptstadtjahr erfolgreich sein wird. Man sieht, dass sich Stadt und Kreis schon Mühe geben, schöne Projekte umzusetzen, und ich bin überzeugt, dass viele Touristen hierher kommen werden. Das DFDB hat das Kulturhauptstadtjahr auf meinen Vorschlag hin zum „Heimatjahr“ erklärt, was als Höhepunkt die „Heimattage der Banater Deutschen“ Anfang Juni haben wird. Wir erwarten Gäste aus der ganzen Welt, aber natürlich auch aus dem Banat und Rumänien. 

Zum ersten Mal werden Temeswarer und Touristen eine Ulmer Schachtel in der Stadt bewundern können – wir werden sie aus Deutschland bringen und auf dem Domplatz ausstellen. Ein Festakt in der Oper und ein Festgottesdienst sind ebenfalls geplant. Ich erwarte, dass unsere Großveranstaltung ein Erfolg wird.

Sergio Morario, Initiator des Streetart-Festivals FISART: Eine von der derzeitigen Verwaltung der Europäischen Kulturhauptstadt 2023 ignorierte Kulturinitiative ist das Projekt „Straßenkunst und Stadterneuerung“, das in den letzten zehn Jahren mit mehr als 500 großformatigen Straßenkunstwerken, an denen mehr als 300 Künstler aus Amerika und Europa beteiligt waren, zur Verbesserung der Attraktivität des öffentlichen Raums beigetragen hat. 

Die Nutzung bestehender Street-Art-Kunstwerke könnte leicht als touristische Attraktion aufbereitet werden. In dieser Hinsicht gibt es in der Stadt bereits einige groß angelegte Konzentrationen visueller Kunst, wie die Undertown Street Art Gallery in Iulius Town, das Aquatim-Wasserwerk in Urseni, oder das Pasmatex-Unternehmen.