In 120 Jahren um die Welt der Gleise und Loks

Reisen auf den Spuren alter Bahnhofsbilder

Eine alte Postkarte, die Sammler Günther Klebes mehr als nur fünf Euro wert war. Dem Bild nach zu schließen, war der Bahnhof Schäßburg wenige Jahre vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges baulich nicht auf der Höhe. Stand heute ist er es wieder nicht, ausgenommen das renovierte Bahnhofsgebäude. Die Bahnsteige stehen in krassem Gegensatz zu einer andernorts blitzsauber ausgeführten Sanierung öffentlicher Verkehrsstationen Foto: Günther Klebes

Postkartensammler und Bahnfan Günther Klebes aus Erlangen an seinem liebsten Reisestehplatz Foto: privat

Kein optischer Machbarkeitsaufriss, sondern authentische Bildaufnahme vor Ort: Brandneue Bahnsteige und -Gleise am Schienenverkehrsknotenpunkt Kleinkopisch/Copșa Mică stehen wie eine Fata Morgana am Horizont eines umweltzerstörerischen, gesundheitsschädlichen und derzeit stillgelegten Buntmetallindustriestandortes vormals trauriger Berühmtheit. Die Renovierung weiter Teilstücke der elektrisch betriebenen Bahnstammstrecke Simeria-Schäßburg wurde durch EU-Fördermittel unterstützt, um Zugfahrgeschwindigkeiten von bis zu 160 Stundenkilometern zu ermöglichen. Leider werden aktuell in Rumänien keine Hochgeschwindigkeitslokomotiven gebaut. Und die Bahnsteige des Bahnhofes Schäßburg halten einem Vergleich mit denjenigen aus Kleinkopisch nach wie vor nicht Stand. Foto: Klaus Philippi

Im Zeitalter sozialer Medien und der Kommunikationskanäle E-Mail und MMS-Nachricht scheint die gute alte Postkarte nur noch etwas für Traditionalisten zu sein. Oder für Sammler wie den 70-jährigen Günther Klebes aus Erlangen, dessen Herz höher schlägt, sooft Postkarten bahnhistorische Motive aus deutschsprachigen Räumen Europas zeigen.  Seine jüngste Errungenschaft ist eine Ansichtskarte aus Schäßburg/Sighișoara. Sie zeigt den lokalen Bahnhof um das Jahr 1900 mit Blick auf die evangelische Bergkirche.

Unverhofftes Schnäppchen

„Als ich auf einer luxemburgischen Internet-Auktion die Karte entdeckte, war mir sofort klar: ,So eine schöne Bahnhofsidylle, die musst du haben!’“, sagt der Rentner und gebürtige Franke, der zahlreiche Heimattreffen der Siebenbürger Sachsen in Dinkelsbühl besucht hat. 1967 und 1968 war er für jeweils drei Wochen durch Rumänien gereist, seine bislang einzigen Erkundungsfahrten durch das Land des Karpatenbogens.

Postkarten mit deutschen, österreichischen und schweizerischen Bahnhöfen und Zügen auf der Bildseite machen einen beträchtlichen Teil seiner rund 600 Exponate umfassenden Sammlung aus. Die gezeigte Karte wurde unter der Angabe „Train-Station Germany“ zum Verkauf gestellt. Klebes ersteigerte sie und war zunächst enttäuscht, stand doch kein Ortsname auf der Kartenrückseite. Nun stellte er die Ansicht in ein Eisenbahn-Freunde-Forum und erhielt innerhalb kürzester Zeit den richtigen Hinweis. Überrascht stellte er fest, das vor 50 Jahren besuchte Schäßburg nicht auf der Postkarte erkannt zu haben. An die Bergkirche konnte er sich nicht mehr erinnern, und zu seinem Bedauern war er damals  auch nicht am Bahnhof gewesen. Pech für ihn, hätte er doch da noch die Schmalspurbahn bewundern können. Mittlerweile aber hat er ein Buch über die Harbachtalbahn, die „Mocănița Hârtibaciului”, in seinem Bücherschrank stehen. „Erstaunlich fand ich auch, dass der Anbieter eine Adresse in Australien hatte“, erklärt Klebes. Weil er der einzige Bieter war, konnte er die Wunschkarte auch noch zum Schnäppchenpreis von gerade einmal zwei Euro erwerben. „Das ist eigentlich viel zu billig“, kommentiert der Käufer. Eigentlich wäre er bereit gewesen, bis zu fünf Euro hinzublättern, schließlich war und ist die angebotene Karte ein seltenes Sammlerstück. Trotzdem läpperten sich die fünf Euro zusammen, wurde doch das Porto für ein Auslandseinschreiben berechnet. Es gebe aber auch Philokartisten, die zweistellige Beträge für begehrte Exponate lockermachen.

Faszination industrielle Weltgeschichte

Wie das gute Stück von Siebenbürgen nach Australien gelangte, darüber kann der Sammler nur spekulieren. „Ob sich die Familiengeschichte einer Auswanderung dahinter verbirgt oder einfach ein Bündel alter Postkarten nach einer Haushaltsauflösung an einen Händler veräußert wurde, der die Karten über das Internet weiter vermarktet, weiß ich nicht“, sagt Günther Klebes. Auch Karten aus Israel, Kanada oder Südafrika hat er sich unter den Nagel gerissen. Seine Sammelwut in Sachen Bahn-Postkarten ist übrigens kein Einzelfall: „Es gibt sogar eigene Ausstellungen für Eisenbahn-Philatelisten“, sagt Klebes, der erneut das Internet nach Exponaten wie beispielsweise Ansichtskarten aus dem Fichtelgebirge durchforscht.

Hochzeitsreise im Bahnland Schweiz

Nach eigenem Bekunden sammelt er begeistert „alles, was mit der Bahn zu tun hat – außer echte Lokomotiven“. Nebst zahlreichen selbst geschossenen Fotos und Alben voll einschlägiger Telefonkarten und Briefmarken bestimmen bei ihm zuhause in Erlangen auch Modellzüge und historische Uniformmützen, sogenannte „Rotkäppchen”, das Ambiente. Zudem arbeitete der Schulbusfahrer und dreifache Vater ehrenamtlich bei der Bahnhofsmission, als Hobby nennt er „Bahn fahren“, und selbst die 35 Jahre zurückliegende Hochzeitsreise hat er als Passagier des Glacier-Express auf der Strecke St. Moritz-Zermatt bestritten. Einschließlich in Rumänien war er schon mit der Bahnunterwegs, frei nach dem Motto „Der Weg ist das Ziel!“ Da wurde er gar kurzzeitig verhaftet, weil er 1967 im Bukarester Nordbahnhof Lokomotiven der CFR fotografieren wollte.