In den Bergen Korsikas

Ein Pferd weidet in den korsischen Bergen.

Selten verirren sich Touristen abseits der bekannten Wanderwege. Doch wer sich traut, kann mit einem traumhaften Blick rechnen.

Hitze, kein Gewässer, kein Schatten: Der Weg zum Monte Rotondo ist nicht der urlauberfreundlichste.

Trügerische Frühlingsidylle in den Bergen Korsikas.
Fotos: Bernhard Spring

Im Frühjahr treiben die Korsen ihr Vieh in die Berge. Dort weidet es den gesamten Sommer über und nur selten sehen die Bauern nach den Tieren – warum auch? Die gefährlichsten Raubtiere auf der Insel sind Fuchs und Wildkatze. Und die Bauern kennen und achten einander. Viehdiebstahl ist hier ein Fremdwort. Und so weiden auf den höher gelegenen Almen Pferde und Schweine, Kühe, Schafe und Ziegen völlig sich selbst überlassen.

Nur um jene Tiere, die gemolken werden müssen, kümmern sich die Bauern. Einer von ihnen ist Louis. Er lebt im Winter in Soccia, einem kleinen Bergdorf im Westen der Insel. Im März zieht er mit seinen Ziegen an den Rand des Naturschutzgebietes, wo er eine kleine Hütte sein Eigen nennt. Von dort aus treibt er seine Tiere an jedem Morgen auf eine nahe Alm, um sie abends wieder zurück zu seiner Hütte zu führen. Louis ist weit über siebzig, doch die Arbeit macht ihm nichts aus, im Gegenteil. Er glaubt, sie hielte ihn jung. Auch wüsste er gar nicht, was er ohne seine Ziegen machen sollte. Immerhin betreibt er die Viehzucht sein ganzes Leben schon.

Abends hockt er sich hinter seine Tiere, melkt sie, fährt mit der Hand durch den Milcheimer und klatscht den Ziegen auf den Rücken. So weiß er, welche schon gemolken ist. Louis ist nicht allein in den Bergen. Seine Frau Marie begleitet ihn. Sie stellt aus der Ziegenmilch Butter her, seltener Käse. Beides lagert sie in einer kühlen Erdgrube ein, bis es sich lohnt, damit hinab in das Dorf zu steigen, um es zu verkaufen. Marie ist wesentlich jünger als Louis, doch das spielte nie eine Rolle. In Soccia gab es keinen anderen Mann für sie, erklärt sie lächelnd. Denn das Standesbewusstsein ist unter den ländlichen Korsen sehr stark ausgeprägt.

In diesem Jahr werden Louis und Marie von Pierre Ledoux, einem befreundeten Weinhändler aus Paris, unterstützt. Pierre hilft Louis beim Melken. Er ist ein großer, schlaksiger Mann, nur bekleidet mit einer abgewetzten, löchrigen Jeans. Wenn er sich hinter die Ziegen hockt und das Loch im Schritt gespannt wird, fällt auf, dass er auch keine Unterwäsche trägt …

Reisende verirren sich nur selten in dieses Tal, abseits der üblichen Wanderwege. Zelten ist hier strengstens verboten, mit Hubschraubern wird gelegentlich kontrolliert, dass das Naturschutzgebiet unberührt bleibt.
Sollte sich dennoch gelegentlich ein Wanderer zu Louis und Marie durchschlagen, wird er zunächst kritisch beäugt. Woher er käme, wohin er wolle. Und wie es ihm hier gefalle. Das sind die wichtigsten Fragen. Anschließend Schweigen. Pierre melkt. Louis kaut einen Halm. Dann lädt er den Wanderer unvermittelt zum Abendessen ein. Eine große Geste, denn Essen ist in dem kargen Bergland immer knapp. Außerdem hindert das Speisen den Wanderer am Weitereisen und der nächste Zeltplatz ist weit, zu weit.

Louis‘ Hütte aber ist zu klein für vier Personen. Pierre muss ja schon unter dem kurzen Vordach schlafen. Eine – illegale – Übernachtung im Freien ist somit unumgänglich für den Wanderer.

Inzwischen haben Louis und Pierre die Ziegen in das Gehege getrieben und sich an einem hölzernen Wasserbecken gewaschen. Nun nehmen sie neben dem Wanderer Platz, schweigen, schwärmen schließlich von der Natur. Woher der Wanderer kommt, interessiert sie nicht weiter. Denn er ist ja hierhergekommen, somit ist es hier wohl besser als dort. Sagt Louis lächelnd. Korsika, ja, das sei noch immer die schöne Insel, wie sie die Griechen genannt haben, meint er. Zumindest hier im Inselinneren.

Marie serviert Salat mit Käse, dazu Brot und Milch. Und Butter, selbst gemachte Butter. Es ist beinah schon eine Sünde, davon zu nehmen, so wertvoll ist dieser Aufstrich hier oben. Stundenlange, schwere Arbeit steckt in jedem kleinen Kleks Butter. Marie ist sichtlich stolz darauf, dass sie eine ganze Schale davon servieren kann. Immer wieder ermuntert sie den Gast, doch noch etwas Butter zu nehmen.

Nach dem Essen wird der Wein gereicht. Jeder bekommt ein Glas, nicht mehr. Louis hat es mit dem Magen und am nächsten Morgen muss er ja wieder früh raus. Warum also heute über den Durst trinken?

Plötzlich verabschiedet er sich. Geht, beinah grußlos, und ist verschwunden. Marie räumt die Gläser ab, folgt ihm in die Hütte. Pierre aber führt den Wanderer hinaus, weg von der Lichtung und an den Waldrand, zwischen Findlingen und Kiefernstämmen. Dort heißt er ihn zu campieren. „Du musst einen Steinkranz um deinen Schlafsack bauen“, erklärt er, „denn hier gibt es wilde Hausschweine. Etwa zwanzig Zentimeter groß, da kommen sie nicht drüber. Aber Morgen musst du alles wieder einreißen und die Steine verteilen, sonst bemerken es die Kontrolleure und wir bekommen Ärger.“

Damit verabschiedet er sich, lässt den Wanderer im Dunkeln zurück, und im fahlen Mondlicht sucht er sich ein paar Steine zusammen, schichtet eine Mauer auf und legt sich dahinter. Der Wanderer lauscht. Tiere hört er, ja, aber auch Schweine? Langsam schläft er ein.

Die korsische Küche nicht für jedermann

Baptiste verkauft Käse und Wurst. Oben in den Bergen hält er sich ein paar Ziegen, Schafe und Esel. Dort lebt er ganz allein, versorgt das Vieh und verwertet Milch und Fleisch. Er salzt es kräftig, pökelt es beinah, um es frisch zu halten, und lagert Käse, Butter und Wurst in einer kleinen, künstlichen Höhle bei der Hütte.

In regelmäßigen Abständen zieht er hinab ins Dorf, tauscht seine Waren gegen andere Dinge, die ihm nützlich sind. Doch Baptiste ist alt und froh über jeden Wanderer, der ihm seine Produkte schon in den Bergen abkauft. So spart er sich den mühseligen Weg ins Tal.

Eselswurst also, dazu Figatelli, eine Wurst aus Schweineleber. Ziegenkäse. Baptiste schwärmt von seinen Lebensmitteln, preist sie beinah zahnlos an und findet schätzende Abnehmer. Er verrät ihnen die Zubereitung, so wie sie die Korsen pflegen. Die Figatelli ist warm zu verzehren, am besten zu einem einfachen Brei. Der Käse kann in Stücken oder zerlaufen gegessen werden, dazu bietet sich immer etwas Salat an.

„Wächst ja alles hier“, erklärt Baptiste verschmitzt, „ist aber Naturschutzgebiet. Also eigenes Risiko.“ Er lacht.

Abends, im Zeltlager, ist das Feuer schnell entfacht. Wer sich seit Tagen nur von Pumpernickel, Quellwasser und getrockneten Früchten ernährt hat, schätzt eine gehaltvolle Mahlzeit. Jaja, die anderen Reisenden errichten ihre Zeltburgen und tauschen Feuchtigkeitscreme und Haarspangen. Wenn sie essen, dann kommen Cornflakes mit Magermilchpulver zum Einsatz, dann werden Instantsuppen aufgebrüht und getrocknete Nudelgerichte angefeuchtet. Wie ordinär.

Aber hier wird jetzt korsisch gekocht. Hier geht es richtig zur Sache. Echter geht es gar nicht mehr. Stolz wird also zunächst die Figatelli angebraten, dann mit Bergwasser gelöscht. Kurze Bedenken wegen Lebensmittelvergiftungen – Wie intensiv kühlt ein Erdloch? Wie lange dauert es, bis ein Sanitäter hier eintreffen könnte? – dann wird weitergekocht. Ein paar gepflückte Kräuter landen in der Suppe, dazu ein Stück vom Ziegenkäse und noch einmal Wasser. Eselswurst. All die Kostbarkeiten vermischen sich zu einem braunen, klebrigen Brei, der sich nicht mehr von dem Löffel lösen will.

Ein erster Bissen. Für einen Moment steht die Welt still. Dann explodieren die Geschmacksnerven. Es ist einfach nur widerlich! Salzig, bitter und zugleich ungewürzt und roh. Dann wieder salzig. Ein kräftiger Schwall Gebirgswasser folgt.

Was nun? Mutig wird zum Pumpernickel gegriffen. Vielleicht streckt dort ja das Salz. Und der Hunger wird es schon reintreiben. Ein zweiter Bissen.
Es war der letzte. Entnervt fliegt der Brei ins Gebüsch. Hungrig geht es in den Schlafsack.

Oh, die beneidenswerten anderen Touristen! Wie satt sie jetzt von ihrem Kunstfutter sind …

Grimmig und mit knurrenden Magen beginnt der nächste Tag. Und die anderen frühstücken schon wieder! Da – ein Aufschrei! Bei einem der Zelte ist das Vordach zerrissen. Und die Cornflakestüte offen … „Ein Fuchs“, erklärt der korsische Hüttenwirt, der es wissen muss. Traurige Blicke, entsetzte gar. Ein Fuchs? Bei uns im Zelt? Oh mein Gott!

Dem Abseitsstehenden kommt da ein komischer Gedanke. Er geht zu dem Gebüsch, wo er am Abend zuvor seinen Brei entsorgte. Hier hätte es ja der Fuchs wesentlich einfacher gehabt, an Fressen zu kommen. Aber der Brei liegt noch unberührt zwischen den Sträuchern.

Ein Schmunzeln tritt in das Gesicht des Betrachters. So viel also zur korsischen Küche …


Mit einer kleinen Wandergruppe auf dem Weg zum Monte Rotondo


Der Monte Rotondo ist einer der höchsten Berge Korsikas. Schon im März liegen hier, auf einer Höhe von mehr als 2000 Metern, die Temperaturen bei über 30 Grad. In der Wiese brummt es zwischen den Frühblühern, das Gebüsch der dornigen Maccia dampft und knackt in der Hitze und vereinzelt hängen Tiere in den Bergen: Kühe, die sich schwerfällig und doch bestimmt emporarbeiten, davoneilende Schweine …

Es ist eine frühlinghafte Idylle – wäre der Berg nicht. Die Wanderer kämpfen sich voran, besteigen Hügel um Hügel auf dem Weg zum Monte Rotondo. Immer höher geht die Reise, immer seltener wird gerastet. Denn hier oben fließen keine Gewässer, schattige Plätze sind nirgendwo zu finden und somit heißt es, dieses Gebiet so zügig wie möglich hinter sich zu bringen.

Dennoch bleibt Zeit, die Aussicht zu genießen. Hinter den ins Bläuliche schimmernden Bergkuppen hebt sich das westliche Mittelmeer deutlich vom Horizont ab. Fünfzig, vielleicht achtzig Kilometer weit reicht der Blick. Ach Küste, komm uns doch ein Stück entgegen …

So zieht die kleine Wandergruppe mit immer leichterem Gepäck durch die Berge, über den Rucksäcken flattern Hemden im warmen Wind und in den Schuhen stecken die immer gleichen Socken, die täglich gewaschen werden und trotzdem riechen – macht nichts, hier oben überströmt der intensive Naturduft jeden Geruchssinn. Die Luft ist voll von Lavendel, Myrte und Schweinegeruch, doch was in den ersten Tagen intensiv wahrgenommen wurde, ist inzwischen nicht mehr zu riechen. Denn die Wanderer selbst verströmen nun den Duft der Insel, riechen nach Lavendel, Myrte, Schweinen …

Unterhalb des Gipfels befindet sich eine Berghütte korsischer Art. Nur der Hüttenwirt findet darin Unterschlupf. Die Wanderer aber müssen im Freien übernachten. Angesichts der sommerlichen Temperaturen ist dies allerdings kein Problem.

Der Wirt, ein alter Korse mit wettergegerbtem, beinah ins Schwarze übergehendem Gesicht, meint, dass demnächst ein Sturm aufziehen wird. Er rät den Wanderern, den Berg erst am Folgetag zu besteigen und das Unwetter hier, auf dem Zeltplatz, abzuwarten. Die Wanderer sehen sich um. Kaum eine Wolke am Himmel, kaum ein Lüftchen. Doch der Korse bleibt dabei: Ein starker Sturm, wenn nicht gar ein Orkan steht bevor.

Die Wanderer beherzigen den Rat des Korsen und machen sich daran, ihr Lager zu errichten. Schichten Steine zu niedrigen Wällen aufeinander, um die Schweine von den Zelten fernzuhalten. Sichern die Zeltplanen doppelt mit Heringen, die sie mit schweren Steinplatten abdecken. Lagern Steine sogar in das Zelt selbst. All dies geschieht unter der strengen Aufsicht des Korsen.
Im Laufe des Nachmittages erreichen immer mehr Reisende das Lager.

Franzosen aus Nizza, Italiener aus Florenz, eine Gruppe Pfadfinder aus Hamburg … Sie alle richten sich nach dem Korsen und lagern hier, harren der Dinge. Abends steigen winzige Rauchsäulen zwischen den Zeltburgen empor. Die Pfadfinder rühren einen Teig zusammen, den sie um Stöcke gewickelt ins Feuer halten. Sie haben sich in kleinere Einheiten unterteilt, nennen sich Essensdienst, Waschdienst und Lagerdienst. Sogar einen Wachdienst für die Nacht haben sie bestimmt. Das Abendessen verläuft auf diese Weise schnell und effektiv, jeder weiß um seine Aufgabe.

Bei den Franzosen und Italienern geht es ziviler zu. Es sind Familiengruppen, die sich auch hier oben in den Bergen familiär verhalten. Während die Feuer lodern und die ersten Töpfe darüber gehängt werden, erkunden noch einige Neugierige das Umfeld oder schwatzen mit dem Wirt. Erst zum Essen kommen sie alle zusammen, teilen ihr Mahl lautstark und laden auch die übrigen Wanderer ein. Ihr Geschwätz erfüllt die einbrechende Dunkelheit, Gelächter ertönt und schließlich auch eine Gitarre. Die ersten beiden Nachtwächter der Pfadfinder sehen zu den Italienern herüber, halb angetan, halb missvergnügt, denn die ausgelassen Plaudernden dementieren eine nächtliche Gefahr und damit die Nachtwache der Hamburger.

Schließlich findet auch der letzte Italiener seinen Schlafsack. Ruhe kehrt im Lager ein, nur das leichte Schlagen der Zeltplanen im aufziehenden Wind ist zu hören. Ein rhythmisches Knallen, das stärker wird. Fraglich, wer in dieser Nacht Schlaf finden kann. Der Wirt sprach immerhin von einem Orkan …
Schweine, Orkansturm,Nieselregen

Dann ist es soweit. Irgendwann nach Mitternacht ertönt ein lautes Schreien. Aufgebrachte Stimmen erfüllen den Platz, Geschepper, Krakele, dazwischen die Trillerpfeife der Pfadfinder. Es ist gar nicht möglich, all die Geräusche mit einem Mal aufzunehmen und zu verarbeiten, nur das: Trotz der Steinplatten bäumt sich das Zelt im Wind. Der Blick ins Lager wird von Blitzen erhellt.

Überall wankende Zelte, eines hat sich bei den Franzosen gelöst und im Gebüsch verfangen. Rettungsversuche für umherkullerndes Gepäck. Alles rennt wild durcheinander. Es regnet. Aber warum pfeifen die Pfadfinder Alarm?

Da plötzlich wird es klar: Schweine! Schweine durchziehen das Lager, rennen aufgescheucht von Wind und Mensch zwischen den Zelten entlang und finden nicht mehr in das Buschwerk zurück. Sie überrennen aufgeregt die Steinwälle, stürzen in die Zelte, machen kehrt und bahnen sich neue Wege.

Wer sich korsische Schweine niedlich und klein vorgestellt hat, wird nun eines Besseren belehrt. Die Viecher sind gute zwei Meter lang, massiv und aufgrund ihres grauen Fells im Dunkeln kaum auszumachen. Grunzen liegt in der Luft, Quieken und Geschrei. Die Frauen drängen sich um die Hütte des Wirtes, hämmern gegen die Tür, um hineingelassen zu werden, doch nichts geschieht. Ist der Korse taub? Schläft er gar oder ist er einfach nur gemein? Wie auch immer, in seiner kleinen Hütte hätten eh höchstens zwei, drei Frauen Platz gefunden.

Die Pfadfinder aber pfeifen noch immer, versuchen nervös, Reihen zu bilden und das Vieh aus dem Lager zu treiben. Ihr Leiter gibt sich alle Mühe, Ordnung in seine Truppe zu bringen, vergeblich. Die Franzosen und Italiener aber greifen zu ganz anderen Mitteln. Mit Knüppeln bewaffnet, verscheuchen sie die Schweine, werfen einen wahren Kieselhagel durch die Nacht, unter dem eines ihrer eigenen Zelte zerlöchert wird, und johlen wie wilde Inselbewohner auf der Jagd.

Ein herrlicher Anblick, der aber zu sehr von der eigentlichen Gefahr ablenkt. Schon stößt ein Schwein den Betrachter beiseite und zermalmt sein Zelt, bevor es weiterrennt und schließlich in die Nacht verschwindet.

… Als sich die Lage langsam wieder beruhigt, suchen die Wanderer Unterschlupf in dem zertrümmerten Lager. Es ist unmöglich, in der Dunkelheit die Schäden zu beheben, die Müdigkeit ist übergroß. Bald schon erlischt der letzte Taschenlampenkegel und das Lager sinkt in einen erschöpften Schlaf.

Entspannung durch Anspannung

Bei dem Orkan habe ich nahezu all mein Gepäck eingebüßt. Vieles wurde von den Schweinen zertreten oder mitgeschleift, einiges wurde verweht und verschwand unauffindbar in dem mannshohen Strauchwerk. Mit sehr leichtem Gepäck trat ich also den Abstieg vom Monte Rotondo an. Kein Zelt mehr, keinen Gaskocher, kaum noch Proviant.

Hungrig erreichte ich Soccia. Wie schwer sich die Schritte auf der asphaltierten Straße setzten! Mir fehlte die Vibration der Erde, der gefederte Gang … Soccia schlief. Kaum eine Menschenseele war zu sehen. Das einzige öffentliche Gebäude war ein italienisches Restaurant. Es öffnete erst um vier. Also wartete ich und stürmte, kaum hatte die Kellnerin die Pforte aufgesperrt, den Gastraum. Bestellte ein üppiges Nudelgericht, dazu ein Bier. Komischer Geschmack, intensiv und künstlich zugleich.

Zwei Tage später fuhr ich mit der Fähre nach Italien zurück. Langsam verschwand die Insel im Dunst des anbrechenden Tages, sodass bald nur noch das weite Meer zu sehen war.

In den Bergen würde die Haut reiner werden, hatte mir ein Bauer erklärt. Weil man dort nur reine Sachen esse und wegen der frischen Luft. „Selbst der Schweiß stinkt hier oben nicht“, hatte er hinzugefügt. „Der Körper wird völlig entgiftet. Das liegt am Bergwasser. Bei den Leuten an der Küste ist das anders. Deshalb brauchen die auch Parfüm.“ Sogar die Gedanken seien reiner, Stress unmöglich. Entspannung durch Anspannung, fasste er zusammen und schmunzelte. „Spürst du es schon? Das ist die Wirkung Korsikas.“