Innovation und Nachhaltigkeit: 30 Jahre Zusammenarbeit

Die Bukarester Politehnica-Universität feierte das Jubiläum der deutsch-rumänischen Kooperation

Der rumänische Raumfahrer Dumitru Prunariu hielt als Ehrengast eine Eröffnungsrede zum Auftakt der Konferenz. Foto: Jürgen Schneider

Die Politehnica hatte Grund zu feiern: An der Abschlussveranstaltung des Jubiläums anlässlich der 30 Jahre deutsch-rumänische Kooperation und deutschsprachige Studiengänge an der Bukarester Politehnica-Universität (UPB) sowie des 20. Gründungstages der Fakultät für Ingenieurwesen in Fremdsprachen (FILS) haben sich Professoren und Forscher aus dem In- und Ausland sowie Studierende der UPB vor Weihnachten in der UPB-Bibliothek beteiligt.


Ein Raumfahrer als Ehrengast

Nach dem Grußwort des Dekans der FILS-Fakultät, Prof. Ing. Dr. Cristian Dragomirescu, und der Eröffnungsreden des Rektors der Politehnica-Universität, Prof. Ing. Dr. Mihnea Costoiu, von Ing. Dr. Bujor Păvăloiu, Direktor des Departements für Ingenieurwesen in Fremdsprachen, und Dr. Ioana Musta]², im Namen des Departements für Kommunikation in modernen Sprachen (DCLM) an der Universität Bukarest, kam Dr. Dumitru Prunariu, Alumnus der Fakultät für Luft- und Raumfahrttechnik an der UPB, erster und einziger Raumfahrer Rumäniens, als Ehrengast zu Wort.

Der Astronaut erzählte, dass er nach der Beendung seines Bachelorstudiums 1976 und anschließenden Doktorstudiums 1981 im Rahmen der Soiuz-Mission eine Woche im Weltraum verbrachte. Nach der Rückkehr auf die Erde unterrichtete er an der Politehnica die Weltraumdynamik der Satelliten. Einen Bezug zum deutschsprachigen Raum hat er auch, betonte Dr. Prunariu: Den gebürtigen Hermannstädter Hermann Oberth, einer der Gründungsväter der Raumfahrt, hatte er 1982 kennengelernt und sich mit ihm befreundet. Beide sind zusammen auf Fotos zu sehen und in Doku-Filmen zusammen aufgetreten und haben sich mehrmals über das Leben und Werk von Oberth im Bereich Raketen und Raumfahrt unterhalten, erinnerte sich Prunariu. Sein letzter Besuch beim rumäniendeutschen Forscher in Feucht bei Nürnberg, Deutschland, war 1989, genau sechs Monate vor seinem Tod. Nicht nur die Besuche bei Oberth verbinden Dumitru Prunariu mit Nürnberg, sondern auch das dortige, nach ihm benannte deutsch-rumänische Kulturzentrum und seine Zusammenarbeit mit dem örtlichen Hermann-Oberth-Museum, unterstrich Prunariu und verlieh abschließend seinem Wunsch zum Fortbestehen der deutschsprachigen Studiengänge Ausdruck.

30 Jahre der Zusammenarbeit

Zum Auftakt der eigentlichen Konferenz las der Moderator Konf. Dr. Cristian Mustață einen Brief des Darmstädter Professors Dr. Dr. h.c. Günter Specht, seit 1993 Ehrenmitglied des Senats der Politehnica-Universität, zum feierlichen Anlass vor. Danach gab Prof. Ing. Dr. Constantin Micu dem Publikum durch seine Präsentation einen Überblick über die Geschichte der deutsch-rumänischen Kollaboration an der Politehnica-Universität sowie der Gründungsgeschichte der deutschsprachigen Studiengänge und der Fakultät für Ingenieurwesen in Fremdsprachen.
Die deutsch-rumänische Partnerschaft im polytechnischen Bereich geht über 30 Jahre zurück, auf das Jahr 1973, als das erste Kulturabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Republik Rumänien geschlossen wurde. Eine Delegation der Friedrich-Naumann-Stiftung kam bald darauf nach Bukarest und traf sich unter anderen auch mit Professoren wie Gheorghe Buzdugan von der Politehnica.

Im darauffolgenden Jahr reiste Prof. Buzdugan nach Deutschland, wo er Prof. Ing. Dr. Helmut Böhme kennenlernte. 1975 wurde eine Vereinbarung zwischen der Technischen Universität (TU) Darmstadt und der Politehnica-Universität Bukarest zum bilateralen Erfahrungsaustausch von Lehrkräften unterzeichnet. Nach der Wende forderte Prof. Böhme, Rektor der TU Darmstadt, die Einführung eines Wirtschaftsingenieurwesen-Studiengangs vom Vorstand der UPB. Zusammen mit dem damaligen Präsidenten der Rumänischen Akademie Prof. Dr. Radu Voinea, Prof. Dr. Gheorghe Buzdugan, Prof. Dr. Dan Ardelea und Prof. Dr. Ionel Constantinescu hat dann Prof. Helmut Böhme 1992 den deutschen Studiengang ins Leben gerufen. So wurden viele bilaterale Kontakte geknüpft, und seither haben über 80 deutschsprachige Lehrkräfte der UPB Austausch-, Forschungs- und Fortbildungsaufenthalte an der TU Darmstadt verbracht und viele Darmstädter Professoren an der UPB unterrichtet.

Weil wachsendes Interesse am technischen Unterricht in Fremdsprachen bestand, wurde zehn Jahre später die Fakultät für Ingenieurwesen in Fremdsprachen gegründet. Über deren Gründungsgeschichte und Struktur sprach Dekan Prof. Dr. Cristian Dragomirescu, und danach hielt Prof. Dr. Voichi]a Ghenghea eine Rede über die Förderung des deutschsprachigen Unterrichts an der UPB, in der sie an zwei  weitere Jubiläen erinnerte: Das der 20 Jahre seit der Eröffnung der Bukares-ter Zweigstelle der Gesellschaft für deutsche Sprache, und das der 28 Jahre seit der Einführung des kostenlosen Vorbereitungsjahres an der UPB. Anschließend erläuterte Prof. Dr. Laura Trifan die Zusammenarbeit mit dem integrierten Beratungsdienst (IBD), ein Kooperationsmodell zwischen der Politehnica-Universität, deutschen und rumänischen Unternehmen.

Ein erstes Großprojekt war 1996 durchgeführt worden: Ein zweisemestriges Postgraduiertenstudium im Fachbereich Management (Personalmanagement, Marketing, Kostenmanagement, Controlling), mit separaten Modulen und separaten Zertifikaten. Das Ergebnis: 300 Absolventen allein in den ersten drei Jahren. Ein anderes Projekt über die Deutsche Gesellschaft für Qualität e.V. (DGQ) ermöglicht eine Spezialisierung im Qualitätsmanagement als Fachqualifikation für die Industrie, aber auch für einige UPB-Lehrkräfte.

Prof. Trifan erwähnte auch das „Triple-Helix-Modell“ der Innovation, welches sich auf Wechselwirkungen zwischen Wissenschaft (Universitäten), Industrie und Regierung bezieht, um die wirtschaftliche und soziale Entwicklung innerhalb der wissensbasierten Wirtschaft und Gesellschaft zu fördern. Dabei wird die wesentliche Rolle der Universität für Innovation hervorgehoben, und dies fungiert als ein Grundmodell für Wissensproduktion und Innovationsanwendung.

Partner DAAD

Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD), ein langjähriger Partner der Politehnica- Universität, wurde bei der Konferenz von Michael Jaumann, Direktor des Bukarester DAAD-Informationszentrums und den Lektorinnen Dr. Andrea Cornelißen und Elisa Moczygemba vertreten. Von Michael Jaumann erfuhren die Teilnehmer, dass 242 deutsche Hochschulen und 104 Studierendenschaften Mitglieder des Austauschprogramms des DAAD sind und rund 80 Studiengänge und die Möglichkeit, in deutscher Sprache zu promovieren, anbieten. Der DAAD, der vom deutschen Auswärtigen Amt, vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und von der Europäischen Union finanziert wird, verfügt weltweit über 18 Außenstellen, 40 Informationszentren sowie 426 Lektorate und fördert wiederum jährlich 100.000 Stipendiatinnen und Stipendiaten. In Rumänien allein gibt es acht DAAD-Lektorate und ein großes Informationszentrum in Bukarest, welche zur Unterstützung Kontakte zu deutschen Hochschulen vermitteln, aber auch zu DSD-Schulen oder Kulturvermittlern, und außerdem an Bildungsmessen (RIUF bzw. IUF, WEF, Begin Group) teilnehmen, Fachtests durchführen, Informationen über die Studiengänge verbreiten sowie Delegationen betreuen und den DAAD auf (internationalen) Veranstaltungen vertreten.

Die Präsentation von Dr. Andrea Cornelißens brachte den Zuhörern die zehn Dhoch3-Studienmodule des DAAD auf dessen kostenloser Online-Plattform Moodle (moodle.daad.de) näher, mit Schwerpunkt auf dem fünften Modul, das der Fachkommunikation auf Deutsch gewidmet ist. Die Fachkommunikation vermittelt fach- und fremdsprachenlinguistische wie -didaktische Kenntnisse und Kompetenzen, ermöglicht den Transfer in länderspezifischem Kontext und zeigt Wege zum Erreichen von Qualifikationen und Kompetenzen auf. Diese sind laut Dr. Cornelißen erstens die Fachkompetenzen, welche die Aneignung von Kenntnissen über Merkmale und Besonderheiten von Fachsprachen und Fachkommunikation sowie methodisch-didaktischer Modelle zur Vermittlung von Fachsprachen erlauben; zweitens helfen Methodenkompetenzen bei der Planung und Gestaltung von Fachunterricht Deutsch und bei der Vermittlung von Fachsprache Deutsch. Drittens ermöglichen Sozial- und Selbst-Kompetenzen den Umgang mit Sensibilität für Fachsprachen im Rahmen (inter-) kultureller sowie inter- und transdisziplinärer Fachkommunikation.

DAAD-Lektorin Elisa Moczygemba von der Fremdsprachenfakultät an der Universität Bukarest und einer ihrer Studenten, Theodor Iordăchescu, erzählten dem Publik von ihren Erfahrungen mit der Veranstaltung eines Konzerts mit deutschen und rumänischen Rockbands im Rahmen des Sprachpraktik-Kurses als Gruppenarbeit.

Prof. Ing. Dr. Ulrich Bauer vom Institut für Betriebswirtschaftslehre und Betriebssoziologie an der Technischen Universität (TU) Graz stellte den Teilnehmern eine im vergangenen Jahr durchgeführte Studie des Verbandes der Wirtschaftsingenieure in Österreich (WING) zur Lage des Wirtschaftsingenieurwesens in Österreich vor. Die Beobachtungen der Studie waren, dass die vielen Studienangebote sich kontinuierlich positiv weiterentwickeln und mittels einer ganzheitlichen Ausbildung mit solider technisch-naturwissenschaftlicher Basis (im Verhältnis von ca. 60 Prozent Technik und ca. 40 Prozent Wirtschaft) ausgewogene Fach-, Methoden- und soziale Kompetenz vermittelt werden. Universitäten, Hochschulen und Berufsverbände haben eine Qualitätssicherungsaufgabe für Studienangebote. Das Wirtschaftsingenieurwesen-Studium bietet ein breites Einsatzfeld mit ausgezeichneten Berufschancen. Wirtschaftsingenieure und -ingenieurinnen haben gute Aufstiegschancen, und mehr als drei Viertel von ihnen arbeiten in Führungspositionen. Die Nachfrage nach Wirtschaftsingenieuren bleibt auch 2023 hoch.

Technik der Zukunft

Prof. Dr. Ildiko Tulbure und Prof. Dr. Dumitru Prunariu von der Universität „1. Dezember“ in Karlsburg/Alba Iulia und der Stiftung Kosmonaut Dumitru-Dorin Prunariu setzen sich seit einigen Jahren mit den Aussichten und Herausforderungen der Zukunftstechnik für Nachhaltigkeit auseinander. Prof. Tulbure präsentierte die Themen der Forschung der beiden: Ingenieure sind gegenwärtig mehr denn je herausgefordert, integrierte inter-, multi- und transdisziplinäre Methoden zur effizienten Bewältigung der Komplexität technischer Entwicklungen und zur Analyse möglicher Folgen ihrer Anwendung mit dem Ziel der Gewährleistung nachhaltiger Entwicklung zu erarbeiten. Technikbewertung spielt eine wichtige Rolle in diesem Zusammenhang. Zu den Herausforderungen zählt Prof. Tulbure die Sicherung des Wohlstandes, den verantwortungsvollen Umgang mit globalen Ressourcen, die Gestaltung nachhaltiger Städte und nachhaltiger Mobilität, die Gründung von Raumstädten und einer Raumnation und Nachhaltigkeit im All. All dies setze die Notwendigkeit innovativer Ansätze im technischen Bereich voraus.

Prof. Dr. Gertrud Grünwied von der Hochschule München hielt anschließend einen Vortrag zum Thema „Benutzerbindung als Interaktionsprinzip in Software, Apps und Informationsmedien“. Die Benutzerbindung zählt seit 2020 zu den Interaktionsgrundsätzen für Systeme, Software und Services und zielt unter den drei Usability-Anforderungen – Effektivität, Effizienz, Zufriedenstellung – auf letzteres ab. Dr. Gertrud Grünwied stellte fest, dass Software, Apps und Hilfen motivierend gestaltet werden sollen, denn Benutzer wollen sich aktiv beteiligen, aber sich gleichzeitig auch sicher fühlen. Höhere Benutzerbindung lässt diese gerne mit einem System arbeiten, so dass sie es gegenüber Systemen mit vergleichbarer Funktionalität bevorzugen.
Die Konferenz wurde mit einem Rundtischgespräch zu innovativen und nachhaltigen Entwicklungspotenzialen der Kooperationen im deutschsprachigen Raum abgeschlossen.